Kapitel 6: Der Plan

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Bellas Sicht

Später wusste ich nicht wie ich wieder nach Hause gekommen war, aber ich spürte meine Hände wieder und meine Trauer und mein Schmerz waren einem Gefühl gewichen, das ich vorher nur selten in meinem Leben kennengelernt hatte: Wut. Ich war fassungslos, dass diese Familie von Vampiren, die ich so liebte wie meine eigene, mir so weh tun konnte. Und ich war umso entschlossener, die Traurigkeit zu überstehen. 

Ich wollte glücklich leben, das war etwas, das jeder Mensch oder jedes Wesen verdient hatte. Ich wollte es besonders ihm nicht gönnen, so viel Macht über mich zu haben, mich in die ewige Trauer zu stürzen, erst recht nicht jetzt, da er mich, wie er gesagt hatte, nicht mehr wollte. Daher würde ich mein Leben bedingungslos und unwiderruflich in die Hand nehmen. Ich würde an einer der besten Universitäten der Welt studieren und meine Entscheidung bezüglich des Studiengangs war gefallen: Psychologie. Mich interessierte das menschliche Innenleben und ich wollte nachvollziehen, wie das menschliche Denken funktioniert, wie sich zwischenmenschliche Beziehungen entwickelten. Aber da war noch mehr. Oxford verfügte über eine der ältesten Bibliotheken der Welt und ich behielt die Hoffnung bei, an so einem altehrwürdigen Ort auch etwas über menschenähnliche Spezies herausfinden zu können. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass es keine Bücher über Vampire gab, auch wenn die Allgemeinheit sie eher als Schauerromane abtun würde. Stattdessen hoffte ich, dass die Neugier über das eigene Wesen nicht nur auf Menschen beschränkt war, sondern dass auch Vampire etwas über sich selbst herausfinden wollten und Bücher darüber zu verfassen war schließlich die gängige Art.

Doch mir fehlte die Mittel und ich zermarterte mir den Kopf, wo ich die bis zu meinem Abschluss herbekommen sollte. Es musste doch noch einen Weg geben, in weniger als einem Jahr das Geld aufzutreiben, ohne eine Bank auszurauben.

Ich erhob mich vom Küchentisch und während Darcy an meinen Beinen hochsprang, setzte ich zwei Töpfe mit Wasser auf. In den einen gab ich Nudeln fürs Mittagessen, in den anderen füllte ich die Hühnereingeweide, die ich an diesem emotionalen Morgen gekauft hatte und ließ sie aufkochen. Während Darcy am Boden ihrem Schwanz nachjagte, kamen mir beißende Zweifel.

Wo treibe ich nur das Geld auf? Bei Newtons werde ich meinen mikroskopischen College-Fond in nicht früher als in drei Jahren füllen, und ich hatte beschlossen, nicht länger als nötig in Forks zu bleiben.

Darcy hatte aufgehört herumzuspringen und hatte ihre Vorderpfoten auf mein Knie gesetzt und schaute mich nun aus ihren tiefen dunklen Augen treu an. Ich drückte ihr einen Kuss auf die schwarze Nase, die aus dem fein glänzenden Fell herausstach, das erst weit hinter den Schnurrhaaren in den weichen Goldton überfloss, von dem auch der Rest ihres Fells war.

„Hast du keine Idee?"

Doch ihre Augen schwiegen, und ihre Pfote tastete auf meinem Oberschenkel herum, wie immer wenn sie wollte, dass ich sie streichelte. So setzte ich mich auf den Boden und sobald mich an den Küchenschrank zurückgelehnt hatte, war sie schon auf meinen Schoß gesprungen und wollte ihre Kuscheleinheit.

Ich erinnerte mich an das was Mrs. Newton beim Metzger erzählt hatte, dass die kleine Stadt schon bald von Touristen überlaufen sein würde. Sobald der erste Schnee fallen würde, was dieses Jahr relativ spät Mitte Dezember sein würde, wären die Hotels wohl alle ausgebucht.

Ich stutzte.

Welche Hotels? In Forks gab es höchstens ein oder zwei kleine Pensionen, wo hinter verstaubten Gardinen alte Damen den Gästen Halbpension anboten plus gebügelter Wäsche. Da mussten wohl Alternativen her, und zwar besser früh als spät.

Es kämen Touristen. Viele Touristen, und zum Zelten war eindeutig nicht die passende Saison.

Ich brauchte Geld und nicht wenig.

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt