Kapitel 5: Erinnerungen

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Bellas Sicht

Ich wusste ganz genau wo ich war, auch wenn es mir vorkam, dass ich in diesem Leben nicht hier gewesen war. Das war ich auch nicht, es war ein anderes Leben gewesen, ein Vergangenes und eine vergangene Bella.

Ein schicksalhafter Ort. Das Haus der Cullens. Ich wusste, dass es nicht weit entfernt war,  denn die Wälder kamen mir bekannt vor, wegen der unzähligen Spaziergänge, auf denen ich hier mit Edward gewesen war. Sein Name kam mir unwillkürlich ins Gedächtnis und ich musste schlucken. Vielleicht war es gar nicht schlecht, dass Darcy mich genau hierhin geführt hatte. Irgendwann musste ich mich schließlich dem stellen, was passiert war und noch länger wollte ich das nicht vor mir herschieben. Und ich war ja nicht allein. Fest umfasste ich Darcys Leine und ging in die Richtung, in der ich die edle weiße Villa vermutete.

Ja, ich wollte stark sein. Als ich an die Lichtung trat, traf mich der Anblick jedoch wie ein Schlag und ich merkte wie ich das Gefühl in meinen Händen und Fingern verlor und die Leine mir aus den Fingern glitt. Nichts hatte sich verändert. Und doch sah nichts so aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Das Haus lag so still da, als wäre es seit Jahrhunderten nicht bewohnt. Wären die Lichter entzündet, hätte es wahrscheinlich einen heimeligen Eindruck abgegeben, aber so wirkte es verlassen wie ein Schiffswrack auf dem Meeresboden und mindestens genauso einladend. Mit einem Mal waren alle Erinnerungen zurück, alles was ich zwei Monate lang offenbar erfolglos hatte verdrängen wollen, brach plötzlich über mich her. Ich vermisste sie schrecklich, so sehr dass es mir fast das Herz brach.

Mir fehlte Esme, diese ruhige Frau mit ihren karamellfarbenen Wellen von Haaren, die ich bewunderte für ihre starke Zuneigung und vollkommene Vorurteilslosigkeit jedem Wesen gegenüber. Die überschäumende Alice, der kleine Wirbelwind aus Kreativität und kindlicher Freude, meine Beste Freundin. Der lustige Emmett, aufbrausend und schalkhaft und immer für einen Scherz oder Streich zu haben. Der besonnene Carlisle, mit seiner weisen Art, die Gerechtigkeit und Güte ausstrahlte. Jasper, der auch wenn er etwas ruhiger und in sich gekehrter war nie übergangen wurde, sondern wie ein Knoten oder Verbindungspunkt in der Familie verankert war und mit seiner Einfühlsamkeit alle mit einander verband. Mir fehlte sogar Rosalie, die so schön und stolz war dass ich mich mehr als einmal unzulänglich in ihrer Nähe gefühlt hatte. Doch war all das gar nichts im Vergleich zu ihm. Edward. Der Gedanke an ihn brannte mir in der Brust und seine Abwesenheit in jeder Faser meines Körpers. Ich war so verletzt von seinem Verhalten, dass in diesen zwei Monaten mein Selbstwertgefühl auf den Nullpunkt gesunken war. Das Gefühl war noch nicht wieder in meine Hände zurückgekehrt, sondern die Taubheit breitete sich meine Arme entlang aus. Ich setzte mich auf den geschotterten Weg zur Garage, und Darcy legte sofort ihren Kopf auf meinen Schoß, damit ich ihre Ohren kraulte. Ich sah Edward vor mir, wollte es so, stellte mich der Flut meiner Gedanken. Seine verwuschelten bronzefarbenen Haare, die perlmuttweiße Haut, die im heutigen Tageslicht sicher unglaublich gefunkelt hätte, strahlender als das Sonnenlicht heute morgen auf der mit Eis überzogenen Natur, obwohl sie mindestens genauso kalt war. Die goldenen Augen, die unter seinen langen, dunklen Wimpern leuchteten, als wären sie das einzige, was in diesem Körper nicht eiskalt, sondern im Gegenteil glühend heiß waren. Seine Gesichtszüge, die so fein und makellos wirkten wie von einem der alten Meister persönlich gemeißelt, ebenso wie seine Brust und seine muskulösen Arme, deren feine Adern herausstachen und sich bis zu seinen eleganten Händen wandten. Die vollen Lippen, die zwar kalt waren, aber nicht im mindesten so hart wie der Rest seines Körpers, sondern liebevoll und leicht. Ich wollte sie wieder auf meinen spüren, aber er hatte mir versichert, sogar geschworen, dass das nie wieder passieren würde.

Die Gefühle in mir nahmen zu, überwältigten mich und lange war ich nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen.

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt