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Ich brauche...

Luft!

Sauerstoff!


Ich kann...

Ich kann nicht...

Atmen!


Mit meinen zittrigen Händen öffne ich die beiden Flügeltüren, die nach draußen auf die Terrasse führen. Fast wäre ich auch noch über die Schwelle gestolpert und hätte eine nicht ganz so grazile Landung auf den harten Steinplatten hingelegt, wenn ich mich nicht noch in letzter Sekunde an dem Türrahmen abgestützt hätte.

Ich laufe ein paar Schritte auf meinen nackten Füßen über den Stein, ehe meine Füße das feuchte kühle Gras berühren. Ohne groß darüber nachzudenken, lasse ich mich schwer atmend einfach fallen. 

Meine Hose wird später definitiv Grasflecken vorweisen können, doch das ist mir gerade egal. Immer noch ringe ich wie ein Ertrinkender nach Luft. Mir fällt die Übung ein, die mein Therapeut mir gezeigt hat. Also knie ich mich hin und mache mich klein, die Stirn dabei an meine Knie gepresst. Meine Arme habe ich um meinen Oberkörper geschlungen. 

Es sieht aus wie eine billige Yoga-Pose und ich habe mich auch erst richtig verarscht gefühlt, als mein Therapeut mir davon erzählt hat. Doch nachdem es bei der nächsten Panikattacke einfach mal ausprobiert habe, war ich überzeugt. Das ist die einzige Pose, die mir hilft, meine Atmung wenigstens etwas unter Kontrolle zu bekommen. 

Natürlich kann man diese Pose auch mit den Armen nach vorn oder seitlich am Körper ausgestreckt ausüben, doch für mich hat sich herausgestellt, dass ich meine Arme um meinem Oberkörper brauche. So habe ich nicht das Gefühl zu zerbrechen. 

Langsam spüre ich auch, wie meine Lungen wieder etwas Sauerstoff bekommen. Meine Atmung wird immer ruhiger und flacher. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist. Jegliches Zeitgefühl ist verloren. Da es auch schon spät am Abend und die Sonne sowieso längst untergegangen ist, kann ich nicht einmal sie als Anzeige nehmen.

Doch selbst wenn, kann ich diese Sonnentheorie jetzt nicht nachprüfen, da meine Augen immer noch fest geschlossen sind. Ich weiß aus Erfahrung, dass wenn ich meine Augen jetzt öffnen würde, mir nur schlecht wird und ich mich übergeben muss. Also lasse ich es und konzentriere mich lieber wieder auf meine Atmung. 

Die Zeit vergeht und ich habe mich fast wieder vollständig beruhigt. Allerdings traue ich mich noch nicht, wieder aus meiner sicheren Position herauszukommen. Ich hoffe einfach nur, dass keiner im Haus etwas von meinem kleinen Aussetzer mitbekommen hat. 

Das wäre so mit Abstand das peinlichste und unangenehmste was passieren kann. Nun lebe ich schon seit ein paar Wochen in Amerika. Ich bin endlich zu Dream und Sapnap gezogen. Beziehungsweise kann ich sie ja jetzt Clay und Nick nennen. Allerdings klingt das in meinen Ohren irgendwie falsch. So richtig habe ich mich noch nicht daran gewöhnt. Ich bezweifle auch, dass ich mich das jemals werde. 

Bisher hatte ich auch echt Glück und konnte meine Panikattacken verschweigen und verstecken. Keiner von den beiden weiß davon. Es ist nicht so, dass ich den beiden nicht vertraue, aber ich schäme mich einfach zu sehr diese Schwäche von mir preiszugeben. Angesichts dessen habe ich es den beiden verschwiegen. Nicht gerade die beste Entscheidung, da ich weiß, dass die beiden sich nicht über mich lustig machen würden. Mein eigener blöder Kopf lässt es aber einfach nicht zu.

Hier in Amerika hatte ich bis jetzt noch keine gehabt, was sich natürlich mit dem heutigen Abend ändert. Ich wusste ja von Anfang an, dass ich es nicht mehr lange vor den beiden verstecken kann, doch eigentlich habe ich mir das so vorgestellt, dass ich den beiden die Sache in einem ruhigen Moment erzähle. Nicht das sie es am eigenen Leid erfahren müssen. Aber vielleicht habe ich Glück und keiner von beiden hat irgendetwas bemerkt. 

DreamnotfoundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt