Mr Perfect Teil 4

1K 94 14
                                    

~Magnus? Alles in Ordnung?~, fragt mich die tiefe Stimme, von der ich mir so viel mehr erhofft habe.

Ich knie immer noch auf dem Teppichboden, auf dem ich mich auch oft mitten in der Nacht wie eine Katze zusammengerollt habe, weil ich sonst einfach nicht mehr schlafen konnte.

Ich bin gerade so geladen und kann nicht mehr klar denken, denn in meinem Kopf herrscht ein Wirrwar aus Gedankenfetzen, Erinnerungen und Gefühlen.
Deshalb bekommt derjenige auch die erstbeste Emotion ab, die ich zu fassen bekomme: Schmerz mit einem Hauch Wut und Sarkasmus.

~Was willst du noch hier? Du hast deine Schwester doch schon gefunden, also brauchst du mich nicht mehr. Jetzt bist du mich endlich los!~, antworte ich bitter und balle die linke Hand zur Faust, um sie am Zittern zu hindern.

Erst, als ich nichts mehr höre, gestatte ich mir einen Schluchzer. Die Tränen benetzen schon lange meine Wangen.

Umso stärker zucke ich zusammen, als sich plötzlich eine warme Hand auf meine Schulter legt. An dem Kribbeln, das von dort ausgeht, weiß ich, dass es Mr Perfect ist und jetzt schäme ich mich dafür, dass er mich so sieht.

Kann er nicht einfach weggehen und mich allein lassen? Das wollte er doch ohnehin schon die ganze Zeit!

Jetzt muss er auch nicht herkommen, nur weil er sieht, dass ich eben mal nicht gut gelaunt bin!

~Ist das deine Mom? Sie ist hübsch.~, sagt er nur und tippt einmal auf das Bild vor mir.

Dieses Mal unterdrücke ich den aufkommenden Schluchzer, sodass ein heftiges Beben durch meinen Körper geht.

~Du meinst sie war hübsch.~, murmel ich leise.

Der Druck auf meiner Schulter verstärkt sich einmal, bevor er mich wortlos an sich zieht. Ich will das nicht, aber ich bin zu aufgewühlt, um mich ernsthaft zu wehren, weshalb ich es einfach über mich ergehen lasse.

Beruhigend streicht er mir über den Rücken, das Kinn auf meinen Kopf gestützt. Sanft wiegt er mich hin und her, als wäre ich ein kleines Kind, ein Baby, aber ich muss zugeben, dass das Wiegen tatsächlich etwas hilft, aber vor allem hilft mir seine Nähe.

Ohne mich auch nur in irgendeiner Hinsicht gedrängt zu haben, erzähle ich ihm leise ~Wir waren vor zwei Jahren in Europa, Skiurlaub in den Alpen. Ich war nicht gerade begeistert, aber sie hat es schon immer geliebt, sich sportlich zu betätigen, also haben ich und mein Dad mitgezogen. Der Tag war schön und das Skifahren hat erstaunlich viel Spaß gemacht, war aber auch sehr anstrengend. Meine Kondition war mehr als mangelhaft, weshalb mir schon am Nachmittag die Puste ausging. Meine Mom wollte aber noch bleiben, schließlich war es der letzte Urlaubstag, weshalb sie geblieben ist, während Dad mich zurück zur Skihütte gebracht hat. Die Lawine kam ganz plötzlich und man konnte nichts mehr für sie tun.~

Mr Perfect schweigt, drückt mich aber noch fester an sich, sodass ich seinen Herzschlag spüren kann. Er ist ruhig und beständig, gibt mir Sicherheit und ich entspanne mich leicht.

~Das hier war ihr Rückzugsort, der Ausgleich zum Sport. Meine Erinnerung an sie. Manchmal kam ich nachts hierher. Einfach nur, um in ihrem Sessel zu sitzen und mich in ihre flaschengrüne Wolldecke zu kuscheln. Und jetzt ...~

Ein Schiefen unterbricht mich und ich ziehe wie ein kleines Kind einfach den Rotz wieder hoch.
Peinlich, aber ich hasse es, in ein Taschentuch zu schnäuzen. Das ist widerlich.

~Man kann es wieder aufbauen.~
~Aber es ist nicht dasselbe!~
~Aber die Erinnerungen in deinem Kopf sind dieselben, oder?~, fragt er sanft.
~Ja, schon.~

~Also hast du sie gar nicht verloren. Sie lebt in deinen Erinnerungen weiter und ich bin sicher, sie fände es mehr als gruselig, wenn du das hier weiterhin wie eine Art Museum behandelst.~
Ich kichere leise trotz der Tränen.
~Wahrscheinlich.~

~Na siehst du.~, antwortet er mit einem warmen Unterton, sodass ich glaube, er lächelt.

~Das ist schon irgendwie absurd.~, durchbreche ich die erneute Stille.

Mittlerweile sitze ich auf seinem Schoß und ich muss sagen, es ist sehr gemütlich hier.
Auch Mr Perfect hat nichts dagegen und sogar die Stille scheint er genossen zu haben, denn hier sind die Wände so dick, dass man die laute Musik aus dem Erdgeschoss nicht hören kann.

Jetzt lehnt er sich etwas zurück und fragt~Was meinst du?~
~Ich versuche, dir schon den ganzen Abend über näher zu kommen, ohne Erfolg. Aber prompt erzähle ich meine Lebensgeschichte, bin ich erst in deinen Armen und dann sitze ich auf deinem Schoß.~, versuche ich mich zu erklären, wobei meine Wangen warm werden.

Er zuckt die Schultern.
~Ich wollte schlichtweg keine weitere Kerbe an deinem Bettpfosten werden.~, gibt er schließlich zu und wirft mir ein entschuldigendes Lächeln zu, bei dem sich der Knoten in meiner Brust zumindest ein wenig löst.

~Was?~, frage ich dennoch.
~Man hört Gerüchte. Anscheinend sollst du's mit nicht gerade wenigen getrieben haben. Ich wollte keiner von vielen sein.~

Ich blicke verlegen auf meine Hände.
~Ich war nicht gerade wählerisch, ja, aber ich habe mich geändert. Ich wollte als durchschnittlicher Schüler hier durchstarten~, antworte ich, bevor ich in seine Augen sehe,~Aber du hast mich schlichtweg aus den Socken gehauen und mir schon vor dem ersten Wort den Kopf verdreht. Blöd nur, dass du mich nicht leiden kannst.~

~Ich hab gedacht, du bist oberflächlich und arrogant und dein Aussehen hat mir nicht gerade das Gegenteil bewiesen. Ich war einfach misstrauisch. Jetzt kann man es eher als vorsichtige Hoffnung betrachten.~

Ich sehe ihn mit aufgerissenen Augen an und mein Herz nimmt wieder den trockenen Ausdauerlauf auf.

~Hoffnung?~
~Also .. Nur, wenn dir der Kuss auch etwas bedeutet hat.~, wendet er ein und wird tatsächlich rot.

Genau kann ich das nicht erkennen, denn der Raum wird nur vom seichten Mondschein erhellt.

Ich nicke wild.
~Und wie. Aber ich habe gedacht, dir ...~
~Ich bin ein ziemlich guter Schauspieler, was das angeht~, gibt er zu,~Könntest du das nochmal run?~

~Was? Dich küssen?~
Er nickt und zum ersten Mal ist er es, der unsicher wirkt.
~Ich ... hab noch nie ...~
~Oh.~, sage ich nur, denn mir wird schlagartig klar, dass ich ihm seinen ersten Kuss gestohlen habe.

Glanzleistung, Magnus!

Er scheint mir meine Gedanken am Gesicht abzulesen, denn sofort beteuert er~Es ist ok. Ich habe es genossen, auch wenn ich eigentlich gar nichts getan habe.~

~Zuerst will ich aber endlich deinen Namen wissen. Denn so gerne ich dich in meinem Kopf auch weiterhin Mr Perfect nennen möchte, wäre mir ein richtiger Name lieber.~

~Mr Perfect?~, fragt er belustigt und ich verdrehe die Augen.
Er kichert leise, bevor er antwortet ~Alec. Also eigentlich Alexander, aber Alec reicht vollkommen.~
~Mir mag Alexander lieber.~, meine ich mit einem verschmitzten Grinsen, bevor ich endlich wieder in den Genuss seiner Lippen komme, die diesen Kuss sogar erwiedern und mich mit einem Schlag in den siebten Himmel befördern.

Alecs Arme schlingen sich um meine Taille und ziehen mich näher an sich.
Das Gefühl ist berauschend und so viel besser, als beim ersten Kuss, denn jetzt bin ich sicher in Mr Perfects/ Alexanders Armen und habe nicht vor, diese je wieder zu verlassen.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt