Kapitel 25: Reisevorbereitung

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Edwards Sicht

Die malerischen Geschäfte für die Touristen am Rande des Piers, die nichts mehr mit dem Industriehafen und den Containerschiffen gemein hatten, waren zu meinem Glück noch nicht geschlossen. Zügigen Schrittes lief ich den ordentlichen Weg aus rosanen Pflastersteinen entlang, bis ich ein Modegeschäft abpasste. Es war lange her, dass ich zum letzten Mal Kleidung gekauft hatte, denn eigentlich übernahm Alice diese Aufgabe bereitwillig für die ganze Familie, und ich wusste, wenn sie mich jetzt sehen könnte, wäre sie sicher hellauf begeistert von meiner Wahl.

Ich betrat den sehr elegant wirkenden Laden mit der Absicht, nicht lange dort zu verweilen. Alles was ich brauchte war ein Anzug, der mich bei meinem Vorhaben nicht allzu auffällig aussehen ließ. Etwas Elegantes, das mir weniger gefallen als etwas hermachen sollte. Mit einem Blick hatte ich ein passendes Exemplar gefunden: Er sah genauso teuer aus, wie es auf dem kleinen Preisschild versprach und das Stahlgrau half, meine Leichenblässe abzudecken. So hoffte ich, den Anschein zu erwecken, ein wohlhabender, wenn auch ziemlich mitgenommen aussehender Businessman zu sein. Im Spiegel erkannte ich mich kaum wieder. Mein Gesicht sah abgekämpft aus und ich hätte alles dafür gegeben, eine Stunde lang in ruhigen traumlosen Schlaf versinken zu können. Ich bezahlte mit Karte weil es am schnellsten ging und wollte mich so bald wie möglich wieder aus dem Staub machen.

Erst als ich in meine Taschen griff um die Kreditkarte heraus zu holen, fiel mir auf, dass ich bei meinem überstürzten Aufbruch von dem neuen zu Hause meiner Familie fast nichts mitgenommen hatte, bloß die Dinge, die sich ohnehin in meinen Hosentaschen befunden hatten. Neben der Brieftasche waren das eine schmale Taschenbuchausgabe von Die Leiden des jungen Werther, und, selbstzerstörerisch wie ich war, ein Foto, das Bella und mich an ihrem Geburtstag zeigte. Ich trug es seit meinem letzten Tag in Forks immer bei mir und konnte mich nicht dazu überwinden, mich davon zu trennen, auch wenn der Anblick in meiner Seele brannte wie Säure. Da ich nicht wollte, dass es zerknitterte oder sonst zu Schaden kam, kaufte ich aus einer Laune heraus ein rundes Medaillon an einer feinen Silberkette und bewahrte es sorgsam darin auf. Mehr erstand ich nicht, denn ich war sicher, dass ich auf dem Schiff reichlich Nachschub an Kleidern finden würde.

Schließlich stand ich wieder auf der Uferstraße und sah hinaus auf die funkelnden Lichter der Schiffe, die in der Bucht ankerten. Wie ich Platins Gedanken hatte entnehmen können, sollten sich alle Passagiere vor sieben Uhr morgens an der Landungsbrücke zweiundzwanzig einfinden, um an Bord einchecken. Ich besah mir die Schiffe und stellte Vermutungen an, welches der großen Dampfer wohl die Endearment of the Seas wäre. Doch bevor ich mich einschiffen konnte, musste ich noch einen Anruf tätigen, und obwohl ich diesen Mann noch nie zuvor persönlich gesehen hatte, war sein Gesicht in meinen Gedanken. Ich musste mich ankündigen und so zog ich das Handy von Platin hervor.

Nach zweimaligem Klingeln hob jemand ab.

"Professor Joseph Merlano, womit kann ich Ihnen behilflich sein?" erschallte eine hohe Frauenstimme aus dem Hörer.

Da hatte sich dieser Platin wohl überschätzt, wenn ihm sein potentieller Geschäftspartner nicht einmal seine private Nummer gegeben hatte, dachte ich spöttisch. In meiner Antwort versuchte ich meine Stimme besonders schmeichelnd und angenehm klingen zu lassen.

"Guten Abend Miss, bitte entschuldigen sie diese späte Störung. Ich würde gerne mit dem Herrn Professor persönlich sprechen, wenn das möglich wäre. Mein Name ist Anthony Mason, ich bin Geschäftspartner von Richard Paskudny." So lautete der bürgerliche Name von alias Platin, wie ich in den schmutzigen Gedanken seines Partners, Tripper gelesen hatte.

"Welchen Grund für ihren Anruf darf ich dem Professor übermitteln?", fragte die Frau auf der anderen Seite der Leitung.

"Meine Gründe würde ich gerne mit dem Professor persönlich besprechen, aber soweit ich das im Moment sagen kann, hat Mister Paskudny Schwierigkeiten, die zukünftigen Verabredungen einzuhalten, weshalb mich sein Anwalt mich kontaktiert hat, um für den Guten einzuspringen. Sehr delikate Angelegenheit."

"Bitte haben sie einen Moment Geduld, Mister Mason" flötete die Assistentin des Professors, dann erklang eine heitere Melodie und ich blieb in der Warteschleife, während ich in Richtung der Landungsdocks spazierte.

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt