Herzensmusik Teil 3

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Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als Alexanders schlanke Musikerhände mein Herz zertrümmert haben.

Ich wollte nur ein paar Sachen aus meinem Elternhaus holen. Nie hätte ich gedacht, dass mein Vater dort nur auf mich gewartet hatte, betrunken und stinksauer.

Es brach ein fürchterlicher Streit aus, der nach einigen Handgreiflichkeiten so ausartete, dass ich durch das ganze Haus rannte, er mir dicht auf den Fersen. Ich schaffte es durch die Hinterür auf die Straße und ich war so angsterfüllt, dass ich das Auto nicht kommen sah.

Es hatte mich frontal erwischt und ich lag mehrere Tage im Koma.
Während ich dann langsam wieder zu mir kam, wieder der Umgebung lauschen und sie sogar spüren konnte, geschah es.

Alec wachte an meinem Bett, hielt meine Hand und führte einen Monolog. Wahrscheinlich hatte man ihm gesagt, dass ich ihn hören würde.

Erst sprach er von Liebe und Freude, bevor seine Stimmung in Trauer und Verzweiflung umschlug.
Unter Tränen, die auf meine Hand tropften, beichtete er mir, dass ihm seine Plattenfirma, bei der er seid ungefähr sechs Monaten unter Vertrag stand, eine Welttournee vorgeschlagen hatte. Das war für ihn die Chance mit seiner anderen und doch so wundervollen Musik durchzustarten.

Natürlich hat er zugesagt, aber ohne mein Wissen. Er hat es so erklärt, dass es mir ohnehin schon so schlecht ging, dass er es nicht noch schlimmer machen wollte. Ich denke, er war schlichtweg zu feige, um mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.

Jedenfalls hat er dann gesagt, dass er mir das nicht antun könnte. Er glaubte, dass ich es nicht ertragen würde, so lange von ihm getrennt zu sein, was auch stimmte. Er war mein Fels in der Brandung und zu dieser Zeit mein einziger Halt.

Um mir diesen Schmerz zu ersparen, hatte er sich gleich von mir getrennt, während ich gerade am Erwachen war.
Ich hatte keine Chance zu widersprechen, mich gegen seine Entscheidung aufzulehnen und ihn anzuflehen, bei mir zu bleiben. Er hat mir einen Abschiedskuss gegeben und dann hat er mich einfach liegen lassen, um mit seiner Musik und teilweise von mir geschriebenen Texten voll durchzustarten.

Er erlebte seinen höchsten Höhenflug, während ich wiedermal in ein tiefes Loch hineinfiel.

Er hat mich in dieser Zeit einfach im Stich gelassen, für seine Kariere.

Ich hingegen habe Jahre gebraucht, um aus diesem Loch wieder herauszukommen und jetzt, jetzt steht er einfach vor mir, als wäre nichts gewesen.

Mit leichenblassen Gesicht sieht er mich an.
~Es tut mir so leid, Mags. Ich ...~
Ich hebe die Hand und er verstummt.
~Bitte spar's dir einfach. Ich will es nicht hören.~

Mit diesen Worten reiße ich mich los und will erneut fliehen, aber wieder hält er mich fest.

Was will er denn noch? Ich bin doch schon kaputt! Ich will doch nur die letzten Reste von mir selbst retten!

~Hör mir doch einmal zu, Mags! Ich hätte damals nicht gehen sollen, ok? Aber ich habe gedacht, es sei der beste Weg, um dir möglichst wenig Schmerzen zu bereiten.~
~Nein, du hast diesen Weg gewählt, weil er der einfachste war~, widerspreche ich und meine Stimme beginnt zu zittern,~Du hast immer den einfachsten Weg gewählt.~

~Das ist nicht wahr~, flüstert er und umklammert mein Handgelenk so fest, dass ich wohl auch später noch Spuren davon haben werde,~Ich habe um dich gekämpft, dabei hätte ich dich auch einfach aufgeben und dieses Band zwischen uns ignorieren können, doch das habe ich nicht getan. Ich habe dich aus deinem Schneckenhaus gezerrt, ehe du darin eingehen konntest. Vergiss das nicht.~

~Manchmal glaube ich, dass du das nur getan hast, um später zuzusehen, wie ich außerhalb meiner Schutzhülle verende.~, sage ich leise, kontrolliert, ja beinahe nachdenklich.

Mein ganzer Körper ist bis zur letzten Faser hin angespannt, versucht, den Sturm in meinem Inneren nicht nach draußen kommen zu lassen.

Mein Herz tritt heftig gegen die Mauer, die mein Verstand darum gebaut hat.
Erneut will es ausbrechen und in Alexanders Hände wandern, aber mein Verstand lässt es nicht. Zu gut erinnert er sich an all meine Abstürze, die ich teilweise wegen diesem schwarzhaarigen Schönling erlitten habe. Zu gut an all die Schmerzen und zu gut an all die Gerüchte, die die Klatschmagazine über ihn verbreiten und die mir jedes Mal erneut das Herz gebrochen haben.

~Wenn ich davon gewusst hätte, hätte ich das niemals zugelassen.~
~Und doch ist es passiert. Witzig nicht?~, frage ich und kann nur mit Mühe ein hysterisches Lachen unterdrücken,~Du hattest keine Ahnung, was ich durchmachen musste, stimmt's? Du hattest schließlich deine Karriere. Vögelst du eigentlich immer noch mit deiner Managerin, so wie es Lily Chen schreibt?~

Er schnappt kaum merklich nach Luft und ich nutze seine Überraschung, um mich aus seinem Griff zu befreien. Dieses Mal bin ich klüger und verschwinde gleich aus seiner Reichweite, während ich mir das schmerzende Handgelenk reibe.

~Ich habe versucht, meiner Mutter nachzueifern.~
~Mit der Brücke?~
~Mit der Brücke, aber noch nicht einmal das habe ich geschaft. Ich kam in Therapie, aber da ich sonst keine Angehörigen mehr hatte, musste ich zu meinem Vater ziehen. Finde die Ironie, Therapie und mein Vater. Jedenfalls hat diese erst angeschlagen, als Cat und Ragnor aus ihrem Urlaub zurückkamen und mich bei sich aufgenommen haben. Die nächsten Jahre waren hart. Immer habe ich dich im Radio gehört, im Fernsehen gesehen oder über dich in Magazinen gelesen. Irgendwann habe ich dann die Reißleine gezogen und bin zu meinen Großeltern gegangen. Das hat mir gut getan und mir Zeit gegeben, alles zu verarbeiten. Ich habe Bücher geschrieben. Ich habe wirklich gedacht, ich sei die Schatten meiner Vergangenheit endlich los, aber dann spielst du im Huntersmoon plötzlich unseren Song.
Hast du viel Geld mit meiner Geschichte verdient?~

~I-ich wusste nicht ...~
Wieder hebe ich die Hand. Das stille Zeichen, welches ich immer geben sollte, wenn es mir zu viel wurde.
Gerade wurde mir alles zu viel.

~Genau, du wusstest es nicht, aber da waren wir schon. Was ich dir sagen will, ist, dass du mich in Ruhe lassen sollst. Du hast schon genug erreicht, mich genug gedemütigt. Es reicht.~

~Aber ...~
Wieder die Hand und wieder verstummt er.

~Bitte. Wenn ich dir damals auch nur irgendetwas bedeutet haben sollte, wenn ich für dich nicht nur Dreck gewesen bin, auf dem du Samba tanzen konntest, dann lässt du mich jetzt gehen~, sage ich und sehe kurz über die Schulter,~Leb Wohl, Alexander.~

Mit diesen Worten gehe ich.

Erst sind es langsame Schritte, denn ich habe das Gefühl, durch Zement zu gehen, so stark ist die Anziehung zwischen uns. Dann wird es einfacher, die Schrite schneller, die Anziehung weniger und die Tränen mehr.

Irgendwann fange ich an zu rennen. Ich will einfach nur weg, weg von den Schmerzen, weg von den Erinnerungen, weg von Alexander.

Und doch weiß ich in meinem tiefsten Inneren, dass er mir trotz aller Abwehrversuche, erneut das Herz gestohlen hat.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt