Kapitel 14: Gutes tun

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Edwards Sicht

Ich war so ausgelaugt wie lange nicht mehr. Was hätte ich dafür gegeben, schlafen zu können! Ich fühlte mich, als würde ich nur noch auf Stand-bye funktionieren, tat zwar alles was ich musste, ging jagen, verbrachte Zeit mit meiner Familie, doch es bereitete mir keine Freude.

Meine Familie war weitergezogen in die Nähe von Quebec, eine wenig sonnige Region in Kanada, wo Carlisle im Krankenhaus angestellt war, aber richtig angekommen fühlte ich mich, auch nach einigen Wochen nicht. Ich hielt die Nähe zu meiner Familie nicht aus, was vor allem an Alice lag, der unwillkürlich immer wieder Bilder aus Bellas Zukunft erschienen und diese brannten wie Feuer hinter meinen Lidern, jedes Mal, wenn ich die Augen schloss. Wie sie mit Mike Newton ausgehen würde. Meine Bella, wunderhübsch, die langen Haare sorgsam zurückgebunden und in einem dunkelblauen Kleid, das ihr bis zu den Knien reichte. Sie sah umwerfend aus und dass ich sie so nie wieder sehen würde, brachte mich fast um den Verstand.

Ich liebte sie mit jeder Faser meines Körpers und kämpfte jeden Tag, jede Stunde, jeden Augenblick gegen den gewaltigen Schmerz an, der mich zu überrollen drohte. Manchmal gewann ich und schaffte es mich abzulenken. Heute nicht.

Die Prozedur war dann immer die gleiche: Ich zog mich mehrere Tage lang im Wald zurück, unfähig mich zu bewegen oder auch nur irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Ich jagte nicht und wurde deshalb fast wahnsinnig, meine Augen waren jedes Mal, als ich zum neuen Haus meiner Familie zurückkehrte, so nachtschwarz, dass es schien, als bestanden sie nur aus einer einzigen riesigen Pupille. Seit vierTagen saß ich nun schon auf dem Waldboden, eingeschneit und daher verborgen an einer alten Linde und meine Kleider starrten vor Dreck.

Und das alles, weil ich es so bestimmt hatte. Mein Selbsthass und der Schmerz waren mein Opfer. Doch ich musste stark bleiben, durfte nicht nachgeben, obwohl ein Teil meiner Gedanken unablässig und fieberhaft nach einem Schlupfloch suchten, wieder zu ihr zurückkehren zu können, Forks aufzusuchen und zu überprüfen, dass mit ihr alles in Ordnung wäre. Für sie musste ich durchhalten. Es war das Beste für sie sagte ich mir immer wieder, wenn Zweifel in mir aufstiegen.

Verzweiflung brach über mich herein und wieder einmal war ich in meiner Agonie gefangen. Sie fehlte mir und es schien als hätte ich alles was ich liebte und mir irgendeine Freude bereitete bei ihr gelassen.

Ich musste mir etwas eingestehen. Daran, dass ich ein seelenloses Monster war, das nach Menschenblut dürstete, und besonders der Person, die der Mittelpunkt meines Lebens geworden war, konnte ich nichts machen. Nur meine Einstellung dazu konnte ich verändern und meine vampirischen und persönlichen Fähigkeiten entsprechend einsetzen. Meinem Handeln, meine Taten, würden sie mein Dasein als Monster ausgleichen können? Ich wünschte es mir, ich wollte besser sein. Ich wollte besser für Bella sein. Ich liebte ihre Güte, ihre Standhaftigkeit, ihre Ehrlichkeit und ihren Scharfsinn. Sie war ein durch und durch guter Mensch, ohne dabei fehlerfrei zu sein, und in mir erwachte der tiefe Wunsch, Gutes zu tun um ihrer würdiger zu werden. Einen Versuch war's wert.

Vampire hielten sich in der Regel aus dem Weltgeschehen raus, teils um unsere Art besser geheim halten zu können, teils aber auch weil sie sich vom Menschsein und der Menschheit fast gänzlich gelöst hatten und damit auch von der Verantwortung, irgendetwas zum Guten zu verändern.

Aber das Mädchen das ich liebte war menschlich und wir lebten in der gleichen Gesellschaft. Wie konnte ich da nicht wollen, dass sich da etwas zum Guten veränderte? Ich wollte gut sein in einer Welt, in der es so viel Böses gab. Menschenhandel, Zwangsprostitution, Korruption, Mord und Totschlag...die Liste war lang. Es gab viel für mich zu tun, obwohl ich wusste, dass ich in meiner ganzen Existenz die Welt nicht zu einem perfekten Ort machen konnte, so würde ich zumindest versuchen sie ein Stückchen besser zu machen. Ein Stückchen Utopie für Bella.

Außerdem bot es mir die Gelegenheit, mich von meiner Familie zu entfernen ohne ihnen damit weh zu tun. Ideal! Nach unserer Flucht aus Forks war mir unangenehm bewusst geworden, das ich mit drei turtelnden Traumpärchen zusammenlebte. Bevor ich Bella kennengelernt hatte, war das zwar manchmal etwas nervig gewesen, aber ich hatte es verkraftet. Jetzt war es mir schier unerträglich, es länger als ein paar Minuten mit ihnen und ihren glücklichen Gedanken in einem Raum auszuhalten.

Ich rappelte mich auf, unterdrückte den stechenden Schmerz, der in meiner Brust pulsierte, und mich seit dem Weggang aus Forks unablässig begleitete und steuerte auf das neue Haus der Cullens zu.

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt