° Kapitel 33 °

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Voller Zorn blickte Jamini dem Schwarzhaarigen entgegen. ,,Ich wiederhole mich nur ungern, wo warst du?", hakte Shouta erneut nach und sie wusste, dass er aufgrund von Sorge um sie so reagierte, doch sie wollte gerade einfach nur in ihr Zimmer. ,,Privat.", zischte sie deshalb und wandte sich wieder der Treppe zu. Noch bevor sie einen Schritt machen konnte, wurde sie von festen Bändern am Oberkörper gepackt und zurückgezogen.

Jamini konnte nicht mehr und vergaß ihre Klassenkameraden komplett. ,,ICH WAR BEI MEINER MUTTER, VERDAMMTE SCHEIẞE!", brüllte sie Shouta direkt ins Gesicht und spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte. Nun brach der Damm in ihr. Dicke Tränen kullerten ihre Wange hinab und sie schrie weiter. Ihre zuvor, vor Wut, angelegten Ohren jungen nun schlapp zur Seite.

,,Ich wollte endlich wissen, wer ich bin! Warum ich hier bin, warum ich all das erleben musste, ich wollte endlich die verdammte Wahrheit! Ich wollte wissen, ob sie es bereut, all das was sie mir angetan haben! Die haben mich verkauft, als ich noch nicht mal existiert habe!", sie schrie und wehrte sich gegen die Bänder, während ihre Stimme von einem Schluchzen erstickt wurde.

Die Fesseln lösten sich und Jamini stolperte mit weichen Knien zurück. Sie umschulung sich selbst mit ihren Armen und senkte den Kopf. Shouta kam ihr diesmal vorsichtiger, dennoch angespannt näher, doch die Schwarzhaarige wich ruckartig zurück.

,,Jamini...", sprach er sanft. Die Angesprochene hob ihren Kopf und offenbarte jedem ihren gequälten Gesichtsausdruck. ,,Ich war der Tausch für ihr Leben! Ich war seit meiner verdammten Geburt ein beschissenes Experiment!", ihre Beine gaben nach und sie fiel auf die Knie. ,,Das war ich, eine Puppe, die dafür bestimmt war böse zu sein! Und was hab ich jetzt? Unzählige Narben, keine Ahnung wie viele Macken und ich bin blind! Das bin ich jetzt! Ich-"

Sie hatte irgendwann nur noch den Boden angeschrien und wie wild auf ihn eingeschlagen, bis sie grob an den Schultern gepackt und hochgezogen wurde. ,,HALT DEINE SCHNAUZE, KAPIERT!", brüllte jemand doppelt so laut und sie verstummte augenblicklich. ,,Jo Bakugou, ich glaube das ist der falsche Weg.", meinte Denki zögerlich.

,,FRESSE!", wies der Stachelkopf ihn an und widmete sich schließlich wieder dem Mädchen in seinen Händen. ,,Jetzt hör' mir mal zu! Ich dachte du würdest in irgendeiner verschissenen Gasse liegen und verrecken! Mach so 'ne Scheiße noch einmal und ich bring dich um, kapiert! Ich hab' mir verdammt nochmal Sorgen gemacht! Was denkst du dir dabei, einfach abzuhauen, sag mir doch was! Und jetzt komm her."

Und damit drückte Katsuki das Mädchen an sich, welche sich sofort in sein Shirt krallte. Sie vergrub ihren Kopf in seiner Schulter und atmete mehrere Male tief ein. Der Geruch von Karamell stieg ihr in die Nase und sie beruhigte sich.

,,Es ist mir scheiß egal, warum du lebst, hauptsache du lebst. Du bist mir verdammt wichtig und es tut mir fucking weh, dich so zu sehen.", nuschelte er leise und sowohl sie, als auch er umklammerten den anderen fester. Jamini's Wut und Frust war erloschen und sie empfand tiefste Reue. Reue gegenüber Shouta, gegenüber Mina, Katsuki, ihrer Klasse und gegenüber sich selbst. In diesen Minuten hatte sie so vieles falsch und zugleich richtig gemacht, dass sie es endlich verstand.

Ich lebe.

Tränen blitzen in ihren Augenwinkeln auf. ,,Es tut mir leid, es tut mir so unendlich leid. Es tut mir leid, Katsuki.", presste sie heraus und gab ihm einen Kuss auf das freigelegte Schlüsselbein. Langsam befreite sie sich aus seinen Armen wischte sich über die geschwollenen Augen. Als sie diese wieder öffnete, hatte sie kurz vergessen, dass sie nichts sehen konnte und hob deshalb nur zögernd ihren Kopf.

Sie blickte so gut es ging in die Richtung ihres Klassenlehrers und wischte sich erneut mit dem Handballen über die Augen. Sie war unsicher, wie sie ihn ansprechen sollte und stotterte deshalb nur wenige Silben und unvollständige Sätze, während sie den Kopf der Wand hinter ihm zuwandte.

,,Lass gut sein, wir reden nachher.", unterbrach er sie und sie sah ruckartig wieder auf. Ihr Mund stand leicht offen und sie senkte den Kopf; ein leichtes Nicken und sie drehte jedem den Rücken zu. Jeder starrte das große, graue Shirt an, während man wahrscheinlich eine Nadel hätte auf den Boden fallen hören können.

Schnell und mit trüben Blick übersprang Jamini einzelne Stufen, durchquerte den langen Gang, an ihrer Zimmertür vorbei; 23 Schritte nach der Treppe. Ein Schreck durchfuhr sie, als es einen Satz nach unten machte und die zweite Treppe begann.

Sie spürte die Wärme Katsuki's die anderen Stufen hoch stürmen und beeilte sich so mehr mit dem nach unten Stürmen. Sie vergaß dabei keinenfalls das Zählen und bog links ab. Die Schwarzhaarige stemmte sich gegen die dicke Glastür und leichter Wind wehte ihr entgegen.

Aus Erinnerung zählte sie die Schritte und kam anschließend an ihrem Ziel an. Es war eine Bank am Rande des Geländes, umgeben von Wiese. Dort ließ sie sich nieder und atmete tief durch. Es war niemand in der Gegend, nur vereinzelt liefen Leute auf dem Weg viele Meter von ihr entfernt.

Diesen Platz hatte sie durch einen dummen Zufall entdeckt. Vor wenigen Tagen war sie mit Mina auf dem Schulgelände herumgelaufen, als diese stehengeblieben war um einen Schmetterling zu bewundern. Dadurch hatte Jamini sich zu der Pinken umgedreht und einen Schritt zu viel zur Seite gemacht.

Der Hang kam schneller als erwartet und sie verlor das Gleichgewicht, kullerte durch die Wiese und landete mitten in einem Gebüsch. Das hatte sie wenige Sekunden lang gehalten, bis sie schließlich nach vorne kippte und mit dem Gesicht voraus in den Rasen flog.

Mina hatte den spektakulären Sturz nur bemerkt, als ihre Freundin aufschrie, da sie sich den Kopf beim Aufstehen an dem Holz der Bank angeschlagen hatte.

Schneller als die Rosahaarige zu ihr eilen konnte, stolperte diese aus dem Gestrüpp, den Kopf haltend. Vor Lachen hielt Mina sich den Bauch, zog Blätter aus dem schwarzen Haar und klopfte ihrer Freundin den Dreck von den Klamotten.

Seit dem saß Jamini fast jeden Tag dort und genoss die Zeit föllig allein.

Erschrocken hob sie ihren Kopf, als sie vernahm wie das Gebüsch vor ihr raschelte. Sie wischte sich schnell mit dem Arm über die nassen Augen und hielt still. Die Person bückte sich und schien etwas zu suchen. ,,Das scheiß Teil muss auch immer aus der Jacke fallen.", murrte eine männliche Stimme.

Jamini bewegte sich keinen Millimeter und hoffte, dass die Person einfach finden würde, was sie suchte und verschwand. Doch auch als der Fremde den Kopf ruckartig hob und ihr direkt ins Gesicht zu starren schien, rührte sie sich kein bisschen.

Bitte starr nur das Gebüsch vor mir an. Ich bin gar nicht hier. Komm schon, bitte.

,,Jamini? Was zum- Was machst du hier?"

Ein Mond unter SternenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt