VIERUNDNEUNZIG

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~Kaden's PoV~

Langsam tunkte ich den Pinsel in die Farbpalette und malte schwungvolle Wellen auf die Leinwand. Meine Hand war ganz die Ruhe selbst. An meiner präzisen Bewegung merkte man wie konzentriert ich an dem Gemälde des Strandes von Chicago arbeitete.
Und das war ich auch.

Das letzte Mal, wo ich gemalt hatte, fühlte sich wie eine Ewigkeit an.

Es war Mitten in der Nacht. Draußen war es bereits dunkel, Keith schlief schon, alles war still. Und trotzdem saß ich hier, in meinem Atelier, auf eine, Hocker. Vor mir, die Leinwand.

Leise Musik dröhnte im Hintergrund aus meiner Musikbox, dessen Melodie ich leise mit summte.

Ich konnte nicht schlafen. Egal für wie lange ich mich hin und her welzte, mein Gehirn schaffte es einfach nicht sich abzuschalten. Meine Gedanken kreisten immer um irgendwas. Schule, Hannah, die Wette.

Besonders die Wette machte mir zu schaffen. Oder besser gesagt, dass meine Unterhaltung mit Trevor gefilmt und dann auf der Party abgespielt wurde.
Natürlich hatten die Jungs und ich bereits den Verdacht gehabt, dass Katy dahintersteckte. Und das ergab auch Sinn.
Die Frage war allerdings nur:

Wie können wir das nur beweisen?

Erschrocken sah ich auf, als auf einmal die Musik verstummte und stattdessen mein Handy anfing zu Vibrieren. Mein Blick fiel auf die Wanduhr: kurz nach drei Uhr morgens.

Wer ruft mich denn um diese Uhrzeit noch an?

Vorsichtig legte ich den Pinsel auf einen weißen Taschentuch, den ich auf dem von mir gegenüberliegenden Stuhl bereit gelegt hatte und erhob mich vom Hocker. Mein Handy lag neben der Musikbox auf dem Tisch, der mit meinen unzähligen Stiften befüllt war und schaute auf das Display.

Alvaro. Der Name meines Vaters erhellte den ganzen Raum und doch verdunkelte es meine bereits gekippte Stimmung.

Ohne zu Zögern legte ich auf.

Was auch immer es war was er mir sagen wollte, es konnte warten.

Gerade wollte ich mich umdrehen und weiter malen, als mein Handy erneut zu vibrieren anfing. Man musste kein Genie sein um zu wissen, dass es sich um meinen Vater handelte.

Ein Teil von mir wollte den Anruf wieder ablehnen oder ihn einfach ignorieren uns so tun, als hätte es diesen Anruf nicht gegeben. Nur stellte sich mir eine spezifische Frage in den Sinn. Warum rief er mich an?
Es passierte kaum, wenn selten, dass er von sich hören ließ. Besonders wenn er und Mom wegen eines juristischen Falls im Ausland sind, wie jetzt.

Es muss was ernstes sein.
Dann würde Mom mich darüber informieren.
Und was wenn sie aus einem bestimmten Grund nicht ans Telefon gehen kann? Vielleicht ist ja was mit ihr?
Kann mir doch scheißegal sein. Sie hat sich doch auch nie um mich und Keith gekümmert. Und Dad erst recht nicht.
Dann muss es dringend sein.

Mit einem lauten Seufzer ging ich schließlich ran.

„Was?"

„Drück mich nie wieder weg wenn ich dich anrufe, hast du verstanden?", ertönte die strenge Stimme meines Vaters, die mich sofort zur Weißglut trieb.

Ich atmete tief ein und aus, um ihn nicht ein weiteres Mal anzufahren.

„Es ist 3 Uhr morgens. Ich hab in wenigen Stunden Schule."
„Hier in London ist es kurz nach neun, also ist das nicht mein Problem."

One BetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt