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Ein Lichtblitz, Elisa die mich anschreit. „Immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit... Ein Termin nach dem anderen, wo bleibe ich? Spiele ich überhaupt noch eine Rolle in deinem Leben?"

Wieder ein Lichtblitz, Autos die in der Dunkelheit an uns vorbei rasen, ich presse meine Zähne aufeinander, kralle meine Hände ins Lenkrad. „Ja, jetzt hast du wieder nichts dazu zu sagen, wie immer." Ein schneller Blick zur Seite, Elisa sieht wütend aus, sehr wütend.

Ein Lichtblitz, wieder ein Auto, die Straße ist nass, es regnet, ich schalte den Scheibenwischer ein, doch er kommt kaum gegen die Wassermassen die vom Himmel stürzen an. „Es tut mir leid!", presse ich mühsam hervor. Ja, es tut mir wirklich leid, ich habe es wirklich vergessen, habe vergessen dass wir bei ihren Eltern eingeladen sind und habe diesen dämlichen TV Termin angenommen. „Schön dass es dir leid tut!", schnaubt Elisa und fuchtelt wild mit den Händen herum. Ein Seitenblick zu ihr, dann wieder der Blick zur Straße. Der Scheibenwischer, die Lichtblitze, Elisa neben mir die unkontrolliert mit den Händen fuchtelt, meine Müdigkeit. Ich atme tief durch. Konzentriere dich Paddy, noch eine halbe Stunde bis nach Hause, so lange hältst du noch durch!

„Erklärst du auch meinen Eltern warum du nicht zum Geburtstag kommst? Wieder einmal nicht kommst. Du bist mit eingeplant, du hast zugesagt, das Hotelzimmer ist gebucht, das Restaurant wird dich mit abbuchen auch wenn du wieder einmal nicht da bist. Man könnte meinen du bist mit deinem gottverdammten Job verheiratet und nicht mit mir.", zischt sie.

„Elisa meine Güte, halt bitte einfach mal die Klappe! Ich versuche mich hier zu konzentrieren und das geht nicht wenn du so rum keifst!", brülle ich und sofort tut es mir leid. Ich wende meinen Blick von der Straße ab, nur ein paar Sekunden, schaue sie an, sehe ihre erschrockenen Augen. Ich will mich grade entschuldigen, als es einen ohrenbetäubenden Knall gibt. Ich werde nach vorne geschleudert, ich schreie ihren Namen. Ich schreie und schreie und schreie und wache schweißgebadet auf. Mein Atem geht schnell, mein Herz schlägt gegen meine Brust so dass ich das Gefühl habe es springt gleich heraus. Mein Hals ist rau vom Schreien, ich habe nicht nur in meinem Traum geschrien sondern auch in der Realität. Meine Hand gleitet auf die Bettseite neben mir, doch sie ist leer. Seit vier Monaten liegt dort niemand mehr, seit vier Monaten erlebe ich jede Nacht diesen einen Abend der alles verändert hat, der alles auf den Kopf gestellt hat.

Ein tragisches Unglück nannte die Polizei es, doch das beschreibt nicht einmal ansatzweise das was passiert ist, das was ich fühle. Durch den Starkregen ist ein anderes Auto von der Fahrbahn abgekommen, ich war einen Moment unaufmerksam, konnte nicht schnell genug reagieren. Ein Frontalzusammenstoß, der Fahrer des anderen Wagens und Elisa, meine Frau, sie waren sofort tot. „Sie hat nicht gelitten!", hat mir der Polizist gesagt, als wenn das etwas ändern würde. Sie ist tot, nicht mehr da und ich lebe... Leider! Was würde ich dafür geben, dass ich auch tot wäre. Sie haben gekämpft, um mein Leben, um mein Bein, beides haben sie gerettet, aber meine Seele, die haben sie nicht retten können, sie ist zerbrochen. Die Narben an meinem Körper werden mich unweigerlich daran erinnern was an diesem Abend geschehen ist. Mein rechtes Bein ziert eine 30cm lange Narbe, erst seit wenigen Tagen bin ich die Krücken los. Die Narbe an der Stirn wird verblassen, wenn ich die Haare geschickt kämme wird man sie nicht sehen, der Bauch? Ein Schlachtfeld, aber wen interessiert das?

Ein zertrümmerter Unterschenkel, geflickt mit Platten und Nägeln, ich habe mehr Metall im Bein als Knochen, eine gequetschte Lunge, ein Riss in der Leber, eine Milz die man nicht retten konnte. Dazu Prellungen, blaue Flecken, eine Platzwunde am Kopf. Ich habe Glück gehabt, sagen sie. Glück? Eine komische Definition von Glück. Ich habe alles verloren. Meine Frau, die Frau mit der ich alt werden wollte, die ich geliebt habe. Ich werde ihr nie wieder sagen können wie begehrenswert sie ist, wie hübsch und wie sehr ich sie liebe! Das Letzte was ich ihr an den Kopf geworfen habe waren Beschimpfungen. Das Letzte was sie lebend gehört hat waren diese harten Worte, die ich heute zutiefst Bereue. Wenn ich gewusst hätte... Ich hätte nie... Ich...

Lighthouse-Taigh SolairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt