3 | 56 | Rot

1.3K 100 34
                                    

Es geht weiter. Ich bin gespannt, was ihr sagt.

Cassie hatte vor lauter Schock aufgehört zu atmen. Ihre Gedanken überschlugen sich, während die Scheinrealität, die ihr Vater in ihrem Kopf konstruiert hatte, auf einen Schlag wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, während ihre Augen sich mit heißen Tränen füllten. Sie huschte lautlos ins Wohnzimmer zurück. Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Smartphone.

Konnte das tatsächlich sein? War Alisha nicht einmal wirklich schwanger? Hatten sich die beiden das alles nur ausgedacht, um ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen? Hatte Malcolm das Ganze tatsächlich von langer Hand geplant? Und war Andre möglicherweise auch noch ein Teil davon?

Tränen liefen über ihre Wangen, während sie innerlich in sich zusammenbrach. Sie hielt abermals sich die Hand vor den Mund, um ihr Schluchzen zu ersticken. Es war erschreckend, wie weit Malcolm und Alisha zu gehen bereit waren, um ihr Ziel zu erreichen.

Sie schluckte hart, als sie erkannte, dass John tatsächlich richtig gelegen hatte – und sie war beinah darauf hereingefallen. Sie kochte vor Wut und Enttäuschung. Einerseits wollte sie ins Schlafzimmer stürmen und die beiden mit ihrem Wissen konfrontieren, andererseits wollte sie nur noch weg von hier. Sie wusste nicht, was richtig war. Sie war überfordert mit der Situation. Unschlüssig sank sie auf die Couch und versuchte, sich zu beruhigen, um einen klaren Gedanken fassen zu können.

Sie musste jetzt auf jeden Fall Ruhe bewahren. Sie durfte nicht unüberlegt handeln. Sie versuchte, sich vorzustellen, was passieren würde, wenn sie die beiden mit ihren Erkenntnissen konfrontieren würden; jetzt, mitten in der Nacht. Wenn Alisha ihre Schwangerschaft tatsächlich nur vorgetäuscht hatte, gäbe es nichts, was die beiden ihr entgegensetzen konnten. Sie würden nicht leugnen können, dass Alisha tatsächlich schwanger war, wenn sie die ganze Zeit einen falschen Schwangerschaftsbauch getragen hatte. Sie fragte sich, wie sie hatten erklären wollen, dass Alisha schlussendlich überhaupt nicht schwanger war. Irgendetwas hätten sie schließlich sagen müssen, wenn Alisha das Baby niemals ausgetragen hätte. Eine Fehlgeburt vielleicht? Cassie lief es eiskalt den Rücken herunter. Das war alles so widerlich, dass sie am liebsten auf der Stelle das Schlafzimmer gestürmt und die beiden zur Rede gestellt hätte.

Wie sollte Cassie ihnen mit dem Wissen ins Gesicht schauen, wenn sie ihnen morgen am Frühstückstisch gegenübersaß? Allein die Vorstellung trieb schwallartig die Übelkeit in ihr hoch. Ihre Finger zitterten noch immer. Sie hatte jetzt die Gewissheit, dass beide ihr nur etwas vorgemacht hatten. Was also versprach sie sich noch davon, länger als nötig zu bleiben? Sie könnte ebenso gut morgen früh abreisen und anschließend für immer mit ihm abschließen.

Sie war so durcheinander, dass sie nicht einmal wusste, ob es eine gute Idee war, die beiden offen damit zu konfrontieren, das Gespräch belauscht und sie durchschaut zu haben.

Sie wusste immerhin nicht, wozu die beiden noch imstande waren, um irgendwie an Geld zu kommen. Was, wenn sie erkannten, dass sie bei ihr nicht weiterkommen würden und ihre Strategie änderten? Ob sie sogar so weit gehen würden, sie zu bedrohen?

Noch einmal stellte sie sich die Frage, was genau es ändern würde, nicht jetzt sofort von hier zu verschwinden? Bei dem, was sie eben mit angehört hatte, erschien es ihr nicht nötig, den beiden länger etwas vorzuspielen. Sie wusste alles, was sie wissen musste, um ihrem Vater für immer den Rücken zu kehren und ihn endgültig aus ihrem Leben zu verbannen.

Je länger sie darüber nachdachte, desto betrogener fühlte sie sich. Ein riesiger Kloß saß in ihrem Hals, ihr Herz hatte sich schmerzhaft zusammengezogen und sie weinte noch immer. Sie schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihre Atmung, um sich endlich ein wenig zu beruhigen. Als es ihr schließlich gelang, die Tränen zurückzukämpfen, klickte sie sich zu Johns Nummer durch. Jetzt, wo sie sicher sein konnte, war sowieso alles egal.

Started from the Bottom 1 & 2 & 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt