Kapitel 23

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Mit einem Ruck setzte ich mich in meinem Bett auf. Mein Herz raste, als wäre ich gerade einen Marathon gelaufen und genauso fühlte ich mich auch.
Mit jedem viel zu schnellen Atemzug schien mir mehr und mehr Energie geraubt zu werden.

Der Schweiß tropfte mir eiskalt von der Stirn und meine offenen Haare klebten am meinem Körper.
Doch ich starrte einfach nur in die Dunkelheit des Zimmers hinein. Meine Augen waren aufgerissen und vor ihnen flackerten immer noch die Bilder... die Bilder aus meinem Traum.

Mein Blick schnellte zu dem digitalen Wecker auf meinem Nachtschrank.
03:12 Uhr.
Warum? Warum musste ich gerade heute davon träumen? Warum gerade an dem Tag... an dem Todestag meiner Mutter.

Mein Herz pochte in meiner Brust. Kalter, nasser Schweiß überdeckte meine Stirn und ich keuchte.
Ich musste nicht lange darüber nachdenken, als ich aufstand und durch die Dunkelheit in Richtung des Badezimmers stolperte.

Meine Atmung wollte sich nicht beruhigen und mein Kopf dröhnte.
Es war unerträglich... doch das einzige an was ich denken konnte war meine Mutter. Und wie sie starb.

Schnell öffnete ich die Badezimmertür einen Spalt und schlüpfte hindurch.
Ich schlug auf den Lichtschalter und ein paar Sekunden darauf erhellte das grelle Licht den Raum.

Die Fläche des riesigen Spiegels erstreckte sich vor mir und ich stützte mich direkt auf den Steinuntergrund des Waschbeckens ab.
Ich blickte auf, direkt in ein bleiches Gesicht.

Würde ich nicht gerade mit meinen Gedanken total am Ende sein, hätte ich mich wahrscheinlich erschrocken, doch ich konnte nicht.
Mir starrten zwei leblose Augen entgegen, die jegliche Farbe verloren hatten. Meine Haut war total bleich und meine Haare hingen schlaff an meinen Schultern hinunter.
Also ich würde sagen, dass ich jetzt locker die Statistenrolle einer Leiche in einem Horrorfilm bekommen könnte.

Innerhalb einer Sekunde drehte ich den Wasserhahn auf und beugte mich zu diesem hinunter.
Das kalte Wasser berührte meine Haut und ließ diese leicht abkühlen.
Erneut richtete ich mich meinem Spiegelbild entgegen.

Ich fühlte mich, als wäre ich nicht in meiner Haut, als wäre ich in einer Art Rausch und würde all das, was gerade geschah in einem Fernseher miterleben.
Mit meinen kraftlosen Armen raufte ich mir durch die Haare, um mich nicht mehr so gefangen zu fühlen.

Ich atmete ein... aus... ein... aus...
Ich fühlte mich, als würde ich gleich ein Kind gebären oder sowas.
Doch egal wie oft ich diesen Rhythmus wiederholte, es wurde nicht besser. Es war als würde ich mit jedem Atemzug weiter in ein tiefes schwarzes Loch gezogen werden.

Das Adrenalin schoss immer noch durch meinen Körper und ließ es nicht zu, mich zu beruhigen.
Mein Blick schnellte von meinem Spiegelbild zur Tür.
Ich musste hier raus... ich musste an die frische Luft, ansonsten würde ich hier gleich umkippen.

Mit immer noch zittrigen Beinen lief ich zur Badezimmer Tür und öffnete diese, um hinaus zu gelangen.
Auch die Zimmertür öffnete ich, bis ich draußen im Flur stand.
Ich hoffte innerlich, dass ich Cami und Vikki nicht geweckt hatte.

Nun stand ich im Flur blickte nach links und rechts. Scheiße, jetzt musste ich hier nur noch irgendwie heraus kommen, aber ich konnte ja nicht einfach durch den Haupteingang heraus spazieren.

Aber ich musste hier raus, ich konnte nicht mehr hier drinnen bleiben. Es war wie ein riesiges Gefängnis, welches mir immer mehr die Luft in meinen Lungen nahm.
Zwar lag dies einfach an meiner momentanen Panikattacke, doch daran ändern konnte ich nichts.

Auf einmal konnte ich mich an gestern erinnern.
Ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich endlich wusste welche Richtung ich einschlagen konnte.
Erleichtert rannte ich durch den langen, nur leicht beleuchteten Flur, in Richtung der Treppen.

Als ich wenige Minuten später vor der ranzigen Metalltür stand, fiel mir erst auf, wie viel Glück ich hatte von keiner Aufsichtsperson entdeckt worden zu sein.
Ich drückte an der großen Metalltür und es schien unmöglich sie zu öffnen. Es war, als müsste ich einen Elefanten stemmen.
Mit letzter Kraft stieß ich die riesige Metalltür einen Spalt auf, sodass ich gerade noch so hindurch passte.

Als sie mit einem lauten Knall wieder hinter mir zufiel stand ich in einem dunklen kalten Treppenhaus.
Doch das war mir echt egal... ich wollte einfach nur an die frische Luft. Den Himmel sehen... die Sterne.

Vikki sagte doch, dass es nach oben aufs Dache gehen würde?
Hoffend nahm ich die ersten Stufen nach oben und lief immer weiter.
Die Gewissheit, dass ich oben auf dem Dach vielleicht endlich wieder atmen konnte, trieb mich voran.

Mein Herz pochte in meiner Brust, doch meine zittrigen Beine wurden immer stärker und so langsam kam das Gefühl in meinen Knochen wieder zurück. Doch das beklemmende Gefühl blieb.

Dieses Gefühl, welches meine Brust zusammenzog.
Mit nackten Füßen lief ich die Treppe hinauf, dabei empfand ich gar nichts. Keine Wärme keine Kälte, nichtmal Trauer. Ich war einfach nur... leer.

Ich wusste nicht, wie lange ich Stufe für Stufe nahm, Treppe für Treppe, doch irgendwann kam ich an einer ähnlichen Metalltür wie die untere an.
Ohne darüber nachzudenken, dass sie vielleicht abgeschlossen sein könnte, drückte ich mich mit meinem ganzen Gewicht gegen das kühle Metall und glücklicherweise war sie offen.

Als ich einen Schritt auf die Kiessteine, welche überall den Boden des Daches bedeckten, machte, schloss ich die Augen. Die Tür fiel wieder hinter mir zu und ich atmete die frische Nachtluft ein.

Erstaunlicherweise beruhigte sich mein Körper wirklich. Als ich meine Augen wieder langsam öffnete, nachdem ich ein paar Atemzüge genommen hatte, schaute ich nicht nach vorne auf das vom Mond bestrahlte Dach, sondern hinauf in den Himmel.

Ich betrachtete die Sterne und hielt mich an den weißen kleinen Pünktchen am Himmel fest.

Dann schaute ich vor mich.
Nur eine kleine Lampe an dem Steinkasten, aus dem ich gerade durch die Metalltür gekommen war, erhellte das Dach. Doch der Mond war viel stärker.

Es war eine ruhige, klare Sommernacht und langsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Erst jetzt nachdem ich mich beruhigt hatte, merkte ich das es ziemlich kalt war.

Ich stand auf dem Dach mit nichts bekleidet, außer meiner kurzen Shorts und einem weiten Tshirt von Shawn. Nicht mal Socken hatte ich an. Doch ich würde jetzt nicht mehr reingehen.

Hier draußen schien alles so real und klar. Hier war ich alleine und wurde von niemandem bedrängt, nichtmal von meinen Erinnerungen.
Meine Füße trugen mich bis zum Rand des Daches an welchem ich einfach steil hinunter blicken konnte.

Auch weit konnte ich sehen.
Ich konnte den großen Hof vor dem Internat sehen, auch wie die Lichter aus den Fenstern diesen leicht anstrahlten. Doch sonst waren da nur Bäume und Wiesen, welche durch den Mond in der Dunkelheit erkennbar waren.
Nun stand ich nur noch einen Zentimeter vom Abgrund entfernt.

Der Gedanke, dass ich jetzt nichtmal mehr einen Schritt machen müsste, um zu sterben, flößte mir gewaltigen Respekt ein.
Doch wundersamer Weise war ich kein bisschen ängstlich. Ich guckte an meinem Körper bis auf den weit entfernten Boden hinunter.

Ich weiß nicht, ob mich der Tod meiner Mutter anders empfänglich gegenüber meinem eigenen gemacht hatte, doch ich hatte keine Angst.
Gut so... ich hasste es Angst zu haben.
Seit diesem einen Tag hatte ich mir geschworen vor nichts und niemanden mehr Angst zu haben.

Nicht vor meinem Vater, nicht vor diesen maskierten Arschlöchern und vor allem nicht vor solchen Jungs wie Zayn Black.
Eine leichte Windbriese wehte mir um die Ohren und hinterließ eine sich ziehende Gänsehaut an meinem ganzen Körper. Doch sonst nahm ich nichts mehr war.

Wie gebannt starrte ich auf den Grund der Erde, welcher locker 20 Meter von mir entfernt war.
Also eins stand fest, wenn ich da jetzt herunterspringen würde, würde ich das sicher nicht überleben.
„ Willst du etwa springen?"

In the heart of the BadboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt