Kapitel 29: Die Mutter der Volturi

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Bellas Sicht

Vollkommen eingefroren stand ich aus meinem Campingstuhl auf. Wie lange hatte ich geschlafen? Das schwache Licht des Morgens hatte mich ebenso eingeschläfert wie die winzigen Buchstaben meiner nächtlichen Lektüre. Jetzt stand die Sonne weit über dem Horizont, aber die Kälte in meinen Knochen ließ sich damit nicht so leicht vertreiben.

Charlie war offenbar schon gefahren, wie ich dem zerknitterten Blatt Papier entnehmen konnte, das auf dem Küchentisch lag.

Bella, stand darauf in hastigen Buchstaben geschrieben Ich bin mit Billy und Troy zum Angeln gefahren und heute Nachmittag zurück! Stell bitte nichts an während ich weg bin (wie zum Beispiel ein Lagerfeuer vollkommen alleine in unserem Garten zu machen und dabei einzuschlafen). Bis dann! Dad

Angesichts seines grimmigen Tons musste ich lächeln. Ich war mir tatsächlich nicht treu gewesen, war ich doch eigentlich verantwortungsvoller und ging Dummheiten prinzipiell aus dem Weg. Aber augenscheinlich hatten sich meine Prinzipien etwas verschoben, nachdem ich beschlossen hatte, das Haus und Grundstück von jemand anderem für meine eigenen Zwecke auszuschlachten. Merkwürdigerweise hatte ich deshalb überhaupt kein schlechtes Gewissen, sondern musste fast auflachen, als ich mir vorstellte, was Emmett für ein verdattertes Gesicht machen würde, wenn er von meinem Tun erfuhr. Oder Rosalies säuerlichen Blick. Oder Alice verblüfftes Staunen. Aber sie würden es niemals herausfinden und deshalb war es nicht mehr als ein wehmütiges Lächeln, das sich kurz auf mein Gesicht legte.

Träge schälte mich aus meinen Arbeitssachen, die ich seit gestern trug und nachdem ich Darcy gefüttert hatte, ließ ich mich in mein Bett fallen. Zwar war ich gerädert, erschöpft und total übernächtigt, aber in meinen Adern brannte die Aufregung und hielt mich wach.

Ich konnte mich nur über mich selber wundern. Es wäre so vernünftig, so klug, der ganzen Schattenwelt den Rücken zuzukehren, aber je mehr ich mir das vorstellte, desto größer wurde mein Widerstand. Sie zog mich in ihren Bann, faszinierte mich und hinderte mich daran, in meinen wohlverdienten Schlaf zu sinken. Mit einem Ellenbogen aufgestützt und den Kopf in meine Hand gelehnt, schlug ich das Buch aus der Opalbibliothek dort auf, wo ich in der Nacht zuvor stehen geblieben war und versank von neuem zwischen den spitzen geheimnisumwitterten Buchstaben.


.......

Wie dem vorhergegangenen Capitel nachzuvollziehen, und wie es bezeichnend für das Zusammenleben menschlicher oder menschenähnlicher Gruppen ist, so ist auch der gemeine Bluttrinker an gewisse Regeln gebunden. Von größter Wichtigkeit ist dabei die Bedingung, sich unbedingt unauffällig unter Sterblichen zu verhalten und die unsterbliche Existenz zu okkultieren. Jenes schließt die anständige Bedeckung der Haut in der Gegenwart von Sterblichen (siehe Capitel: Die Beschaffenheit und Characteristica von vampirischer Haut) und eine maßvolle Ernährung ein. Obendrein obliegt es der Verantwortung des Schöpfers des Unsterblichen, einem Verwandelten bei der Transition in sein neues Leben zur Seite zu stehen und ihn mit den Directiven und Gesetzen seiner neuen Existenz vertraut zu machen. Dabei hat die Kopfregel um die Geheimhaltung unbedingte Priorität.

Sollte es zu einem Regelbruch kommen, der Folgen nach sich zieht, die der Verursacher nicht begleichen kann, so ist der jeweils nächstgrößere Vampirzirkel zum Einschreiten verpflichtet.


Das Kapitel endete, doch ich wollte mehr, und blätterte hastig die pergamentierten Seiten um. Meine Augen flogen förmlich über die schwarzen Zeichen.


Dritter Passus: Chroniken der großen Vampirzirkel

Ein besonderer Verteidiger des vampirischen Rechts ist seit jeher der Zirkel der Volturi. Ihre Chronik beginnt in Hellas auf dem Eiland Pilion im Mare mediterraneum, wo drei Bluttrinker von der Hand einer Hohepriesterin erschaffen wurden. Ihr Name lautet Enea, aus dem edlen Hause und reinen Geschlecht der Volturi von Athen, einer achtenswerten und stolzen Familie des Kontinents. Im Sinne der göttlichen Regeln beschloss sie, ihre Söhne zu Verteidigern und Rächern der Gesetze des Succubus zu machen, doch das Streben nach Macht band einem von ihnen die Hände und verdarb das Geschlecht mit all seinen Nachkommen auf ewig.

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt