Alice Sicht
Ich war wirklich genervt von Edward. Wie lange wollte er noch so tun, als wäre sein Zustand temporär? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es etwas gab das weniger ewig wäre als seine Liebe zu Bella und er sollte das eigentlich am Besten wissen.
In meinem Kopf wirbelten die Visionen wie Flocken in einer Schneekugel herum und wieder sah ich sie vor mir. Bella und Edward, zwei Komplemente, nicht als unvollständige Teile eines Großen, sondern als zwei unabhängige Parteien, die sich dennoch ergänzten und zusammen am besten funktionierten, so schlussendlich am glücklichsten waren. Ich hatte bislang nur Gerüchte davon gehört, und die Legenden des wollüstigen Sukkubus sprachen natürlich dagegen, aber ich befürchtete dennoch, dass sie nicht vollkommen daneben lagen. Die Sagen um die einzige Vampirliebe. Dass ein Vampir sich in seiner unsterblichen Existenz nur einmal verliebte und zwar Hals über Kopf und gegen jede Vernunft.
Mir waren keine vampirischen Krankheiten bekannt, zumindest keine die unseren Organismus angriffen, aber ich war ziemlich sicher, dass seelische Erkrankungen sich nur wenig zwischen Menschen und Vampiren unterschieden. Der Verlust dieser unverfälschten bedingungslosen Liebe konnte tiefe Wunden in der Seele hinterlassen, die vielleicht nie mehr heilen würden und ich war, mehr als mir Edwards störrisches Abstreiten in dieser Angelegenheit auf die Nerven ging, ernstlich besorgt um ihn.
Ich räkelte mich auf dem breiten Sofa im Wohnzimmer und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Um mich herum gingen meine Geschwister und meine Eltern ihren Lieblingsbeschäftigungen nach, während Jasper, meine große Liebe, dies draußen tat.
Wir beide schwärmten für das Ballett und tanzte ich nicht, sah ich ihm aus einem der großen Fenster dabei zu. Jasper war ein begnadeter Tänzer. Wegen Esmes besonderer Vorliebe für Naturholzböden zogen wir uns zum Tanzen in den Garten zurück. Das war im alten Haus besser möglich gewesen, da hier der Wald zu nah an den Steinmauern begann und kaum Platz für derartige sportliche Betätigungen ließ, aber es würde schon gehen. Insgesamt vermisste ich unser altes zu Hause und ich war mir sicher, nicht die Einzige zu sein, die gerne nach Forks zurückgekehrt wäre. Es lag nicht einmal an dem Haus, in dem wir dort gewohnt hatten, sondern vielmehr am Ambiente. Es regnete viel häufiger als in Quebec, was uns ermöglichte jeden Tag vor die Tür zu gehen und wir alle waren in diesem Punkt gerne ungebunden. Außerdem mochte ich die Nähe zur Pazifikküste und zu unseren Freunden in Denali. Gewiss aber hing es auch mit einem gewissen Menschenmädchen zusammen.
Meine Gedanken flogen zurück zu meiner Vision. Unser Haus war voller fremder Menschen gewesen, die in unseren Zimmern übernachteten, welche ich beinahe nicht als solche wiedererkannt hätte. Ich sah unsere ehemalige Mitschülerin Angela, wie sie mit Bella hinter dem Tresen im Eingang stand. Das Logo darauf war mir nicht bekannt, aber bei näherem Hinsehen verstand ich.
Vamp Camp Hostel dachte ich verblüfft. Wahnsinnig komisch Bella! Ich stellte mir vor, dass sie diesen Namen in Anlehnung an die Stimmung im Wald und das Haus im Jugendstil gewählt hatte, aber die Anspielung war zu direkt um zufällig zu sein. Ich schmunzelte. Sie hatte ihn für den unwahrscheinlichen Fall ausgesucht, dass wir Cullens auf irgendeinem unvorhersehbaren Weg von ihrem Tun erfahren würden. Vielleicht wollte sie uns damit sogar provozieren. Aber in jedem Fall war klar, dass sie uns genauso wenig vergessen hatte, wie wir sie.
Vor allem aber war die Vision ganz deutlich vor mir erschienen. Zwar hatte ich Edward versprochen, Bella nicht länger im Auge zu behalten, aber erstens konnte ich die Zukunftsblicke manchmal nicht verhindern, und zweitens wollte ich auf diesem Weg sichergehen, dass es ihr wirklich gut ging. Bezüglich meiner letzten Erscheinung bestand kein Zweifel. Es würde so kommen und das schon bald. Ob sie damit glücklich war wusste ich allerdings nicht.
Emmett hatte am lautesten aufgelacht, als ich ihm davon erzählt hatte. Rosalie saß neben mir auf dem Sofa, vertieft in Tabellen über den Ölpreis (Finanzen und Aktienbesitz waren neben Carlisles Arztgehalt unser höchstes Einkommen) und hatte augenblicklich die Stirn gerunzelt und aufgebracht geknurrt.
Nach dem Anruf bei Edward waren sie alle wieder in ihre Hobbies zurück gefallen. Emmett stickte in Rekordgeschwindigkeit an einem meterlangen Wandteppich, während ich Esme auf dem Dach mit der Bohrmaschine hantieren hörte. Ich sah eine neue Vision vor meinen Augen vorbeiziehen, jedoch weniger klar. Edward würde doch zu ihr zurückkehren und sie um Verzeihung bitten? Ich wünschte es mir so sehr! Ich vermisste meine Freundin und meinen glücklichen großen Bruder.
Carlisle betrat den Raum und ich sah, wie sich unsere nächsten 45 Minuten gestalten würden, auch ohne dafür die Zukunft konsultieren zu müssen. Mein Vater trug seine elastischen Leggings und steuerte direkt auf uns zu, ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen. Ein kollektives Stöhnen ging durch den Raum.
"Zeit für Yoga" flötete Carlisle. Er hatte die gesundheitlichen Vorteile der indischen Lehre des Asana-Yogas erst vor kurzem kennengelernt und sich sofort zum Liebhaber entwickelt. Mit Leib und Leben verteidigte er die entspannende Wirkung der Übungen, die zwar unsere Vampirkörper kalt ließ, aber unseren Geist auflockerte. Wegen dieser meditativen Qualität hatten wir zugestimmt, ihn in seinen Übungsstunden als Familie zu begleiten, aber es war nicht immer so einfach, seine Gedanken loszulassen, vor allem nicht, wenn ich regelmäßig von unabwendbaren Visionen heimgesucht wurde, in denen sich das Glück derer die ich liebte entschied. Dennoch konnte ich mich bis zu einem gewissen Grad entspannen und ich wusste, dass es Carlisle Freude bereitete, etwas gemeinsam zu unternehmen. So verdrehte ich bloß kurz die Augen und sprang dann auf, um meinen Vater zu unterstützen, in der Hoffnung für einen kurzen Moment die Sorgen um meinen großen Bruder vergessen zu können.
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(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)
VampireBella hat genug und eröffnet im verwaisten Haus der Cullens ein Hotel für Touristen, um sich auf ihre Zukunft anstatt auf Edward, der sie verlassen hat, zu fokussieren. Doch viel zu schnell wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Was hat es mi...