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„Hey Paddy, lass uns ins Bett gehen, du schläfst gleich ein.", sanft streichelt Aéryn mir über den Oberarm. Verwirrt sehe ich sie an. Ich war mit meinen Gedanken tatsächlich ganz weit weg. Immer wieder habe ich überlegt, was ich Elisa in einem Brief schreiben würde. Was ich ihr unbedingt noch sagen will. Da ist soviel ungesagtes. So viele Dinge, die unausgesprochen blieben. Dinge die zwischen dem Lärm der Nichtigkeiten verloren gingen. Wann habe ich Elisa das letzte Mal gesagt, dass sie hübsch aussieht? Dass ich ihr Lachen mag? Oder die Art wie sie tanzt, wenn sie sich unbeobachtet gefühlt hat. Vieles ist einfach zu selbstverständlich geworden. So vieles hält man für selbstverständlich. Schließlich bleibt doch noch das Morgen. Seufzend erhebe ich mich. Wir haben es heute nicht mehr geschafft die Nachrichten anzuschauen. Oder vielmehr wollte ich das auch nicht. Ich will keine Vorwürfe lesen. Nichts davon hören oder sehen. Nur ein paar wenige Bilder habe ich gemeinsam mit Aéryn angeschaut. Auch das Video ,das ich von Elisa gemacht habe, habe ich nicht angerührt. Ich weiß jetzt dass ich ihre Stimme wieder hören, kann wann immer ich es will. Dass ich mich erinnern kann, wenn ich es nur möchte.

Gedankenverloren stehe ich neben Aéryn und putze meine Zähne. Manchmal fühlt es sich immer noch merkwürdig an, auch wenn es mittlerweile irgendwie selbstverständlich geworden ist sich gemeinsam bettfertig zu machen. Gerade eben noch denke ich darüber nach, was ich Elisa schreibe und doch freue ich mich darauf,das ich mich gleich an Aéryn kuscheln kann. Nicht viele Nächte haben wir in der letzten Zeit getrennt verbracht. Ich schlafe schlechter ein, wenn ich nicht zwischen Danny und ihr liege. Kann etwas so schnell zur Gewohnheit werden? Es gibt Momente, da fühle ich mich zerrissen zwischen den Welten. Nicht ganz hier, aber auch nicht ganz da. Seufzend schlüpfe ich unter die Bettdecke. Ich schmiege mich an Aéryn, lausche ihrem Atem, der immer regelmäßiger und ruhiger wird. Heute Abend haben wir nicht viel miteinander gesprochen. Es war aber auch nicht nötig gewesen. Es war alles gesagt und meine Gedanken muss ich jetzt für mich selbst sortieren. Ab und an hat Aéryn mich nach Dingen über Elisa gefragt, was für Hobbys sie hatte. Welche Lieblingsfarbe. Was sie gerne gegessen hat und ich war doch etwas überrascht, wie schnell mir diese Dinge wieder eingefallen sind. Aéryns ehrliches Interesse berührt mich. Ob ich das könnte? So unbefangen mit einer Partnerin umgehen, die immer irgendwie über einem schwebt? Aéryn scheint es zu schaffen und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich möchte sie nie mehr missen. Das Versteckspiel vor Freunden fällt mir zunehmend schwerer. Anscheinend ist es aber auch längst überflüssig.

Ich schließe die Augen, zwinge mich zu schlafen, aber so richtig will es mir nicht gelingen. Ich kuschel mich weiter an Aéryn, höre ihr leises Seufzen. Wie immer wird ihr dabei ein kleines Lächeln über das Gesicht huschen. Ich bin froh hier zu sein. Allein zu Hause, würde ich die Wände hochgehen. Meine Gedanken werden immer leiser, bis ich schließlich doch einschlafe. Ich höre den Wind der durch die Bäume rauscht. Langsam biegen sie sich im Wind hin und her. Ich öffne die Augen, doch ich bin nicht bei Aéryn. Ich stehe in einer dunklen Gasse. Verwundert sehe ich mich um. Eben lag ich doch noch neben ihr im Bett und nun? Das hier ist nicht Greencastle, ganz sicher nicht. Verwirrt drehe ich mich im Kreis, versuche mich zu orientieren. Ich kenne das Kopfsteinpflaster auf dem ich stehe, aber woher? Ich stolpere durch das schummrige Zwielicht bis ich auf einer Straße stehe. Der Marktplatz mit dem Brunnen. Die kleinen Geschäfte. Alles kommt mir so bekannt vor. Ein Gefühl von Heimat durchströmt meinen Körper und plötzlich weiß ich wo ich bin. Nur, was mache ich hier? Wie komme ich hierher?

Wie von selbst finden meine Füße ihren Weg. Außer mir ist niemand da. Die Straßen und die Cafes sind leer. Alles ist wie ausgestorben. Ich bin alleine hier. Da ist auf einmal das Café, unser Café. So gerne habe ich dort mit Elisa gesessen. Wir haben den besten Schokokuchen, auf der ganzen weiten Welt gegessen und haben Menschen beobachtet. Immer am selben Tisch. Ob Ich Aéryn irgendwann mal das Café zeigen kann? An unserem kleinen Tisch sitzt eine Gestalt. Ich kenne diese Gestalt. Mein Herz rast und meine Füße bewegen sich schneller. Ich beginne zu laufen. Das Tapp Tapp Tapp der Schuhe hallt durch die leere Straße. Kurz habe ich die Befürchtung, dass dies einer der Träume ist, bei denen man rennt und nie ankommt. Doch das Café und die Gestalt, sie kommen näher. Ich erkenne sie, ihr Gesicht. Außer Atem bleibe ich stehen und zärtlich sehe ich sie an. "Elisa!", ist alles was ich herausbekomme. Mit einem Lächeln sieht sie zu mir. Ihre blauen Augen strahlen mich an. Ihre blond gelockten Haare hat sie hochgesteckt und sie trägt dieses weiße Sommerkleid mit den vielen bunten Blumen, was sie immer so geliebt hat. Mit zittrigen Händen drücke ich die Tür auf. Die kleine Glocke ertönt. Wie von selbst tragen mich meine Füße zu unserem Tisch. Ich bleibe stehen, will sie berühren doch im letzten Moment ziehe ich meine Hand zurück. Zu groß ist die Angst das sie verschwindet. Elisa steht auf, macht einen Schritt auf mich zu. Als ihre Hand meine Wange berührt, schließe ich die Augen. Ihre Berührungen fühlen sich anders und doch so vertraut an. Ganz so wie ein zarter Windhauch.

Lighthouse-Taigh SolairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt