Bellas Sicht
Ich war so perplex, dass ich mich nicht bewegen konnte. Sie kam immer näher und die Erinnerungen schwappten über mich herein und zog mich in ihre Tiefe.
Beweg dich nicht Bella, hörte ich seine sanfte Stimme, wie ein leiser Windhauch. Aber es war wie ein Blitz, der mich durchfuhr, als seine kühlen Lippen meinen überhitzten Mund trafen. Mir kochte das Blut über. Ich griff in seine verwuschelten kupferfarbenen Haare und zog ihn noch näher zu mir und ein leises Seufzen entfuhr ihm, was mein Blut nur noch wilder pulsieren ließ. Er war überall, meine Sinne waren übersättigt von ihm und meine Gedanken waren vernebelt von seinem köstlichen Duft. Seine Lippen zogen mich wie magnetisch an, sie waren mit ihrer angenehmen Kälte ein Gegenmittel für meine innere Hitze. Ich wusste nicht, wie lange wir so da saßen, aber ich bekam einfach nicht genug von ihm. Als sich unsere Münder trennten nutzte ich den Moment um Atem zu holen, während er ehrfurchtsvoll meinen Namen flüsterte. Ein angenehmer Schauer lief mir über den Rücken, meine Brust war warm vor Glück und mein Bauch so voll mit wimmelnden Schmetterlingen, dass ich kein Wort heraus bekam. Und ich vertraute, dass es ihm genauso ging.
Mir schwirrte der Kopf während Leahs Lippen sich auf meinen bewegten. Obwohl ich, wie auch schon bei Mike, an nichts Romantischem interessiert war, genoss ich den Kuss, bloß dass ich in Gedanken bei jemand anderem war. Doch irgendwann ließ es nicht mehr vermeiden. Ihre Lippen waren zu warm und zu weich, um jemand anderem als allein Leah zu gehören und ich gab meinen Wunschtraum auf. Dennoch genoss ich ihre Nähe nicht weniger. Eine ganze Weile saßen wir auf dem staubüberzogenen Dachboden und küssten uns, während ihre Hände langsam über mein Gesicht strichen. Irgendwann schoss mir durch den Kopf, dass sich unten jemand fragen könnte, wo wir blieben und ohne mir etwas anmerken zu lassen, zog ich mich vorsichtig zurück.
Sie grinste mich an. „Ich würde sagen, das war interessant"
„Du, ich also Leah." Ich rang um Worte aber konnte meinen Gefühlen keinen Ausdruck verleihen. Interessant war wohl das letzte, womit ich diesen Kuss beschrieben hätte.
„Kein Ding Bella, es ist doch nichts passiert"
Wie bitte?
„Leah, du hast mich gerade geküsst und jetzt sagst du, dass nichts passiert wäre?"
„Keine große Sache", winkte sie lässig ab.
Das war also keine große Sache? Ich erinnerte mich an all meine Küsse mit Edward und fragte mich plötzlich, ohne es zu wollen, ob sie für ihn auch keine große Sache gewesen waren. Das Loch in meiner Brust war mit einem Schlag zurück und fühlte sich hohl und scharfkantig an wie zuvor.
„Okay. Aber das bleibt unter uns", brachte ich heraus.
Leah lachte. „Ganz wie du willst."
Ich nahm die eingestaubte Kapsel, die Leah für eine Urne hielt und stieg die Leiter hinunter. Das Glück war auf meiner Seite, da Angela und Jacob anscheinend in Jaspers und Alice früheren Schlafzimmer dabei waren, einige Stockbetten aus Metallstangen zusammen zu bauen. Mir war überhaupt nicht nach Nähe zumute, obwohl mir eine Umarmung oder noch ein Kuss sicher gut getan hätte, doch ich wollte auch meinen merkwürdigen Fund in Augenschein nehmen. Außerdem war ich zu dankbar, dass Leah nichts von meinem Stimmungsumschwung mitbekommen hatte um nun ein Gespräch darüber zu provozieren. So huschte ich an den geschlossenen Türen im Gang vorbei, mit schnellen Schritten und der Schatulle unter dem Arm durchquerte ich das Wohnzimmer, wo Darcy schwanzwedelnd auf mich zu sprang.
Einen Augenblick lang drückte ich sie an mich. Immer schon hatte sie sofort meine Gefühle gespürt und half mir wieder auf die Beine. "Mach dir keine Sorgen, Bella, alles ist gut. Es ist nichts passiert. Du bist in Sicherheit. Darcy ist hier." wiederholte ich in Gedanken, bis ich es schließlich glauben konnte, während sich mein Golden Retriever an mich kuschelte. Daraufhin rappelte mich auf und wurde von Neugier gepackt. Was war das für ein Gegenstand, auf den ich dort, verborgen unter Brettern, Putz und jeder Menge Spinnweben, versteckt im Schacht des Kamins gestoßen war? Ich merkte plötzlich, was mir fehlte: Es war Sauerstoff, frische Luft. Nach dem Kuss brummte mir immer noch der Kopf und so steuerten Darcy und ich auf den brachliegenden Garten zu. Dort sah ich zu meiner Überraschung Jacob stehen. Vielleicht war das Haus ihm, ebenso wie mir plötzlich zu einengend vorgekommen, oder er wollte nach der Arbeit am hölzernen Eingangstresen der letzten Tage etwas entspannen, überlegte ich. Mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht zu deuten wusste, sah er mich an. Es schien mir, als hätte er auf mich gewartet.
„Alles okay Jake?" fragte ich zögernd. Für heute war mein Kontingent an merkwürdigen Ereignissen oder Freunden, die komische Dinge anstellten schon ziemlich erschöpft.
„Bella, ich bin so durcheinander." Das merkte ich wohl und fühlte mich ähnlich, angesichts der Konflikte in den dunklen Augen des Jungen vor mir.
„Was hast du? Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?" bot ich an.
„Ich weiß auch nicht was gerade mit mir los ist" stammelte Jacob und blickte auf seine Schuhspitzen.
„Als ich mir das Bein gebrochen hatte, war Leah jeden Tag bei mir und wir sind uns irgendwie nah gekommen. Immer haben wir uns gegenseitig aufgezogen und so viel gelacht, und da hab ich gemerkt wie stark meine Gefühle schon für sie sind."
Die Schuldgefühle liefen kalt über meine Arme und hinterließen eine Gänsehaut. Verdammt! Das musste mir Jake unbedingt jetzt erzählen, Minuten nachdem ich mit Leah rumgeknutscht hatte. Es war mir zwar klar, dass ein Kuss für manche Menschen weder Liebe noch sonst tiefergehende Gefühle voraussetzte und versuchte, mich an diese Vorstellung zu gewöhnen. Für Edward war unsere Beziehung anscheinend auch nicht viel mehr gewesen als ein paar Küsse und auf mein verrücktspielendes Herz zu lauschen, obwohl ein Teil von mir sich sträubte, das zu akzeptieren. Ich war so unangenehm getroffen, dass ich fast vermutete, Jacob hätte mich vorhin mit Leah zusammen gesehen und wollte mich jetzt zur Rede stellen, aber er schien von meiner Unruhe nichts mitzubekommen, als er fortfuhr:
„Und jetzt sind wir alle hier und haben noch mehr miteinander zu tun, noch viel intensiveren Kontakt. Da muss ich mir irgendwas überlegen, was sie betrifft. Aber darüber wollte ich mit dir eigentlich gar nicht sprechen."
Jetzt schien er völlig aufgeregt und ich war eher verwirrt, aber wartete ab, das er weitersprach.
Was er dann tat traf mich bis ins Mark und ich schreckte augenblicklich zurück.
Er öffnete seine Hose.
„Jake" kreischte ich fast, totsicher dass ich nicht mehr sehen wollte.
„Ganz ruhig Bella" kicherte mein bester Freund, der offenbar den Verstand verloren hatte. „Das bleibt ganz jugendfrei, ich zeig dir nichts, was du nicht sehen willst."
„Das glaube ich kaum" knurrte ich zwischen den Zähnen, bedacht darauf ihn nicht anzusehen aber dennoch seine Hände fest zu halten. Doch er zog mühelos sein T-shirt über den Kopf und schien meine verzweifelten Versuche ihn aufzuhalten, gar nicht zu bemerken. Schließlich stand er nur noch in Boxershorts im Garten der Cullens, selbst die Schuhe hatte er ausgezogen. Es fing langsam zu dämmern an und ich stellte mir vor, wie kalt seine nackten Füße auf der bloßen Erde sein mussten.
„Jake, bitte" flehte ich matt. „Du erfrierst noch." Ich hätte nicht gedacht, dass die Situation noch absurder werden könnte, da hörte ich ein lautes Reißen und als ich meine Augen einen Spalt zu öffnen wagte, stand vor mir ein riesenhafter rostfarbener Wolf.
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(1) Vulnerability is a sign of strength: Bis(s) zum Sonnenaufgang (TWILIGHT-FF)
VampireBella hat genug und eröffnet im verwaisten Haus der Cullens ein Hotel für Touristen, um sich auf ihre Zukunft anstatt auf Edward, der sie verlassen hat, zu fokussieren. Doch viel zu schnell wird sie von ihrer Vergangenheit eingeholt. Was hat es mi...