Kapitel 7: Regnerische Zeiten

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Bellas Sicht

Ich war so froh, einen potentiellen Partner in Crime gefunden zu haben, dass ich an diesem Tag nicht noch weiter über mein irres Vorhaben nachdachte, sondern mich ganz und gar meinem Teil der Hausarbeit widmete. Als Charlie nach Hause kam duftete das Haus nach Winterlasagne, einem Auflauf aus saisonalem Gemüse mit viel Käse überbacken und frischer heißer Zitrone. Auch Darcy hatte ihr feines Futter bekommen und ich hatte noch mehr Eingeweide kleingeschnitten und für die nächsten Tage eingefroren.

Nach einer kurzen Nacht war ich am nächsten Morgen für meine Verhältnisse früh aus dem Bett, um eine kleine Runde mir Darcy zu drehen, bevor ich zur Schule musste. Wir liefen durch den Wald und wurden zum ersten (und gewiss nicht letzten) Mal heute pitschnass. Wieder am Haus sprang ich unter die warme Dusche und nahm Darcy gleich mit. Nachdem das letzte bisschen Kälte aus meinen Füßen vertrieben war, zog ich mich für die Schule um. Ich schlüpfte in meine schwarze Jeans und zog ein dazu passendes graues T-Shirt an. Darüber warf ich ein wollenes Holzfällerhemd mit roten und braunen Karos, das mir gefiel, weil es verdeckte, wie dünn ich geworden war.

Ich war schämte mich dafür, wie sehr ich mich hatte gehen lassen. Der Blick auf die Uhr verriet mir, dass noch massig Zeit war, daher beschloss ich, sie in mein Aussehen zu investieren. Nachdem ich mir die Zähne geputzt hatte, kramte ich in der Badezimmerschublade, bis ich fand, wonach ich suchte. Lange genug hatte ich mich der Verwahrlosung hingegeben. Ich schraubte den Deckel von der Hautcreme, die Mom mir zum Geburtstag geschenkt hatte und trug sie in feinen Schichten auf meinen Augenringen und meinen Wangen auf, und genoss das kühle Prickeln auf der Haut. Dann packte ich mein Schminktäschchen aus. Obwohl ich nicht viel Make-Up besaß, hoffte ich, dass es ausreichen würde, um die tiefen Spuren, die die Traurigkeit mein Gesicht gegraben hatte, zu verstecken.

Mit etwas Wimperntusche versah ich meine Augen, die etwas größer aussahen als ohnehin, dazu geschwollen; ich trug etwas von dem roséfarbenen Rouge auf, was meine eingefallenen Wangen etwas voller aussehen ließ. Die tiefen, blau-violetten Augenringe versuchte ich mit ein wenig Concealer zu kaschieren. Meine Lippen waren farblos und trocken und so nahm ich den Lippenpflegestift und trug ihn sanft auf die Lippen auf, bis sie ein wenig Farbe annahmen. Trotz allem war es nicht zu verdecken, dass es mir nicht gut ging. Aber ich hoffte, dass ich mich so Jacob und Leah zeigen konnte, ohne sich zu erschrecken.

Der Schultag flog nur so an mir vorbei. Anscheinend hatte eine Grippewelle die Schule erfasst und einige Lehrer außer Gefecht gesetzt. So auch meinen Bio-Lehrer Mr. Banner, bei dem ich eigentlich den Nachmittagsunterricht hatte. Heute war wohl mein Glückstag! Ich hasste den Biologieunterricht, nicht weil mir dass Fach zuwider wäre, sondern weil die Erinnerungen an meine ersten Tage in Forks damit viel zu stark verknüpft waren. Die Zeit, die ich gewonnen hatte, da ich nun schon vor der Mittagspause schulfrei hatte, wollte ich sinnvoll nutzen. Der Himmel war grau und ich beeilte mich zu meinem Transporter zu kommen, ehe der Himmel erneut aufbrach.

„BELLA", erschallte es über den Parkplatz. Das war's mit meinem Glück!

„Hi Mike, was gibt's denn?" Ich drehte mich langsam um.

„Bella, hi. Du, ich wollte dich fragen, ob du vielleicht Lust hast, morgen Abend mit mir Essen zu gehen. Ich könnte dich dann nach Hause bringen, es wäre ja schon spät und du wohnst ja so weit ab vom Schuss." Er blickte mich aus seinen blauen Augen aus an und seine blonden gegelten Haare färbten sich langsam dunkler. Es hatte wieder leicht zu regnen begonnen.

Ich runzelte die Stirn. Meinte er, ich wäre nicht in der Lage, die Autoscheinwerfer zu bedienen? Außerdem war ich sicher dass ein Date mit mir gewiss nicht so spät ausgehen würde wie er es sich erhoffte, immerhin hatten wir am nächsten Tag Schule. Ich wog es ab: Zwar war mein Interesse an Mike wirklich minimal, man könnte sogar sagen nicht existent, aber ich wollte auch, dass er mit seinem unangenehmen Werben um mich so schnell wie möglich aufhörte. Wenn ich mich einmal mit ihm treffen würde und das Date ein Reinfall werden sollte, dann war ihm hoffentlich klar, dass er sich lieber nach jemand anderen umschauen sollte, als dem  emotional vorbelasteten Vampirmädchen.

„Du, Mike, ich.." stammelte ich dämlich vor mir her, während ich merkte wie meine Haare immer nasser wurden.

„Okay" sagte ich schnell und war selbst von mir überrascht. „Bis dann" und stieg in meinen Transporter.

„Ich hol dich um 6 ab", rief er mir nach.

Was war nur in mich gefahren? Andererseits wäre es bestimmt mal ganz nett, auszugehen und ich konnte ihm ja vielleicht dort besser verklickern, dass ich alles Romantische gerne für den Rest meines Lebens vermeiden wollte. Daran trug Mike nicht einmal die Schuld. Allein der Gedanke brachte mich auf und wenn ich an die einzige Ausnahme dachte, den Einzigen, den ich wollte.... Ich lenkte mich ab, indem ich mir ganz detailliert den Verlauf des Tages ausmalte und meine Gedanken streng kontrollierte. Währenddessen steuerte ich vom Parkplatz und konnte noch einen Blick in Mikes strahlendes Gesicht werfen. Das konnte ja was werden morgen!

Es hatte nun heftiger angefangen zu regnen und als ich zu zu Hause ankam, wechselte ich direkt meine Kleider und schlüpfte in meine kuschelige Jogginghose. Ich hatte noch massig Zeit bis zu meiner Verabredung mit Leah und Jake, aber ich wanderte ruhelos in der Küche auf und ab. Hunger hatte ich noch keinen. Nach einer Weile nervösem Herumrennen beschloss ich, schon zum Diner zu fahren. Die Jogginghose ließ ich an und nahm auch Darcy mit, die es sich neben mir auf dem Beifahrersitz bequem machte. Das Restaurant lag ganz in der Nähe vom Wald, nur der große Parkplatz und die Hauptstraße auf der anderen Seite trennte sie. Von dort aus begann ein Fußweg und einige hundert Meter weiter war ein Einschnitt in das Olivgrün des Waldes, die Auffahrt zum Haus der Cullens. Meinen Transporter parkte ich auf dem weitläufigen Parkplatz, nahm Darcy an die Leine und lief auf dem Seitenstreifen die Straße entlang. Zum Glück hatte ich nicht versucht, mit dem Transporter auf das Cullengrundstück fahren zu wollen, denn wo sonst die ausladende Einfahrt offen in den Wald geführt hatte, war nun eine rote und weiße Schranke angebracht, daneben ein Schild, worauf es in großen Buchstaben hieß: Privatgrundstück, Betreten auf eigene Gefahr.

Wortwörtlich, dachte ich, denn ich wusste nicht, wie gut ich das erneute Wiedersehen mit diesem vertrauten Ort verkraften würde. Aber wenn ich mein Vorhaben wirklich in die Tat umsetzen wollte, brauchte ich etwas Übung und deshalb war ich hier. Ich ließ Darcy von der Leine und duckte mich unter der Schranke hindurch, dann lief ich die Auffahrt entlang, bis das weiße Gebäude zwischen den Bäumen auftauchte.  

(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt