Dreamnotfound

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Einerseits höre ich ihn durch mein Handy, auf dem ich seinen Stream laufen habe, andererseits höre ich ihn aber auch aus dem anderen Zimmer rufen und lachen. Sein Stream hat vor zwei Stunden gestartet und ich weiß genau, dass er in ein paar Minuten enden wird. 

Wir leben mittlerweile seit über drei Jahren zusammen, weshalb ich seine Gewohnheiten und seine Routinen verinnerlicht habe. Klar hatte ich das auch schon bevor wir zusammen gekommen sind und zusammen wohnen, doch das muss er nicht wissen. 

Allerdings kann er sich auf eines immer verlassen und das ist, wenn er mit seinem Stream fertig ist, er zu mir kommen und sich ausruhen kann. Ich lege meine Termine üblicherweise so, dass ich nach einem Stream von George frei bin und mich so ganz auf ihn konzentrieren kann. 

Außerdem möchte ich gern, dass er weiß, dass ich immer für ihn da bin, falls er mich braucht. Auch wenn das bedeutet, dass er mich mitten in seinen Stream, auf den Handy anruft. Niemand außer unseren Freunden weiß, dass wir einerseits zusammen sind und auch zusammen wohnen. Das soll auch so bleiben. 

Also stehe ich auf, laufe schnell in mein Aufnahmezimmer, welches weiter von Georges Raum entfernt ist, als unser Schlafzimmer, in den ich mich gerade aufgehalten habe. Auch wenn die Wände einigermaßen dick sind und man nicht zu viel durchhört, möchte ich nicht riskieren, dass man etwas hört. 

Sobald ich an meinen Schreibtisch sitze, öffne ich den Stream auf meinen PC. Ich stelle ihn allerdings stumm und nehme den Anruf entgegen. 

"Hallo?"

"Dream!"

Es ist irgendwie schon ein wenig komisch, ihn immer wieder meinen anderen Namen rufen zu hören, dennoch mag ich die Art und Weise wie er ihn ausspricht. Wenn wir beide zusammen allein sind oder mit unseren Freunden oder der Familie reden, dann nennt er mich bei meinem Vornamen. Clay.

"Was gibt's?"

"Ich brauche nur schnell mal deine Hilfe. Du musst auf den Server kommen und mich retten. Meine Sachen despawnen sonst."

George in einem Video oder im Stream ist immer ganz anders als in RL. Hier ist er immer so laut und aufgesetzt lustig. Eben voll der Profi-Entertainer. Doch dann ist er wiederum so ruhig und ausgeglichen, wenn er nicht vor einer Kamera sitzt.

"Du weißt, dass das gegen die Regeln ist. Da hast du eben Pech und musst dir deine Sachen selbst zurückholen."

Ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. Natürlich würde ich ihn gern helfen, doch nur weil ich sein Freund bin, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn bevorzugt behandle. Besonders nicht, wenn es um den DSMP Server geht.

"Ach Dreeeeaaaaammmmm. Bitte!!!!!!!"

Ich weiß, dass es ihn extrem viel Selbstbewusstsein gekostet hat, mich darum überhaupt zu bitten, vor allem im Stream, doch was kann ich schon machen. Wenn ich es jetzt einmal mache, dann kommen alle irgendwann an und wollen etwas extra haben. Auch bei der Liebe meines Lebens kann ich da keine Ausnahme machen. 

"George, Nein. Das geht nicht und das weißt du auch. Außerdem ist das cheaten und du bist kein Cheater."

Das hat gesessen. Ich schaue wieder auf den Monitor vor mir und sehe die Fassade von George ein wenig bröckeln. Das wollte ich nun auch wieder nicht, er soll sich jetzt nicht schlecht fühlen. 

Natürlich weiß er, dass wenn es Offline passiert wäre,  ich nicht einmal mit der Wimper zucken würde. Ich würde ihn den Wunsch erfüllen. Doch er hat über 200K Menschen im Chat,  die diese Situation gerade miterleben. 

Ich lege meinen Kopf in den Nacken und seufze einmal geräuschlos. Nach seinem Stream werde ich mir etwas überlegen müssen und das wieder in Ordnung bringen. Ich kann ihn einfach nicht so leiden lassen. Nicht nur, weil ich mit ihm zusammen bin und ihn liebe. Er ist einfach so niedlich.

Ich richte meinen Blick wieder auf den Bildschirm. Noch immer schaut ein verschlafener George mich durch die Kamera bei seinem Stream an. Er weiß genau, dass ich seinen Stream verfolge, weshalb er auch genau weiß, dass er mich nur einmal mit einem Hundeblick anschauen muss und ich liege ihm zu Füßen.

"George."

Ich versuche ihm durch meine Stimmlage eine versteckte Botschaft zu senden, ohne dass der Chat mitbekommt, welche Unterhaltung wir hier eigentlich gerade führen. Ich hoffe, dass er meine Nachricht versteht und das Thema auf sich beruhen lässt. Es gibt nichts, was ich jetzt machen kann.

"Ok, ok. Ich höre schon auf zu betteln. Haha, ich werde jetzt meinen Stream beenden Chat."

Damit schließt er, ohne noch einmal auf seinen Monitor zu schauen, das Spiel und widmet sich seinen Chat. Keine fünf Minuten später wird der Stream schwarz und auch ich schließe das Fenster von Twitch.

Ich überlege Hin und Her wie ich ihm jetzt gegenüber treten soll. Ob ich lieber zu ihm gehe und versuche die Sache zu klären? Vielleicht lasse ich ihn aber auch einfach für heute in Ruhe. Es kann sein das er sauer auf mich ist.

Tief in meinen Gedanken versunken, bekomme ich es nicht mit wie sich meine Zimmertür öffnet. Erst als mir jemand eine Hand in den Nacken legt, schrecke ich nach oben. Mein Blick gleitet sofort zu George. 

Ich starre ihn für mehrere Sekunden einfach nur an, studiere sein Gesicht. Doch ich kann nirgendwo Ärger oder etwas Ähnliches entdecken. Also ist er nicht sauer auf mich? 

"Kommst du nun ins Bett oder möchtest du mich weiterhin anstarren?"

Langsam realisiere ich die Situation. Er ist nicht sauer, macht sich keine großartigen Gedanken über die ganze Sache. Wir hatten schon oft solche Diskussionen, in denen ich gedacht habe, er wäre wegen irgendetwas sauer was ich in seinem Stream gemacht oder eben nicht gemacht habe.

Doch er ist es nicht. Es ist doch nur Show für die Leute im Stream, hatte er gesagt. Danach ging es mir besser, dennoch erwische ich mich immer noch dabei, wie ich zu viel in manche Situationen hinein interpretiere.

Ich habe mir also wieder zu viele Gedanken um nichts gemacht. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht als ich George aus meinem Arbeitszimmer in unser Schlafzimmer folge. 

Ich sollte die Zeit, in der ich Panik schiebe und mir wieder zu viele Gedanken um nichts mache, lieber in meinen Freund investieren. 

Ende