Zu Spät Teil 3

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Miss Fairchild lächelt mich freundlich an und überreicht mir feierlich einen Umschlag.

~Ich freue mich, Sie im nächsten Semester hier begrüßen zu dürfen.~
~Ich wurde angenommen?! Das ist ja großartig!~, rufe ich begeistert und umarme sie stürmisch.

Dann erst schaltet sich mein Verstand ein und ich löse mich rasch wieder von ihr.
~Ich danke Ihnen für diese Chance. Es ist mir eine Ehre.~, meine ich mit einem verlegenen Lächeln, nachdem ich mich beruhigt habe.

~Oh danken Sie nicht mir. Mr Bane hat sich sehr für Sie eingesetzt, also wenn Sie jemanden zu Dank verpflichtet sind, dann ihm.~, winkt sie ab.

Mein Herz gerät kurz ins Stocken, um dann doppelt so schnell weiterzuschlagen.

Mr Bane hat mir also geholfen und mir diese Chance ermöglicht. Ihm nur zu danken, ist beinahe untertrieben. Aber ich habe keine Zeit, einen Blumenstrauß oder so zu besorgen, weshalb ich hoffe, dass mein Dank allein reicht.

Dazu muss ich ihn aber ersteinmal erwischen, weshalb ich mich hastig von Miss Fairchild verabschiede und losrenne.
Ich renne heute ziemlich viel, wenn ich so darüber nachdenke.

Den Ausgang finde ich beinahe ohne Probleme und erst, als ich die Tür hinter mir gelassen habe und auf dem Treppenabsatz stehen bleibe, überkommen mich Zweifel. Mr Bane ist bestimmt schon über alle Berge und ich will ihn nicht bedrängen oder so.

Er hat mir schließlich nur geholfen und mir so meinen Traum erfüllt.
Nein, ich muss ihn einfach finden!

Dafür muss ich aber noch nicht einmal suchen, denn er sitzt seelenruhig auf der Treppe und ist vollkommen vertieft in seine Skizze, die er mit groben Schwüngen aufs Papier zaubert. Er braucht dazu noch nicht einmal einen gespitzten Bleistift, ein blauer Buntstift scheint ihm schon zu reichen.

Ich bin nervös, aber dann nehme ich all meinen Mut zusammen, gehe die paar Stufen, die uns trennen, hinunter und setze mich neben ihn.

Ich will etwas sagen, aber seine Skizze lenkt mich ab. Er zeichnet ein Augenpaar, natürlich blau, welches ihm funkelnd entgegenstarrt.

~Was möchtest du, mein Lieber?~, fragt Mr Bane auf einmal und ich zucke erschrocken zusammen.
~Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Miss Fairchild meinte, dass Sie sich dafür eingesetzt haben, dass man mich annimmt.~

~Du hast Talent und Talent muss man fördern~, erklärt er, ohne aufzusehen,~Und können wir bitte damit aufhören, uns zu Siezen? Dann fühle ich mich immer so steinalt, dabei liegen wir keine zwei Jahre auseinander.~
~Vier, um genau zu sein. Ich bin einundzwanzig.~
~Echt?~, fragt er überrascht und sieht endlich auf.

Noch immer sind da diese funkelnden Augen, die jede meiner Bewegungen zu analysieren scheinen. Aber im Gegensatz zum Hörsaal ist er jetzt viel nahbarer. Er scheint von innen heraus zu strahlen und das liegt nicht allein an seinem Charme.

Erst jetzt bemerke ich, dass er sehr wohl einen spitzen Bleistift besitzt und er diesen nur hinter sein Ohr geklemmt hat.

~Du siehst viel älter aus~, sagt er nachdenklich und widmet sich wieder seiner Skizze,~Das meine ich als Kompliment.~
~Danke. Arbeitest du viel mit Buntstiften?~

Mr Bane hält abrupt inne und sieht mich wieder an.

~Ich liebe es mit Farbe zu arbeiten, auch schon bei meinen Skizzen. Es vermittelt ein Gefühl von Lebensfreude und Lebendigkeit. Damit will ich keine Bleistiftzeichnungen beleidigen. Für mich persönlich sind sie einfach zu ernst und ich bin alles andere als das.~

~Und warum unterrichtest du hier?~
~Ich mag es, neue Talente zu entdecken und ihnen zu helfen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Auch bekomme ich so viele neue Eindrücke, die ich zu neuen Kunstwerken verarbeiten kann.~
~So wie das hier?~, frage ich und tippe auf seine Skizze, an deren Details er gerade feilt.

~So in etwa.~, gibt er zu und errötet leicht, während er seinen Block zuklappt,~Für mich ist das Zeichnen eine Art Ausweg aus der Welt der Oberflächlichkeit. Dort bin ich frei und kann mich völlig ausleben und muss nicht dabei zusehen, wie Menschen immer nur das glauben, was sie wollen und sich immer auf das stürzen, das irgendwie anders ist.~

~Ich verstehe, was du meinst. Es ist so eine Art Geheimsprache, mit der man etwas zum Ausdruck bringen kann, für das es keine Worte gibt. Niemand versteht es und doch sind alle fasziniert.~
~Und genau deshalb bist du so interessant, Alec ... ok, das klingt absolut unmelodisch. Ist Alec zufällig die Abkürzung für irgendetwas?~, fragt Magnus mit einem leicht hilflosen Lächeln.

Ich bin überrascht, dass er etwas gegen meinen Namen zu haben scheint, aber das wäre bisher die einzige Sache, die ich nicht an ihm mögen würde und mich dennoch fasziniert.

~Alexander, aber ...~
~Das ist perfekt!~, ruft er nd klatscht vor Begeisterung in die Hände,~Das zergeht einem wie Schokolade auf der Zunge und klingt einfach angenehm in den Ohren.~
~Kennst du dich etwa auch mit Musik aus oder was?~, frage ich errötend.

Noch nie hat jemand meinen vollen Namen für perfekt oder angenehm gehalten. Man hat sich immer damit abgefunden, als ich gesagt habe, dass man mich ruhig Alec nennen kann.

Magnus hingegen scheint davon regelrecht begeistert zu sein und eigentlich will ich nicht, dass er mich wie alle anderen nennt. Bei ihm hört sich Alec einfach falsch an.

~Nein, aber mein Mitbewohmer Jem.~
~Mitbewohner? Ich dachte, du wohnst allein?~

Magnus starrt mich mit hochgezogener Augenbraue an.

~Vielleicht stalke ich dich ab und an.~, gestehe ich.
Kurz lächelt er, bevor er erklärt~Nein. Das, was die Medien als mein Apartment betiteln, ist eigentlich nur mein Atelier, in dem ich nur dann schlafe, wenn ich wirklich in meiner Arbeit vertieft bin. Ansonsten lebe ich in einer WG mit meinen Freunden.~

~Und warum weiß das niemand?~
~Ich will meine Freunde vor der Öffentlichkeit schützen.~, antwortet er, aber ich kann ihm ansehen, dass das nicht alles sein kann.

Er scheint das auch zu merken, denn er seufzt theatralisch.
~Na schön! Vielleicht will ich auch nicht, dass sie peinliche WG-Geheimnisse über mich an die Presse weiterleiten, die nie an die Öffentlichkeit geraten sollen.~
~Zum Beispiel?~

~Wo soll ich da anfangen? Zum Beispiel, dass ich ein halbes Jahr lang eine Ratte als Haustier hatte, um Simon in Angst und Schrecken zu versetzen? Oder dass ich eine Heidenangst vor Spinnen habe und Ragnor und Raphael das gnadenlos ausgenutzt haben, um mir den Halloween-Schreck meines Lebens einzujagen? Das Loch in Cats Wand ist, glaube ich, immer noch da. Oder aber, dass ich ein Nuttellaglas so verteidige als sei es eine Louis-Vuitton-Tasche? Es gibt vieles, was lieber in diesen vier Wänden bleiben sollte.~

~Und warum erzählst du mir das dann alles?~, frage ich und versuche mir nach Kräften ein Lachen zu verkneifen.

Zeitgleich läuft in meinem Kopf das Kopfkino ab, wie Magnus ein angefangenes Nutellaglas mit einem Löffel vor einer Spinne verteidigt, während er versucht auf einem Bürostuhl das Gleichgewicht zu halten und wild hin und her schwankt. Das ist nicht hilfreich.

~Sieh es als Vertrauensvorschuss, denn ich habe vor, dich auf ein Date einzuladen. Also, wenn du nichts dagegen hast oder vergeben bist oder dir die Zeit fehlt oder ...~
~Ja, ich würde gerne mit dir auf ein Date gehen.~, unterbreche ich seinen Redeschwall lachend.

Kurz starrt er mich an, bevor er aufspringt und mir ein strahlendes Lächeln zuwirft, welches seine Augen zum Leuchten bringt und sowohl mein inneres Fangirl als auch mein Herz zum Schmelzen bringt.

~Dann mal los.~, meint er enthusiastisch und hält mir die Hand hin.

Lächelnd nehme ich sie an und wir gehen in ein nahegelegenes Café.

Den ganzen Weg über lässt er meine Hand nicht los und es fühlt sich an, als würde ich auf Wolken gehen, die mich direkt in eine schöne, hollywoodreiche Zukunft führen.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt