-16.3-

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Etwas streckte seine Hände nach mir aus. Kleine, fragende Arme schlagen sich um meinen Körper und wärmten mich von innen heraus.

»Wer bist du?«, fragte eine Stimme, die nicht zu mir gehörte, aber mir kam es so vor, als käme sie aus meiner Kehle.

»Ich bin ein Teil von dir«, hörte ich mich flüstern und erschauderte.

Ich nahm den Geruch nach feuchter Erde und Zedernholz wahr.

Liam, schoss es mir durch den Kopf, doch dann tauchte ein mächtiges Wesen zwischen den Birken und Schwarzkiefern auf. Ich blinzelte. Hielt die Luft an. Wagte nicht, mich zu rühren. Es leuchtete in einem durchschimmernden Rot, die Flügel über mir ausgebreitet, als würde es mich damit abschirmen wollen. Sein Feuer lag warm auf meiner Haut.

»Was ... ?«, brachte ich hervor. 

»Ich habe nicht viel Zeit«, sprach das Wesen in einer hellen, weiblichen Stimme. 

»Liam?«, flüsterte ich und kam wankend auf die Beine. 

»Der Junge, den du Liam nennst, ist mein Sohn Kyak. Und du bist die Seele, die für ihn gekommen bist.« 

»Du bist-« Ich hielt mitten im Atemzug inne. Ehrfürchtig betrachtete ich das Wesen, welches vor mir schwebte und alles in die Wärme eines Lagerfeuers tauchte. 

»Folge mir. Yara, Sturmmädchen, Prinzessin des Meeres. Es bleib nicht viel Zeit.« 

»Wohin? Wie ist dein Name und- « Ich atmete keuchend aus, konnte selbst kaum glauben, was gerade geschah. Der durschimmernde Drache schwebte los, ohne meine Fragen zu beantworte und ich stolperte hinterher. 

»Warte!« 

»Die Zeit verrinnt.« 

Der Drache führte mich durch das Moor zurück in den Wald. Ich erreichte einen kleinen Pfad, an dessen Rändern immer wieder Monolithen, etwa halb so hoch wie ich, auftauchten. Die Malereien darauf waren verblichen und das, was man darauf noch erkennen konnte, zeugte von blutigen Schlachten. Von Krieg, Gewalt und Schmerz. Es waren nicht unbedingt die Zeichnungen, von denen nicht mehr gelblieben war, als ein Schatten damaliger Kunst, die es mir verrieten. Viel mehr konnte ich es spüren. Es saß in meinen Knochen, fraß sich durch meine Gedanken und pochte im Rhythmus meines Herzschlages. Ich konnte spüren, wie die ganze Insel von einer magischen Aura durchwoben war, welche die Sinne beeinflussten. 

Die Erscheinung des Drachen verschwand hinter einer Gruppe niedrige Eichen und ließ diese einen Moment so aussehen, als stünden sie in Flammen. Der unbefestigte Weg führte bald steil bergab, hinab ins Tal. Zu meiner linken und rechten wuchsen graue Felsen aus der schwarzen Walderde empor. Es war dunkel. Das dichte Blätterdach ließ kaum Mondlicht hindurch. Ich hielt mir die Arme vor das Gesicht, dennoch schrammte mich etwas Spitzes an der Wange und ich zuckte zusammen. 

»Verflucht.« Ich tastete über mein Gesicht und berührte etwas Warmes, Feuchtes. Eine weitere Wunde, die ich zu ignorieren beschloss. Ich eilte weiter und stolperte über eine Wurzel. Ein kurzer Schrei entwich meiner Kehle. Ich landete hart auf meinen Unterarmen und schlitterte ein paar Meter den Hang nach unten, ehe ich mich mit den Fingern in der Erde festkrallen konnte. Ein scharfer Schmerz durchzuckte meine Hand und ich stöhnte laut auf. Doch mir blieb keine Zeit auszuruhen, denn das rote Schimmern verschwand allmählich hinter den Bäumen wie die untergehende Sonne. Ein endgültiger Sonnenuntergang. Ich biss die Zähne zusammen, rappelte mich hoch und rannte weiter. Meine Beine überschlugen sich beinahe, so steil ging es mittlerweile bergab und ich hütete mich davor, den Zauber des Windes Einlass zu gewähren, aus Angst, ich würde mich dann vollends überschlagen. Immer wieder musste ich mich an einzelnen Stämmen festkrallen, die beinahe kunstvoll schräg in die Höhe wuchsen. 

Herz aus Salz und GlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt