28.

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Unruhig wandern meine Augen über ihr Gesicht. Mein Herz krampft sich zusammen und meine Hände sind schweißnass. Sie sollte meine Narben nicht sehen. Niemand sollte sie je zu Gesicht bekommen. Ein unangenehmes Schweigen herrscht zwischen uns. Sie presst die Lippen aufeinander und sieht mich an. "Es tut mir leid...ich hätte nicht so reagieren sollen." ,sagt sie leise. Ich sage nichts. Es ist nicht das sie so erschrocken eingeatmet hat...oder etwa doch? Ich fühle mich einfach unwohl. "Du musst nicht darüber sprechen, wenn du nicht willst. Wir vergessen es einfach ok?" ,bittend sieht sie mich an. Ich würde ihr so gerne etwas erwidern . Etwas sagen.Ihr verständlich machen was mit mir los ist. Doch mir kommt kein Wort über die Lippen. Ich schüttle den Kopf, halte meinen Blick gesenkt. Traue mich nicht sie anzusehen. Ich spüre ihren Blick auf mir. Mein Herz pocht unaufhörlich gegen meine Brust. Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter. "Es muss dir wirklich nicht unangenehm sein. Wir haben doch alle unsere Geheimnisse, Dinge über die wir nicht gerne sprechen wollen. Glaub mir ich hab auch genug davon. Es spielt keine Rolle ob man diese Narben sehen kann oder ob sie unsichtbar sind. Jeder hat sein Päckchen zu tragen." , sagt sie sanft. Ich muss schlucken. "Es geht nicht darum ob man sie sieht..." ,sage ich unsicher. "Worum denn dann?", will sie wissen. Nervös knete ich meine Hände. Ich habe einen Kloß im Hals. Wie soll ich das erklären? Ich weiß es doch selbst nicht warum mir das auch nach 6 Monaten noch schwerfällt, auszusprechen was passiert ist. "Um die Fragen, die dadurch auftauchen..." ,gebe ich zögerlich zu. "Und wenn ich einfach nicht frage und wir das so stehen lassen?" ,fragt sie vorsichtig. "Dann sehe ich die Fragen immer noch in deinen Augen....Das macht es einfach nicht ungeschehen..." ,sage ich kaum hörbar. "Natürlich nicht. Gut ich habe jetzt gesehen dass du Narben hast, aber das ändert nichts. Wenn du irgendwann etwas darüber erzählen willst, gut. Wenn nicht dann ist es auch vollkommen in Ordnung." ,sagt sie vorsichtig. "Es ist.... " ,ich zögere, ringe eine kleine Ewigkeit mit mir selbst, auf der Suche nach den passenden Worten. "Ich möchte jetzt wirklich gehen. Ich hole Bosko morgen ab. In der Küche steht noch Futter für ihn." ,bringe ich kaum hörbar hervor. "Paddy....warte..." , sagt sie und umfasst mein Handgelenk. Ich schüttle den Kopf und entziehe ihr meine Hand. "Bis morgen..." , sage ich und eile zur Haustür. Ich höre wie Aéryn seufzt und ein kaum hörbares "ok" ihre Lippen verlässt. Ich stehe auf, schnappe mir meine Sachen und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Kühle Nachtluft kommt mir entgegen. Ich schließe kurz die Augen. Atme tief durch. Als ich in meinen Wagen steige, sehe ich Aéryn in der Tür stehen. Betreten schaut sie mich an. Mir zieht sich der Magen zusammen. Ich bin ein Idiot. Ein Feigling. Ich laufe weg. Davor mich endlich jemanden anzuvertrauen. Wovor habe ich Angst? Vor ihrer Reaktion? Davor das sie gehen könnte? Sie sich abwendet? Ich lasse meine Schultern sinken und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen. In dieser Position verharre ich. Ich höre wie sich die Autotür öffnet. Ich spüre wie sie sich neben mich setzt. Eine sanfte Berührung am Arm. Ein leises Seufzen. Der Kloß in meinem Hals wird immer größer. Meine Augen beginnen zu brennen. "Wovor läufst du weg?" ,fragt sie mit sanfter Stimme aber besorgt. "Vor mir...vor dem was ich getan habe..." ,nuschele ich in meine Hände. "Lass mich dir helfen..." ,sagt sie besorgt. Ich nehme die Hände vom Gesicht und sehe sie zögerlich an. "Das kannst du nicht...niemand kann das." ,stammel ich.

"Aber ich kann dir zuhören...manchmal brauch man doch nicht mehr...manchmal...hilft allein das schon." Besorgt sieht sie mich an. Ich schlucke. In ihrem Blick spiegelt sich Angst wieder. Sie ist besorgt. "Ich glaub ich kann das einfach nicht...ich bin nicht soweit..." ,sage ich leise. "Weisst du was Marina einmal zu mir sagte...als ich Angst hatte mich von Kilian zu trennen...ich war der Meinung das ich das nicht schaffe...aber sie hat mir immer wieder Mut zugesprochen...gesagt das ich das schaffe. Aber ein Satz ist besonders hängen geblieben...willst du in hören?" ,fragt sie sanft. Noch immer ruht ihr Blick auf mir. Vorsichtig nicke ich. "Wie willst du wissen das du etwas nicht kannst, wenn du es nicht probiert hast?" Ich hab doch probiert mit Leuten zu reden. Mit Etlichen Therapeuten. Alle hatten einen Rat für mich parat...den ich doch nicht gebrauchen konnte. "Bitte komme wieder mit rein...ich koche uns einen Tee...wir müssen nicht reden...aber ich...ich möchte nicht das du jetzt alleine bist...ich mache mir Sorgen um dich." Unsere Blicke bleiben aneinander hängen. Sanft legt sie ihre Hand auf meine. Streicht über meinen Handrücken. Mein Widerstand bröckelt. Meine Mauer bekommt Risse. Sie ist kurz davor in sich zusammen zufallen. "Bitte..." ,fleht sie fast. Eingestürzt. Vorsichtig nicke ich. Sie atmet hörbar aus. Erleichtert sieht sie mich an. Ich sehe wie sie mir den Autoschlüssel aus der Hand nimmt. Ihn in ihre Hosentasche steckt und aufsteht. Mit einem Knall fällt die Autotür ins Schloss. Aéryn steht vor dem Auto. Lächelt mich an und geht ins Haus. Als sie im Haus verschwindet, lässt sie die Tür einen Spalt offen. Ich stehe auf. Meine Füße sind schwer wie Blei. In Zeitlupe folge ich Aéryn ins Haus.

Lighthouse-Taigh SolairWo Geschichten leben. Entdecke jetzt