Kapitel 46: Der brennende Baum

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Bellas Sicht

Irgendwann saßen wir wieder im Auto und brausten über die verschneiten Straßen zurück Richtung Forks. Zuvor hatte ich im Bistro der Uni noch etwas gegessen und gemeinsam hatten wir den Campus verlassen, jedoch nicht ohne vorher einige Bücher in der Bibliothek auszuleihen. Im Auto herrschte angenehmes Schweigen und wir beide hingen unseren Gedanken nach. Als wir bereits wieder durch die dichten Wälder fuhren merkte ich, dass es langsam dämmerte und war überrascht, denn ich hatte nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vorbeigegangen war.

Auf halber Strecke zurück zu mir nach Hause weckte uns ein lautes Klingeln aus unserer Träumerei und Edward beantwortete gut gelaunt den Anruf.

"Hallo Carlisle."

Ich konnte nicht verstehen, was sein Vater erzählte und das Gespräch war bald beendet.

"Viele liebe Grüße von meiner Familie. Sie freuen sich alle schon sehr darauf, dich bald wieder zu sehen"

"Das ist schön. Ich freue mich auch. Gibt's schon einen Termin, wann sie wieder in Forks sind?"

"Deswegen hat mich Carlisle angerufen. Sie sind in den letzten Zügen des Umzugs und haben bereits das neue Grundstück gepachtet. In einer Woche spätestens sind sie alle zurück."

In einer Woche! Mein Herz machte Luftsprünge.

"Du hast ihnen ziemlich gefehlt. Sie haben mich so oft gebeten, Vernunft walten zu lassen und ich war zu engstirnig um die Wahrheit hinter ihren Worten zu erkennen. Aber sie haben auch verstanden, dass ich als erstes mit dir sprechen musste, um Frieden zu schließen." Er sah besonders verlegen aus, als er das sagte, und ich warf ihm einen aufmunternden Blick zu. Als seine Augen meine trafen hüpfte mein Herz noch ein kleines bisschen höher.

Wie aus dem nichts bremste Edward den Wagen ab und ich wandt meinen Blick widerwillig zurück auf die Straße. Warum dieser plötzliche Halt?

Edwards Stirn kräuselte sich und um seinen Mund erschien ein ungeduldiger Zug. "Was hat das zu bedeuten?", murmelte er.

Er stieg aus und ich warf einen Blick hinaus. Quer über der Straße, die ganze Fahrbahn blockierend lag ein umgestürzter Baum. Edward näherte sich um ihn auf die Seite zu ziehen, doch... unmöglich! Wie aus dem Nichts schossen Flammen hervor, als seien sie geradewegs aus dem vereisten Boden gewachsen und Edward wich zurück. Hastig und mit zitternden Fingern schnallte ich mich ab und eilte zu ihm.

Jäh fluchte er auf. "Wir müssen hier weg, sofort! Sie ist nicht mehr weit entfernt. Ich kann ihre Gedanken bereits hören, auch wenn sie versucht nichts auffälliges zu denken"

"Ein Vampir?" fragte ich angsterfüllt.
Er nickte kurz auf. "Victoria, die rothaarige Freundin von James."

James! Nur zu lebhaft war meine Erinnerung an ihn, auch wenn unser Aufeinandertreffen kurz und lange her war. Die Folter im stickigen Ballettstudio in Phoenix, die Lust an der Jagd und schließlich am Schmerz. Panische Angst brodelte in mir auf und lähmte mich von innen heraus. Das schaurige Vampirtrio, das mit uns damals hatte Baseball spielen wollen. James hatte mich danach wochenlang verfolgt und war schließlich nach einer erschreckenden Hetzjagd vernichtet worden. Laurent hatte ich seitdem nicht wieder gesehen und auch keine Sekunde lang an ihn gedacht. Ebensowenig wie seine rothaarige Begleiterin Victoria. Bis jetzt.

"Eile, Bella, schnell auf meinen Rücken."

"Was will sie von uns?"

Edward schüttelte ahnungslos den Kopf und ich tat was er sagte. Einen Herzschlag später jagten wir bereits in Windeseile durch den Wald. Aber ich wusste, dass es eine aussichtslose Flucht war. Mit mir als Klotz am Bein würden wir Victoria niemals entkommen. Irgendwann hatte Edward das wohl auch begriffen und zügelte sein Tempo, bis wir auf einer kleinen Lichtung mitten im Wald Halt machten; nicht ganz unter freiem Himmel, jedoch standen die Bäume weit genug auseinander, dass wir das letzte Tageslicht abbekamen. Ich sprang von seinem Rücken und er schob sich vor mich, versuchte mich mit seinen Armen zu verdecken, als Victoria aus dem schneebedeckten Dickicht auf die Lichtung trat.

"Bella, Edward, schön euch wiederzutreffen." schnarrte ihre Stimme zu uns und während ich eine Gänsehaut bekam, erfasste ich ihre furchterregende Gestalt. Das feuerrote Haar war wild, lockig und voller Schnee und sie lief gebückt, in Angriffshaltung, wie eine Raubkatze. Ihre roten Augen waren so hell, dass ich sie trotz der Entfernung wie zwei blitzende Flammen erkennen konnte.

"Es muss kein Blutvergießen geben," sagte Edward mit beherrschter Stimme. "Sag uns, warum du hier bist und wir finden eine Lösung, Victoria."

Sie lachte höhnisch und kalt auf. "Kein Blutvergießen? Lustig, das habt ihr damals bei James nicht gedacht."

"Ist es das, was du willst, Rache?"

Ich sah wie die katzenartige Frau kurz zurück schreckte, bevor sie sich wieder fangen konnte.

"Ihr habt ihn zerrissen und getötet, mir meinen Gefährten genommen. Ihn, der seit über 500 Jahren nicht von meiner Seite gewichen ist. Und das soll ich einfach so akzeptieren? Nein, mein Herz will Vergeltung"

Sie sprang auf uns zu und Edward zischte ihr entgegen, doch das Handgemenge war viel zu schnell als dass mein Blick ihm hätte folgen können. Wie zwei weiße Schatten bewegten sich die Vampire über die Lichtung, schienen sich dabei jedoch nicht ein einziges Mal zu berühren. Edward hatte den gewaltigen Vorteil in Victorias Gedanken schauen zu können, doch war sie ihm, wie es schien jahre-, sogar jahrhundertelange Kampferfahrung voraus. Ich war in eine Art Schockstarre gefallen, das einzige was ich in der Lage war zu bewegen waren meine weit aufgerissenen Augen, mit denen ich versuchte die Szene zu verfolgen.

Wie ein fließender Tanz, dabei blitzschnell und brandgefährlich bewegten sich beide umeinander, Edward stets mit dem Rücken zu mir, verbissen, mich von den rasiermesserscharfen Zähnen seiner Gegnerin abzuschirmen. Unserer Gegnerin, wie ich schaudernd feststellte. Würde sie Edward besiegen, wäre ich als nächste dran und ich hatte um ein Vielfaches weniger Chancen zu überleben.

Daran durfte ich jetzt nicht denken, sondern verfolgte Edwards erbitterten Kampf, mit mir als Bremsklotz. Wäre ich nicht so erschrocken, wäre ich unglaublich wütend auf mich gewesen, unnütz in dieser Situation zu sein und mit meiner menschlichen Unbeholfenheit zu nichts beitragen zu können.

Doch in diesem Moment sah ich, wie Victoria einer geschickten Finte von Edward auswich und plötzlich hinter ihm stand. Sie umschlang seinen Hals mit der Armbeuge und ich sah, wie sich ihre pulsierende brutale Kraft in ihren Armen ausbreitete, bereit, ihn in Stücke zu zerreißen.



Ohje! Da sitzen Edward und Bella ja ziemlich in der Patsche! Wie das wohl weitergeht? Ich hoffe das Kapitel hat euch gefallen, trotz gemeinem Cliffhanger. Ich wünsche euch ein schönes sonniges (und offenbar auch verschneites) Wochenende! Viele Grüße eure VNOW

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt