8.2

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Die nächsten Tage fühlten sich leer an. Viel zu schnell rasten Gesichter, Stimmen oder Orte an mir vorbei. Ich nahm alles in einer Art Tunnelblick wahr. 

Dennoch war er immer mein Fokus. Er ist es, dem ich meine ganze Aufmerksamkeit schenke.

Nachdem mich seine Mutter angerufen hatte, war ich wie ein verrückter in ein Taxi gesprungen und bin so schnell ich konnte zu der Adresse gefahren, die sie mir geschickt hat.

Ok, stimmt nicht ganz. Ich saß nach dem Telefonat bestimmt ein paar Minuten regungslos da und starrte an die Wand. Ich musste meine Gedanken sortieren, doch ich konnte keinen so richtig greifen.

Georges Eltern hatten gleich zu Anfang seines Verschwindens die Polizei verständigt. Es handelt sich hier schließlich um ein spurlosen verschwundenen Mann. Doch die Polizei konnte nicht viel machen. Drei Tage haben die beiden bangen müssen, bevor die Polizei einen Suchbefehl durchgab. 

Aber alles erfolglos. 

Das haben mir die beiden am Telefon verschwiegen, um mich nicht zu sehr in Angst zu versetzen. Ich kann es ihnen nicht krumm nehmen. Ich hätte in der Situation bestimmt das Gleiche gemacht. 

Nun sind sie wohl endlich auf einer Spur gewesen und haben ihn schlussendlich endlich gefunden. 

Doch, unter welchen Umständen.

George hatte sich in einer Hütte, abseits jeglicher Zivilisation nieder gelassen. Kein Strom, kein fließendes Wasser. Die Polizisten haben nur wenige Vorräte gefunden. Ein paar Bücher lagen in der Ecke, eine Matte auf dem Boden, wo er wohl geschlafen hat und überall standen Kerzen.

Die Ermittlungen endeten damit, dass er sich zurückgezogen hat, um langsam aber sicher seinen Suizid vorzubereiten. Sie haben ein paar Tabletten bei seinen Sachen gefunden. Wenn er davon ein paar zu viel genommen hätte, wäre er nie wieder aufgewacht. Zum Glück haben die Polizisten ihn rechtzeitig gefunden. Je nachdem man das jetzt auch interpretieren möchte.

Doch nicht nur das haben sie gefunden.

Ein Buch hatte er als eine Art Tagebuch benutzt. Nachdem die Kommissare damit durch sind, haben sie es der Familie überlassen, was damit geschehen soll. Ich habe mich angeboten es zu lesen. Den beiden wollte ich, was auch immer er geschrieben hat, ersparen. 

Gut, dass ich das gemacht habe. Das Tagebuch reicht bis vor zwei Jahren zurück. Ab da hat er fast regelmäßig etwas geschrieben. Manche Seiten kann man gar nicht mehr richtig entziffern. Er hat anscheinend viel geweint beim Schreiben. Einige Seiten haben überall Wasserflecken. 

Depression.

Und davon eine sehr, sehr schlimme. George hat das bereits seit über zwei Jahren durchmachen müssen und keiner von uns hat irgendetwas bemerkt. 

Seit fünf Tagen liegt George nun schon im Koma. Die Polizisten hatten ihn schon so gefunden. Die Ärzte sagen, es hat etwas mit der Unterernährung und der Depression zu tun, dass sein Körper nun den Stecker gezogen hat und ihn in ein Koma versetzt hat. 

Doch ihn geht es soweit gut, wenn man das überhaupt sagen kann. Gut geht es ihm definitiv nicht, doch sein Körper ist langsam auf dem Stand, an dem er wieder stabil ist. 

Doch der richtige Horrortrip für George wird erst losgehen, wenn er wieder aufwacht. 

Seit fünf Tagen bin ich ihm nicht von der Seite gewichen. Ich habe mich gegen alle Ärzte und Schwestern gewehrt, die mir irgendetwas von Besuchszeit erzählen wollten. Irgendwann haben sie aufgegeben und mir sogar ein Kissen und eine Decke für die kleine Couch gebracht. 

DreamnotfoundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt