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Liam stand auf dem Pausenhof und lehnte gegen eine Linde, als wäre nie etwas gewesen. Das Sonnenlicht drang durch die Blätter und malte fleckige Muster auf die kleine, grüne Insel, und das graue Meer aus Steinplatten. Erleichterung durchströmte mich und ich wollte gerade auf ihn zugehen, um ihm von den seltsamen Ereignissen von heute Morgen zu erzählen, als Flynn auftauchte und mit geballten Fäusten auf ihn zu eilte. Er redete wild auf ihn ein, doch noch stand ich zu weit weg, um etwas zu verstehen. Das Gemurmel der anderen Schüler, die nach draußen stürmten, war einfach zu laut. 

Flynn baute sich bedrohlich vor ihm auf. Dann schlug er zu. Einfach so. Liam taumelte einen Schritt zurück. Der Rotschopf verpasste ihm gleich noch eine und stieß ihn gegen die Schulter, aber Liam stand dort wie ein Fels. Er schien auch nicht verletzt zu sein.

Trotzdem, was war in Flynn gefahren? Ich rannte los. Noch ehe ich die beiden erreichte, spürte ich ein bedrohliches Pulsieren von Liam ausgehen. 

»Na, was ist?!«, knurrte Flynn und schubste ihn gegen die Schulter. »Willst du dich nicht wehren?! Was, bist du zu feige, den Leuten dein wahres Gesicht zu zeigen?!« Er spuckte vor ihm auf den Boden. Eine Hitzewelle wirbelte den Staub um die beiden herum auf und dann holte Liam aus und schlug zurück.

Flynn ging zu Boden. Blut strömte aus seiner Nase. Eine Traube aus Gaffern bildete sich. Ich stieß einige Jungen aus der Neun grob bei Seite. Liam stand über Flynn, der sich nur mühsam wieder hochrappelte und sich das Blut mit dem Ärmel seines Karohemds abwischte. Er taumelte und hob die Faust. »War das schon alles?!« Seine Stimme zitterte, aber nicht vor Wut, nein, dieses Mal sprach die Angst aus ihm heraus. Eisfinger wanderten meinen Nacken hinauf. Ich erschauderte.

Flynn holte zu einem Rückschlag aus, aber Liam war zu schnell. Er wich aus und schlug noch einmal zu. Ein tiefes Knurren dran aus seiner Kehle und die Eisfinger legten sich nun um meine Kehle. 

Die anderen Schüler standen starrend umher.

»Ich hol einen Lehrer«, rief Natalie, die nicht unweit von den beiden gestanden hatte und eilte davon. Liam starrte auf Flynn hinab, der sich wimmernd die Nase hielt.

»Spinnst du?!« Kevin aus dem Mathekurs trat in den Kreis der Kämpfenden und packte Liam an den Armen. Obwohl der Blondschopf viel breiter gebaut war als Liam, stieß er diesen mit Leichtigkeit von sich. Kevin ließ sich davon aber nicht einschüchtern und stürzte sich auf ihn. Ich konnte mir das nicht länger ansehen. Liam war viel stärker als der blonde Junge und holte bereits zu seinem nächsten Schlag aus. Doch dazu würde er nicht kommen.

Die Eisfinger ignorierend, eilte ich auf ihn zu, packte sein Handgelenk, drückte es nach unten und katapultierte ihn durch seinen eigenen Schwung zu Boden.

Liam keuchte und sah wütend zu mir hoch. Mein Herz raste, doch ich wich nicht zurück und beugte mich über ihn. »Was ist los mit dir? Komm – runter!«

Liam verengte die Augen zu Schlitzen. Sie leuchteten grün, dann sprang er auf die Beine und richtete sich bedrohlich vor mir auf.

»Geh sofort weg von ihr!«, hörte ich Frau Weiß, meine Geschichtslehrerin, schreien.

»Der hat sie nicht mehr alle!«, stöhnte Flynn.

»Oh mein Gott ... deine Nase ... «, rief sie.

Ich blendete die Geräusche um mich herum aus. Es rauschte in meinen Ohren. Da gab es nur Liam und mich. Ich ballte die Hände zu Fäusten und widerstand dem Drang, einen Schritt zurückzutreten. Liams scharfe Gesichtszüge entspannten sich ein wenig. Ich konnte ihn laut atmen hören. Seine, nun wieder blauen Augen, wurden einen Moment trüb und klarten dann auf. Er fasste sich an die Stirn und taumelte gegen den Baumstamm.

Herz aus Salz und GlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt