Jacobs Sicht
An diesem Abend war ich alleine im Hostel, nachdem Bella überstürzt und wie aus dem Nichts heraus nach Hause aufgebrochen war. Das verwunderte mich, denn ich hatte gedacht es täte ihr gut, mit uns zusammen im Hostel zu chillen. Doch sie hatte Charlie gegenüber ein starkes Verantwortungsgefühl, sogar stärker als ich zu meinem Vater und der war schließlich querschnittsgelähmt, daher nahm ich an, dass es damit zusammenhing.
Doch an jenem Abend war meine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt, sodass ich Bellas Verschwinden erst später Beachtung schenken konnte. Ich stand im Wald, wo ich einige Anziehsachen versteckt hatte, falls ich mich spontan verwandeln und meine Kleider zerstören musste. Falls dieser Fall einträfe fand ich es praktischer, klamme und nach Moos riechende Klamotten zu haben, als splitternackt vor den Mädchen ins Haus zu schleichen, um mich dort anzuziehen.
In Gedanken versunken kramte ich in der Plastiktüte mit der Zweitgarnitur, die ich zwischen den Wurzeln einer windschiefen Zeder versteckt hatte, und dachte über das nach, was Leah mir gedanklich mitgeteilt hatte. Wir waren also ein Rudel. Ziemlich cool, aber auch etwas gefährlich wie ich fand. Leah stand mit Sam Uley auf Kriegsfuß, auch wenn sie ihre Abneigung zu verbergen versuchte, und sollte es zu einem Zusammentreffen käme, wäre es, so dachte ich, von Vorteil, nicht in der Unterzahl zu sein. Sam war ziemlich stolz und hatte offenbar die ganze Zeit über nicht begriffen, wie sehr er Leah damals verletzt hatte. Ich war mir sicher, dass er nicht besonders erfreut darüber war, als Alpha zwei seiner potentiellen Mitglieder des La Push Rudels verloren zu haben, und konnte mir vorstellen, dass er Leah und mich auffordern würde, sich ihm wieder anzuschließen. Mich würde er damit nicht persönlich beleidigen, ich kannte ihn kaum, Leah hingegen schon. Ich seufzte auf. Vielleicht sollte ich mich das nächste Mal unter meinen Freunden im Reservat umhören und ihnen zumindest unser Rudel als zweite Option vorschlagen. Außerdem war da noch Leahs Bruder Seth, ein lustiger Bursche, mit dem ich mich gut verstand und der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Wolfsgene in sich trug. Und ich fragte mich, wie ich mit meinen Gefühlen zu ihr umgehen sollte, wenn sie doch zeitweise meine Gedanken hören konnte.
Während ich so vor mir her träumte, nach wie vor in Wolfsgestalt, bemerkte ich zwischen den Bäumen einen eigenartigen Geruch. Mit meiner Wolfsnase vernahm ich öfters Nuancen, die mir als Mensch verborgen geblieben wären und ich nahm an, dass es wieder einmal so war. Da, zwischen dem harzigen Geruch der Nadeln der umstehenden Bäume und dem tiefen feuchten Aroma der Erde! Irgendein Wesen hatte sich im Wald aufgehalten, war hier herumgelaufen vor kurzer Zeit, und ich konnte sicher feststellen, dass weder Mensch noch Wolfswandler gewesen war. Der Geruch wirkte irgendwie kühl, süßlich aber überladen, als wäre ich in einen Parfümladen gerannt. Als ich der Spur folgte, musste ich enttäuscht feststellen, dass sie sich am nahegelegenen Sol Duc River verlief. Unser Besucher hatte sich offenbar mitten hineingestürzt. Mit eingezogenem Schwanz trat ich den Rückweg an.
Die restlichen Arbeiten am Haus waren schnell erledigt und wir vier als eingespieltes Team schafften alles was wir uns vorgenommen hatten in den kommenden Tagen. Wir konnten einen langen Esstisch und zehn bunt durcheinander gewürfelte Stühle auftreiben, einige interessante Bücher über Forks und den gesamten Nordwesten der USA und in einem Secondhandladen hatten Bella und ich viel Spaß dabei gehabt, die kitschigsten Landschaftsbilder und sonstigen Dekokram auszusuchen. Schließlich waren alle Stockbetten aufgebaut und mit Matratzen und Bettwäsche wie in einer Jugendherberge bestückt. Den Holztresen hatten wir mit vereinter Kraft in den Eingang tragen müssen, und auf die Vorderseite hatte Angela, die gut mit Pinsel und Farbe umgehen konnte, das Logo und den Namen des Hostels angebracht. Von Bellas großzügigem Startkapital war kaum etwas übrig geblieben, aber sie störte sich daran keineswegs und ich mich daher auch nicht.
Wir waren wirklich stolz. Trotz der eisigen Temperaturen des Dezembers hatten wir uns in den Garten des Hostels gesetzt und grillten Marshmallows über einem Lagerfeuer, feierten das Leben und unser Projekt, das, obwohl wir mit den Renovierungsarbeiten nun fast fertig waren, jetzt erst richtig beginnen sollte. Ich spürte, wie sehr uns die letzten Wochen zusammengeschweißt hatten und Bellas Grinsen über das Feuer hinweg zeigte mir, dass sie es auch spürte.
Da ergriff Leah das Wort und sprach etwas an, das ich im Verlauf der arbeitsreichen Tage beinahe vergessen hatte.
"Angela, ich möchte dir gerne etwas erzählen. Ich werde ganz ehrlich zu dir sein, aber ich möchte nicht, dass das unsere Freundschaft irgendwie beeinträchtigt, okay?" Bella rückte ein Stück zu Angela und nahm ihre Knie unter die dicke Wolldecke. Die Schwarzhaarige machte große Augen.
"Es ist nichts schlimmes, Angela. Leah übertreibt es nur gerne mal ein bisschen mit der Spannung." fügte ich leise hinzu und Leah fixierte mich mit finsterem Blick. Ich sah sie erwartungsvoll an, doch schließlich war es Bella, die in die Stille hinein sprach und eine ganze Weile lauschten wir gespannt ihrer Erklärung, die eine Zusammenfassung unseres kürzlichen Aufeinandertreffens im Hostelgarten war.
Schließlich war nur noch das knisternde Feuer zwischen uns zu hören bis ich anbot: " Wir können es dir gerne zeigen. Es ist nicht so gruselig wie es vielleicht klingt. Wir sehen wie ganz gewöhnliche arktische Wölfe aus, ohne lange Fangzähne oder gegabelte Rute und den ganzen anderen Sachen. Wenn du möchtest, kann ich mich jetzt und hier verwandeln." Ich griff nach dem Reißverschluss meines Parkas, doch Angela winkte ab.
"Es ist in Ordnung Jake, wir können das auch morgen machen, wenn es keine Minusgrade mehr hat. Außerdem glaube ich Bella, obwohl es stark nach Lagerfeuer-Gespenstergeschichte klingt." Sie warf einen prüfenden Blick in die Runde, als wollte sie abchecken, ob es nicht vielleicht doch ein Scherz von uns war.
"Ja, es ist nicht zu glauben, wie viele Fabelwesen es tatsächlich gibt." seufzte ich.
"Ach, es gibt noch mehr?", hakte Angela mit hochgezogenen Augenbrauen nach.
"Jacob meint die Geschöpfe aus den Legenden der Quileute, ist doch so oder?" antwortete Bella rasch und sah aus als hätte sie mir gerne mit einem der dicken Holzscheite, die sie auf das Feuer legte, eins übergebraten. Leah reagierte schneller als ich.
"Ja, die friedlichen Seemonster und die schwarzen Eisbären." sagte sie fahrig und verwickelte Angela geschickt in ein Gespräch über eine Serie, die die drei zusammen sahen.
Bellas Blick ruhte immer noch auf mir.
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(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)
VampirBella hat genug und eröffnet im verwaisten Haus der Cullens ein Hotel für Touristen, um sich auf ihre Zukunft anstatt auf Edward, der sie verlassen hat, zu fokussieren. Doch viel zu schnell wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Was hat es mi...