Kapitel 26 -Im Nest der verlogenen Dreistigkeit

140 18 8
                                    

Chris und Tina schritten weiterhin durch die Menge. Sie positionierten sich an einigen Stellen, hielten dort kurz inne und ließen die Blicke schweifen, während sie sich leise untereinander unterhielten, um zumindest den Eindruck zu wecken, dass sie nicht nur verloren hier herumzustehen. Die beiden achteten darauf, dass die verstecke Kamera stets einen guten Blick über das Geschehen erhaschte und somit Gavin und Nines selbst sich ein Bild von all den Gästen machen konnten.

Die Bilder der Kamera wurden direkt auf Gavins Tablet übertragen sowie geradewegs an Nines Systeminterface übermittelt. Reed schlürfte nebenbei durch ein Röhrchen seine Cola, die er sich bei einem Schnellimbiss mitgenommen hatte.

„Sieh mal!", machte er auf sich Aufmerksam. „Das da vorne ist Adrian Wolf."

Nines nickte zur Bestätigung, denn auch er hatte ihn bereits erfasst. Er erstellte beiläufig eine Liste der Gäste, glich die Namen mit dem Profiler der Gesichtserkennung ab sowie der originalen Gästeliste und fertigte daraus eine eigene an.

„Mit wem unterhält er sich da?", wollte Reed wissen.

„Das ist der Aktionär. Antonio Dominguez", teilte sein Partner ihm mit.

Gavin ließ sein Augenmerk akribisch über jeden Gast wandern. Er versuchte jeden einzelnen herauszufiltern, Merkmale ausfindig zu machen und hielt Ausschau nach verdächtigen Aktivitäten. Es war schwierig lediglich über den Tabletscreen alles zu erfassen und stellte eine ziemliche Einschränkung dar, die Reed nervte. Er wäre liebend gerne selbst dort drin, um sich ein eigenes, konkreteres Bild machen zu können. Des Weiteren versuchte er den Gesprächen zu lauschen, die Tina und Chris über die installierte Wanze aufschnappten. Bisher gab es jedoch nichts Außergewöhnliches. Lediglich die obligatorischen Gespräche über Belanglosigkeiten und erfundener Komplimente oder vorgespieltem Interesse. Tatsächlich unterhielten sich die Mehrheit über die unterschiedlichen Autos. Es wurde ausgiebig über die Geschmäcker diskutiert, Interessen und Daten über die fahrbaren Untersätze ausgetauscht und geprahlt, denn für derartige Gesellschaft waren diese teuren Schlitten kaum Luxusgut, sondern fast schon ein alltägliches Steckenpferd, wodurch etliche eine beachtliche Sammlung in der Garage hatte. Gavin könnte sich nicht mal einer dieser Wagen leisten und die Gäste dort drinnen prahlten damit, dass sie sieben solcher Autos ihr Eigen nannten. Es war zum Kotzen!

„Tja, sowas nennt man dann wohl Schwanzvergleich unter den Reichen. Da zählt nicht wer die dicksten Eier in der Hose hat, sondern den dicksten Geldbeutel und die meisten Autos in der Garage. Hauptsache teuer, selten und viel PS", kommentierte Gavin verdrossen und angeekelt.

„Na ja, bei deinem Ego habe ich auch gelegentlich das Gefühl, dass es lediglich zur Kompensierung von etwas da ist", konnte sich Nines nicht verkneifen.

Gavin schnalzte mit der Zunge und ließ den Kopf zur Seite fallen, um rüber zu dem Androiden zu sehen.

„Ich kompensiere damit gar nichts, Nines. Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass manche Menschen so sind, wie sie sind, ok? Ich bin nun mal so. Ich muss nichts austarieren, weil es mir am Arsch vorbei geht. Ich mag wie ich bin und ich mag mein Leben so wie es jetzt ist", stellte Gavin genervt klar. „Ich habe Zeitlang versucht soziale Kontakte zu pflegen und mich der Gesellschaft zu nähern. Überraschung! – Es war kein Erfolg und seitdem ich nicht mehr versuche es irgendwem recht zu machen, bin ich ein freier und unbeschwerter Mann."

„Dafür, dass du ein freier, unbeschwerter Mann bist, bist du ziemlich oft miesgelaunt und du schläfst offenkundig nicht sehr viel, wie anhand der Augenringe, dem Koffein-, Zucker- sowie Nikotin-Konsum zu erörtern ist", konstatierte der Android.

„Astreine Deduktion, Sherlock!", stieß Gavin sarkastisch aus über Nines vermeintlichen Scharfsinn. „Und weshalb ist das so? Weil ein kleines, nerviges Plastikarschloch, dass sich mein Partner schimpft, mir ständig mit irgendwelchen Lappalien und Unsinnigkeiten in den Ohren liegt und mir damit auf den Sack gehen muss! Hör auf in Dinge etwas hineinzuinterpretieren, wo nichts ist!"

Reed900: What it meant to be Human || A Detroit: Become Human StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt