Prolog

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Es gab nicht vieles in meinem Leben, auf das ich wirklich stolz war, aber in Momenten wie diesen, spürte ich, dass ich einmal alles richtig gemacht hatte. Der kühle Wind, wehte auf meinen Balkon und füllte meine Lungen; ich atmete tief durch. Die letzten Wochen waren voller Umzugsstress, weshalb ich froh war, dass jetzt alles geschafft war. Die Wohnung war fertig eingerichtet und in zwei Wochen trat ich meine Stelle als Barista, im Café zwei Straßen weiter von hier, an. Ich war zufrieden, aber dennoch mächtig aufgeregt auf die kommenden Wochen.

Als Teenanger habe ich mir immer vorgestellt am Meer zu wohnen und mir dort ein neues Leben aufzubauen. Damals vor allem aus dem Grund, dass ich viel zu gerne am Meer war. Ich war der Meinung, die Menschen die hier lebten, waren gelassener und sympathischer und die Gegenden viel ruhiger als in der Stadt. Hier gibt es kaum Lärm, die Leute sind freundlich und es gibt alles, was man zum Leben braucht.

Vor vier Monaten beendete ich meine Ausbildung und beschloss, dass ich bereit war, um auf eigenen Beinen zu stehen.

Völlig in Gedanken vertieft, dachte ich an die Zeit bei meinen Eltern und in der Schule zurück. Es gab es gute und natürlich auch schlechte Momente, an die ich am liebsten gar nicht mehr zurück denken möchte. Damals war ich der typische Teenager, die ständig mit ihren Freundinnen unterwegs war, ein wenig anstrengend und ein Mädchen, dass sich viel zu schnell in Leute verliebte, die unantastbar sind - oder sein sollten.

Judith Sommer, meine Lehrerin, war die Frau, die mir vor mehr als 5 Jahren das Herz gebrochen hatte. Bis jetzt hatte ich den Gedanken an sie recht gut verdrängen können, manchmal war da aber der ein oder andere Moment, der mir in die Erinnerung gerufen wurde.

Im laufe meiner Schulzeit in der Oberstufe hatte ich mich unsterblich in sie verliebt, wohl nicht so ganz un offensichtlich. Wir kamen uns ein oder zwei mal näher und verbrachten zu viel Zeit miteinander, wenn die anderen schon gegangen waren. Irgendwann verschoben wir die Treffen auf unsere Freizeit und sahen uns daraufhin auch privat. Sie wohnte alleine, weshalb wir uns immer wieder bei ihr Zuhause wieder fanden. Wir wussten, dass eine Beziehung zwischen Lehrerin und Schülerin verboten war, also taten wir alles was wir konnten, um nicht entdeckt zu werden. Das ganze ging fast ein Jahr, bis doch jemand davon Wind bekam. Herr Jansen, mein Mathe Lehrer und offensichtlich der Kollege von Judith Sommer, meiner Deutsch- und Klassenlehrerin. Er drohte uns auffliegen zu lassen und das ganze an die Polizei weiter zu geben. Also trennten wir uns und gingen uns so gut es ging aus dem Weg. Nach der Schule und während der Ausbildung habe ich nichts von ihr gehört, was das alles für mich leichter machte. Die Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit war zum Teil auch einer der Gründe weshalb ich aus der Stadt zog. Es war wie eine Flucht vor dem naiven und schwachem Teil meiner selbst.

An einem Ort wie diesem, der jetzt meine neue Heimat sein würde, konnte ich eine neue und selbstsichere Version von mir selbst kennenlernen.

So kam es, dass ich nach der Ausbildung an einen Ort zog, der möglichst weit weg von meinem Elternhaus war.

In dieser Kleinstadt konnte ich wachsen und neue Wurzeln schlagen. Ich konnte mir bereits nichts entspannenderes vorstellen, als Abends mit einer Decke und einem Wein auf meinem Balkon zu sitzen und auf das offene Meer hinaus zu schauen. Ich wusste hier würde ich frei und vor allem auch selbstbewusster werden; und mit meinem neuen Job konnte ich vielleicht auch lokale Kontakte knüpfen.

Nordsee WindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt