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Ich überlege jetzt schon seit mehreren Minuten, ob ich es einfach wage oder lieber wieder gehe. So langsam wird mir nämlich immer kälter und kälter, je länger ich hier stehe. Was mache ich nur? Viel Zeit habe ich auch nicht mehr, sonst werde ich wohl möglich noch entdeckt.

Es ist momentan kurz nach 2 Uhr nachts. Wenn ich mich nicht gleich entscheide, wird mir die Entscheidung entweder von jemand anderen abgenommen oder ich tapse wieder in mein Zimmer zurück.

Vielleicht ist es eine dumme Idee. Ich sollte wohl möglich einfach wieder ins Bett zurückgehen. Doch ich weiß jetzt schon, dass ich garantiert nicht schlafen werde. Ich würde die ganze Nacht lang wach daliegen und mir die Frage stellen werde: Was wäre wenn...

Also sammle ich noch mal meinen ganzen Mut zusammen und lege meine Hand auf die Türklinke. Langsam drücke ich sie nach unten und stoße vorsichtig die Tür auf. Im Zimmer ist es genauso stockdunkel wie auf dem Flur. 

Meine Augen hatten schon genug Zeit, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Deshalb husche ich einfach nur schnell ins Zimmer, schließe die Tür hinter mir geräuschlos und sehe mich um. 

Das Zimmer ist genau wie meines aufgebaut. Zwei große Fenster an einer Seite, mit Vorhängen davor, ein Bett an der linken Wand und auf der rechten ein Schreibtisch sowie eine Kommode. 

Jedes Zimmer hier im Wohnhaus ist eigentlich genauso aufgebaut, nur kann sich jeder sein eigenes Zimmer so einrichten, wie er es gern möchte. Es wundert mich aber wenig, dass er sein Zimmer auch so gelassen hat, wie ich meines. 

Wir sind beide ohnehin nicht oft hier, weshalb es sinnlos ist, sich so viele Gedanken um die Einrichtung zu machen. Beim Schlafen kann ich sowieso nicht sehen, wie mein Zimmer eingerichtet ist. 

Ich trete näher ans Bett heran, bin mir jedoch nicht so sicher, was ich jetzt machen soll. Er liegt ruhig da, sein Brustkorb hebt und senkt sich im Rhythmus. Sein Gesicht ist von mir weggedreht, weshalb ich leider sein Gesicht nicht sehen kann. 

Etwas unschlüssig stehe ich eine Weile einfach nur bewegungslos da. 

Kurz nachdem ich endlich meinen Mut wieder gefunden habe und mich dem Bett nun noch mehr genähert habe, bewegt er sich. Er wacht nicht auf, rutscht lediglich ein wenig hin und her, dreht sich auf die andere Seite und schaut nun in meine Richtung. Er schläft aber immer noch. 

Ich dachte schon, ich habe ihn geweckt, als ich mich bewegt habe. Doch nun höre ich wieder seinen gleichmäßigen Atem. Ich wage es also wieder und setze mich auf die Bettkante.

Sobald ich liege, versuche ich wieder zu atmen, denn ich merke erst jetzt, dass ich die gesamte Zeit meine Luft angehalten habe. Ich versuche mich ein wenig zu entspannen und eine bequeme Position zu finden. 

Allerdings bleibt noch das Problem, dass mir langsam echt verdammt noch mal kalt wird. Also rutsche ich ein wenig näher zu ihm. Er war schon immer derjenige von uns beiden, der mit Kälte besser umgehen konnte als ich. 

Ich möchte ihn nicht aufwecken, weshalb ich für jede Bewegung mehrere Sekunden brauche. Nach mehrmaligen Hin und Her habe ich endlich eine gute Postion gefunden und ich entspanne mich. Zumindest versuche ich es.

Sekunden werden zu Minuten, die Zeit vergeht. Langsam fallen mir meine Augen zu. Kurz bevor ich allerdings einschlafe, bewegt er sich erneut im Schlaf. 

Da ich leider mit meinem Gesicht von ihm weggedreht auf der Seite liege, kann ich nicht erkennen, ob er aufgewacht ist oder nicht. Doch als auf einmal die Decke auf mir landet und ich an der Hüfte nach hinten gezogen werde, denke ich schon, dass er wach ist.

"Was machst du denn hier, George?"

Dadurch das er gerade aufgewacht ist, klingt seine Stimme super tief und kratzig.  Ein leichter Schauer läuft mir den Rücken hinunter. Ich drehe meinen Kopf leicht nach hinten um ihn ansehen zu können.

Ich war allerdings nicht darauf gefasst, dass er mich mit dieser Bewegung noch näher zu sich zieht und ich jetzt praktisch auf ihn liege. Etwas erschrocken über diese plötzliche Aktion, schaue ich ihn an.

"Tut mir leid..."

"Was tut dir leid?"

Seine rechte Augenbraue hebt sich ein wenig, währenddessen er mein Gesicht mustert. Seines könnte ich mir stundenlang ansehen.

"Wir dürfen definitiv nicht nach um 10 Uhr  in ein anderes Zimmer gehen, doch ich konnte nicht schlafen."

"George, mir sind diese Regeln hier im Schulwohnheim egal. Gerade, wenn es um dich geht. Warum konntest du denn nicht schlafen?"

"Clay, die Regeln sind nicht umsonst hier. Wenn uns jemand erwischt, könnten wir beide von der Schule fliegen."

"Solange ich dich dann für immer im Arm halten kann, wenn wir schlafen, sollen sie mich herausschmeißen."

Ich senke langsam meinen Blick. Natürlich weiß ich ja, wie er so denkt. Doch ich fühle mich immer etwas schuldig, wenn er so etwas sagt. 

"Hey, schau mich an George."

Ich hebe also wieder meinen Blick und schaue ihn in die Augen. Er hat mittlerweile eine Hand an meine Wange gelegt und streicht mit seinen Daumen langsam darüber. 

"Warum kannst du nicht schlafen George?"

"Ich weiß auch nicht so richtig, ich schätze mal, du hast mir gefehlt. Heute war so ein stressiger Tag. Ich habe dich vermisst."

Seine Gesichtszüge werden weicher, als er dies hört. Ohne auch nur etwas darauf zu erwidern, zieht er mich an sich und drückt seine Lippen auf meine. Ich schmelze dahin.

"Wir machen uns in ein paar Stunden Gedanken darüber, was wir am besten gegen dieses Problem machen. Jetzt jedoch schlafen wir. Komm her."

Also kuschle ich mich näher an ihn heran, indem ich meinen Kopf auf seine Brust lege und meinen Arm um seine Mitte schlinge. Binnen Sekunden sind wir beide eingeschlafen, beide mit einem Lächeln im Gesicht.

Wir haben uns am ersten Tag im College kennengelernt. Seitdem waren wir unzertrennlich. Erst als beste Freunde, dann mehr als das. Nun sind wir schon seit knapp einem Jahr zusammen. Jedoch gibt es an unserem Wohnheim keine Doppelzimmer, weshalb wir beide immer wieder die Strafe von der Schule, beziehungsweise aus dem Wohnheim geschmissen zu werden, auf uns nehmen. 

Doch wir würden dieses Risiko auf uns nehmen. Für uns. Dafür, mit den anderen zusammen zu sein. Auch, wenn es nur ein paar Stunden in der Nacht sind.


Ende

DreamnotfoundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt