#22 Wald

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Der Weg zum Wald war gar nicht so lang. Als ich endlich ankam, wurde ich von frischer Waldluft empfangen. Eine Luft, die im Gegensatz zur Stadtluft, viel besser ist. Die Werkatzte in mir wurde immer unruhiger. Ich lief weiter in den Wald hinein.  Verließ den Trampelpfad und ging rein in den Wald. Ich musste mich an Ästen vorbei kämpfen. Irgendwann, als ich sicher war, dass mich keiner verfolgte, blieb ich stehen. 

Um mich herum war alles ruhig. Nur das Zwitschern von den Vögeln war zu hören. Meine Kleidung zog ich aus und legte sie in eine kleine Baumhöhle in der Nähe. Sie würden sonst bei der Verwandlung zerreißen. Ich atmete einmal tief ein und konzentrierte mich. Sofort stieg Wärme in mir auf und alles fing an zu kribbeln. Keine drei Sekunden war meine Perspektive näher am Boden als davor. 

Ich streckte einmal meine Vorderbeine, dann die Hinterbeine aus. Alles tat weh, war verspannt. Ich war schon viel zu lange nicht mehr in meine Raubkatzen-Gestalt gewechselt. Es tat gut endlich mal wieder in dieser Gestalt zu sein. Eigentlich mochte ich es nicht. Ich liebte es ein Mensch zu sein und wäre ich keine Werkatze, hätte ich mit Sicherheit ein normales Leben geführt, zusammen mit meinen Eltern. Meine Mum hatte früher immer gesagt, dass meine Raubkatzen-Gestalt etwas ganz besonderes sei. Meine Gestalt war ein schwarzer Panther. Zugegeben bei uns im Clan gab es keinen anderen schwarzen Panther, aber besonders selten war er auch wieder nicht.  

Meine Sinne waren auf das Doppelte verstärkt. Ich hörte das Eichhörnchen, welches gerade dabei eine Nuss zu knacken. Es musste knapp fünf Meter von mir entfernt sein. Auch meine Sicht war viel detaillierter, als wie vor ein paar Minuten. 

Ich begann mich zu bewegen. Zu erst sehr langsam und mich wieder an das Bewegen meiner Muskeln zu gewöhnen, dann wurde ich immer schneller. Ich musste vorsichtig sein, schließlich war es nicht normal, dass ein schwarzer Panther sich in einem Wald am Stadtrand von London befand. Ich hielt meine Ohren gespitzt, um nur bei den kleinsten Geräusch in Deckung gehen zu können. Ich lief über das gefallene Laub vom letzten Herbst, sprang über umgefallene Bäume und wich Sträuchern aus. Ich fand Gefallen daran und wurde immer schneller. 

Irgendwann kam ich an einer Lichtung an. Zumindest dachte ich das zuerst, aber als ich näher trat, erkannte ich, dass ich an dem See angekommen war, an dem wir noch vor ein paar Stunden waren. 

Ich war an der kleinen Holzhütte, die man von dem Ufer sehen konnte. Zu meiner linken befand sich das große Holzhaus, wo mindestes zwei Familien Platz hatten. Sofort bekam ich ein ungutes Gefühl. Ich befand mich so oder so in dem Revier des Rudels, aber das ich dem Haus, wo Versammlungen statt fanden, so nah war, war sehr gefährlich. Ich ging in Lauerstellung und beobachtete das große Haus. Es sah eigentlich alles sehr ruhig aus. Niemand war zu sehen. 

Vor dem Villa standen zwei SUV, was die Anwesenheit von mindestens zwei Person bewies. Aber im Haus sah es eigentlich sehr ruhig aus. Hören konnte ich auch nix, zumindest auf der Entfernung nicht. Kurz war ich in der Versuchung näher ran zu gehen, aber verwarf den Gedanken schnell wieder. Selbst in ihrer Menschengestalt würden sie mich sofort wittern. Es war zu gefährlich. 

Plötzlich wurde die große Haustür geöffnet und Ryan trat ins Freie. Er schloss die Tür hinter sich und schloss kurz die Augen. Anscheinend hatte er ein sehr anstrengendes Gespräch hinter sich. Ich spürte seine Anspannung bis hier hin. 

An der Villa hob Ryan seinen Kopf verdutzt und suchte den See ab. Ich machte mich sofort noch kleiner. Er hatte mich doch nicht etwa gewittert? Er ging die Stufen, die zur Haustür führten, herunter und ging in Richtung Steg. Ganz langsam ging ich rückwärts wieder in Richtung Wald und suchte Schutz in einer der großen Büsche. Ryan stand jetzt ganz am Ende des Stegs und sah genau in meine Richtung. Er wusste, dass ich ihr war. Gerade als ich weg laufen wollte, sah ich noch sein wissendes Lächeln. Ich drehte mich um und lief so schnell es mir möglich war fort. 

Ich versuchte den gleichen Weg wie auf dem Hinweg zu finden, was sich als gar nicht so leicht herausstellte, schließlich war ich noch nie in diesem Wald gewesen. 

Irgendwann blieb ich stehen und schaute mich verunsichert um. Die Schatten, welche die Bäume warfen, wurden immer länger. Die Sonne ging unter. 

Nicht weit von mir hörte ich plötzlich ein Knacken. Ich wandte meine Kopf in die Richtung und versuchte das Geräusch zu zuordnen. Wieder ein Knacken, dieses mal lauter und näher. 

Ich legte meine Ohren an und ließ ein Fauchen hören. Ein intensiver Geruch nach Hund lag in der Luft und kam näher. Der Geruch war aber nicht unangenehm, sondern jagte mir einen warmen Schauer über den Rücken, was mein Fell auf dem Rücken abstehen ließ. Der Busch vor mir teilte sich und ein sehr großer schwarzer Wolf trat auf die kleine Lichtung. Ich ließ noch mal eine Fauchen hören, was den Wolf jedoch keine Angst zu machen schien. Im Gegenteil, er kam noch ein paar Schritte näher und legte seinen Kopf schief. 

Der Duft der von ihm ausging kam mir bekannt vor, jedoch war er jetzt noch intensiver und dominanter. Er überragte mich, er war schätzungsweise doppelt so groß wie ich. Mit seiner bloßen Anwesenheit  strahlte er Macht aus. Jeder der ihn sehen würde, hätte Angst vor ihm. 

Ich wusste nicht wie ich mich gegenüber ihm verhalten sollte. Würde er mich angreifen? Schließlich war ich in seinem Revier. Er schien aber genau zu wissen wer ich war.

Er sah mich immer noch mit schief gelegten Kopf an. Ich hatte immer noch meine Ohren angelegt. Meine Muskeln waren jeder Zeit bereit sich anzuspannen um meinen Beinen zu befehlen mich davon zu tragen. Der schwarze Wolf vor mir fing an zu winseln und fing an sich zu bewegen. Jedoch griff er mich nicht an, er rollte sich auf den Rücken und präsentierte mir seinen Bauch. Ich machte erschrocken einige Schritte zurück. Er unterwarf sich mir, zeigte mir seinen verwundbarsten Punkt, seinen Bauch. Ich sah ihn mit weit aufgerissen Augen an. Seine Augen lagen immer noch auf mir. 

In meinem Kopf verändertet sich etwas, ich bekam Panik. So schnell ich konnte rannte ich davon. Erst hatte ich Angst er würde mir folgen, hörte aber nichts hinter mir. Erst als ich auf der Lichtung wieder war hörte ich auf zu rennen und blieb für ein paar Sekunden einfach nur stehen. Atmete kurz ein und befahl meinen Knochen sich wieder zurück zu wandern. In weniger als einer Minute war ich wieder ein Mensch. Schnell holte ich meine Kleidung aus der Baumhöhle hervor uns zog sie mir wieder an. Ich suchte noch einmal nach dem Geruch in der Luft, fand jedoch nichts. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Heimweg. 

Werwolf vs Werkatze - My MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt