5. Teil

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Mit leeren Augen starre ich auf das Meer das sich vor mir wild aufbäumt. Die Wellen brechen mit lautem Donnergrollen am Strand, immer wieder kreischen die Möwen über mir. Ich bin wütend, so unfassbar wütend, ich trommele mit den Füßen auf den nassen Sand und bemerke, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln. Ich will nicht schon wieder wegen diesem Mistkerl weinen, ich habe schon viel zu viele Tränen vergossen, viel zu viele schlaflose Nächte verbracht, das hat er nicht verdient. Und doch schafft er es immer wieder. Es ist nicht so, dass ich ihn noch liebe, dieses Gefühl ist schon lange nicht mehr da, aber ich liebe Danny und es schmerzt mich zu sehen wie sehr er unter seinem Vater leidet. So gerne würde ich Danny die Kindheit schenken die er verdient, eine unbeschwerte, glückliche Kindheit, ohne Sorgen, mit zwei Eltern die ihn lieben. Ich tue alles dafür um für ihn da zu sein, versuche unsere ständigen Geldsorgen vor ihm zu verbergen, aber dass sein Vater ihn wieder einmal versetzt, das kann ich nicht verbergen. Danny hat sich so auf das Wochenende mit seinem Papa gefreut, er liebt ihn abgöttisch, manchmal tut es mir weh zu sehen wie sehr er ihn liebt. Wenn er wüsste was Kilian für ein Arschloch ist. Aber natürlich sage ich ihm das nicht, er ist ein Kind, hat er nicht das Recht seinen Papa bedingungslos zu lieben? Als heute Morgen die Nachricht von Kilian eintrudelte, dass er es wieder einmal nicht schafft den Unterhalt pünktlich zu überweisen und auch das gemeinsame Wochenende absagen muss, da hätte ich meine Wut am liebsten aus mir heraus geschrien. Doch dann habe ich mir auf die Lippen gebissen, gelächelt und Danny erzählt, dass sein Papa es leider nicht schafft ihn am Freitag abzuholen. Stoisch habe ich seinen Wutanfall über mich ergehen lassen, sein Schreien, Brüllen, Weinen ertragen, habe die nach mir schlagenden Händchen in meine Hände genommen und versucht ihn zu trösten.

Je länger der Wutausbruch von Danny ging, desto wütender wurde ich auf Kilian. Wie konnte er seinem eigenen Sohn das antun? Das war etwas was mir nicht in den Kopf gehen wollte. Er liebte ihn doch. Oder etwa nicht? Seit er nach Dublin zu dieser Mary abgehauen war, wirkte es als würde er Danny nach und nach immer mehr aus seinem Leben streichen. Am Anfang zahlte er pünktlich, besuchte Danny sooft es ging. Doch je länger wir getrennt waren, desto mehr veränderte sich sein Verhalten uns gegenüber. Als sich dann vor ein paar Monaten Nachwuchs bei ihm ankündigte, wurden die Besuche bei Danny immer weniger. Seine Zahlungen blieben immer öfter aus. Er hat sich ein neues Leben aufgebaut und für Danny ist darin kein Platz mehr. Doch wie erklärt man das einem vierjährigen Kind? Garnicht. Man kann es ihm nicht erklären. Ich weiß garnicht wie lange Danny weinte und brüllte, ohne dabei auch nur ein Wort zu sagen. Irgendwann kuschelte er sich in meine Arme und schluchzte nur noch. Ich wiegte ihn, in meinen Armen vorsichtig hin und her bis er sich vollends beruhigt hatte. Als ich ihn heute früh zu Rosie brachte, sah sie mir sofort an das wieder etwas passiert war. Nachdem ich ihr in kurzen Sätzen erzählt hatte was passiert war, schnaubte sie wütend. Idiot war noch die netteste Bezeichnung die ihr einfiel. Sie hatte es sich heute zur Mission gemacht, Danny aufzuheitern. Ich wusste nur zu gut was das bedeuten würde. Sie wird Dannys Lieblingsessen kochen. Irish Stew. Danach wird es selbstgemachten Apfelstrudel geben. Mit einer Kugel Eis und Vanillesoße. Alles natürlich selbstgemacht. Gekaufte Sachen kommen ihr nicht ins Haus. Rosie ist die beste Köchin die ich kenne, neben Ihrer Schwester Molly. So gut wie die beiden kochen können, werde ich in meinem Leben nicht mehr. Mir geht es wie Maddie, die jüngste der 3 Schwestern. "Das einzigste was ich gut kann, ist alles zu Essen was die beiden mir kochen.", lacht Maddie immer wieder. Zusammen mit Rosie führt sie das einzigste Bed & Breakfast in Greencastle. Das rot weiß gestrichene Haus, was man schon von weitem leuchten sieht.

Die 3 waren die ersten Menschen die ich in Greencastle kennenlernte, als ich vor über 15 Jahren aus Cobh hierherkam. Ich war gerade frisch mit Kilian zusammen. Hatte Hals über Kopf meine Heimat verlassen und war ihm nach Greencastle gefolgt. Ich war jung, frisch verliebt und ein wenig verrückt. Ich lernte die 3 Schwestern an meinem ersten Abend in Greencastle kennen. Wir hatten den Pub besucht und ich war über die drei gestolpert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir kamen ins Gespräch und plauderten den ganzen Abend. Ganz so als würden wir uns schon ewig kennen. Ich glaub wir mochten uns auf Anhieb. Seitdem sind sie an meiner Seite. Immer da wenn ich sie brauche. Schade nur das Molly soweit weg in Dublin lebt, die 3 sind zu meiner Familie geworden. Ich weiß nicht was ich ohne sie machen würde. Vermutlich würde ich kläglich untergehen. Rosie und Maddie passen auf Danny auf, wann immer ich sie brauche. Die beiden lieben meinen kleinen. Sie umsorgen ihn, verwöhnen ihn, als würde er zu ihrer Familie gehören. Sie wissen auch um meine finanziellen Sorgen, ohne das ich es ihnen je gesagt habe. Es scheint als hören sie mein Magenknurren, wenn es wiedereinmal zum Ende des Monats zugeht und ich lieber Essen für Danny hole, als für mich. Merkwürdigerweise ist genau dann immer so viel Essen übrig vom kochen oder sie hat zuviel eingekauft, das Rosie es mir immer aufs Auge drückt. "Nicht das es schlecht wird." , zwinkert sie mir zu. Wie gerne würde ich es Ihnen all das zurückgeben. Doch ich weiß nicht wie. Selbst wenn ich es wüsste würden sie es nie im Leben annehmen.

Lighthouse-Taigh SolairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt