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"Ich hab Wanderschuhe." ,ertönt Aéryns freudige Stimme am Telefon. Ich lache leise auf. "Hattest du keine?" ,will ich wissen. "Nein...irgendwie brauchte ich bis jetzt keine." , kichert sie. "Ich sag dir...mit den Dingern falle ich auf. Sollte ich stürzen und liegen bleiben, sieht man mich selbst im Dunkeln." ,kichert Aéryn. "Willst du Julia Konkurrenz machen?" ,frage ich grinsend. "Nein...mit ihr mithalten. Ich mag Julia...und im Gespann mit Marina, werden wir sicherlich viel zu lachen haben." ,ist sich Aéryn sicher. "Sie wirkt sehr unkonventionell." ,stimme ich zu. "Jap...und ihre Geschichte ist genauso interessant wie die von Marina." ,lacht Aéryn. "Das glaub ich..." ,sage ich leise. Noch nie hab ich Marina nach ihrer Geschichte gefragt, aus Angst sie könnte nachhaken. Im Moment hab ich noch viel zuviel Angst, das sie nach meiner Geschichte fragen könnte...vielleicht wird das ja auch irgendwann wieder anders. "Hast du eigentlich Wanderschuhe?" ,fragt Aéryn mich jetzt. "Fuck..nein...also...ja...aber nicht in Irland." Ich raufe mir die Haare. Für einen Moment herrscht Schweigen. "Das heißt dann wohl shoppen." ,lacht Aéryn leise. "Muss wohl..." ,stöhne ich. "So...ich muss jetzt auflegen. Cecile ist endlich mit flirten fertig. Telefonieren wir heute Abend und du erzählst mir von deinen neuen Wanderschuhen?" ,fragt Aéryn. "Ja...wenn ich das überleben sollte..." ,gebe ich seufzend von mir. "Du kaufst nur Schuhe und ziehst nicht in den Krieg." ,kichert sie leise. "Da gibt es keinen Unterschied." ,stöhne ich. "Bis heute Abend." ,verabschiedet sich Aéryn lachend und legt auf. Seufzend lege ich das Handy beiseite. Verdammt. Jetzt muss ich wirklich Schuhe kaufen gehen. Hat Greencastle überhaupt ein Schuhgeschäft oder muss ich in die nächstgrößere Stadt? Ich schnappe mir mein Handy und Google schnell. Mist. Nächstgrößere Stadt. Ich sehe zu Bosko der neben mir auf der Couch liegt. 2 Stunden waren wir heute am Strand spazieren und jetzt schläft er. Die Stadt wäre sowieso nichts für ihn. Seufzend stehe ich auf. Auf in den Kampf. Umso schneller hab ich es hinter mir.

Überall sind Leute. Sie schubsen. Sie drängeln. Sie eilen an mir vorbei. Rempeln mich an. Ich bleibe in der Maße stehen und schließe die Augen. Ich bekämpfe den Fluchtreflex in mir. Eigentlich will ich hier nur noch weg. Aber es geht nicht. Ich brauch diese Schuhe. Als ich mit Elisa das letzte Mal in den Bergen gewesen war, hatte ich das falsche Schuhwerk dabei. Blase über Blase zierten meine Füße. Ich konnte kaum mehr auftreten. Elisa hatte mit mir geschimpft. Ich hatte einfach meine Wanderschuhe zuhause vergessen. "Weil du mit deinem Kopf immer mehr auf Arbeit bist, als im hier und jetzt..." ,schimpfte sie. Alles was ich zu entgegnen hatte war ein Kuss. Ich konnte ihr nicht widersprechen. Sie hatte ja Recht. So wie immer. Elisa hätte mich bei meiner Flucht vor Monaten aus unserem Haus, ermahnt mehr mit bedacht zu packen. Nicht alles zu überstürzen. Sie hätte mich gezwungen eine Liste zu schreiben. Eine Liste mit Dingen die ich brauchen werde. So wie sie immer. Schon Wochen vorher fing sie mit ihrer Liste an und immer wenn ihr wieder etwas einfiel, schrieb sie es darauf. Elisa vergaß nie etwas. Sie hatte immer alles zusammen. Nicht so wie ich. Der meist erst am Abend vorher begann sich Gedanken darüber zumachen, was er mitnehmen würde. Ich vergaß immer die Hälfte. Aber ich hatte Elisa. Sie hatte, was das angeht, immer für mich mit gedacht. Sie bewahrte immer einen kühlen Kopf. Blieb ruhig während ich in Hektik verfiel weil mir die Zeit davon rannte. Genauso würde sie mich jetzt beruhigen. Meine Hand nehmen und sanft auf mich einreden. Das alles in Ordnung wäre. "Du hast dich in dein Schneckenhaus zurückgezogen...kommst nur ab und an heraus. Du bist Menschen nicht mehr gewohnt." ,das wären ihre Worte gewesen. Und sie hat Recht. Doch bitte wann ist das passiert? Als ich in den Leuchtturm gezogen bin? Oder schon weit vorher? Passierte es nicht schon als Elisa ging? Als meine Familie mich verließ? Natürlich hatte ich früher schon immer Phasen, in denen ich mich zurück zog. Immer dann wenn ich beruflich viel unterwegs war. Immer Menschen um mich hatte, gab es dann zu hause Phasen in denen mich keiner zu Gesicht bekam. Das war mein Ausgleich gewesen. Aber ich war nie komplett alleine. Elisa war immer an meiner Seite. Ist sie es nicht jetzt auch noch? Nur weil sie nicht mehr da ist...ist sie doch nicht weg. Ich öffne die Augen. Atme tief durch und bahne mir meinen Weg durch die Massen.

Lighthouse-Taigh SolairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt