Kapitel 13 - Poetische Naivität gegen harte Realität

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Nines und Gavin betraten den Eden Club. Die dezente, lilafarbene Neonbeleuchtung wirkte edel und atmosphärisch, ebenso wie die Musikuntermalung, die keineswegs zu penetrant auftrug. Gavin lief zielstrebig voran. Er folgte stupide dem langen Eingangsbereich und sah nicht einmal nach rechts oder links, während Nines sich durchaus ein wenig umsah.

Den Eden Club hatte es schon vor der Revolution gegeben und selbst jetzt hatte sich hier nicht allzu viel verändert. Es war noch immer ein Sexclub, in dem ausschließlich Androiden arbeiteten. Die wenigen Unterschiede waren, dass es keine säulenartigen Glaskästen mehr gab, in denen die Androiden wie Schaufensterpuppen präsentiert wurden und, dass es nicht nur menschliche Kunden gab, sondern von nun an auch Androiden als Kunden den Club besuchen konnten und durften.

Die verschiedensten Modelle räkelten sich stattdessen an Stangen, saßen auf Garnituren oder tanzten auf einem Podest, allesamt in knapper Bekleidung. Manche standen einfach am Rand und unterhielten sich untereinander. Eine Androidin kam gerade aus einem der Räume. Ihr ganzer Körper war bemalt mit bunten und strahlend leuchtenden Neonfarben, die im Schein der Beleuchtung noch greller zu schimmern schienen. Sie warf einen kecken Blick rüber zu Nines, weswegen er schnell den Blick abwandte und stur auf Gavins Rücken stierte.

Der Android fühlte sich nicht sonderlich wohl hier und ihm war schleierhaft wie irgendjemand derartige Etablissements nutzten konnte, um Spaß und Befriedigung zu haben. Für Nines wirkte das befremdlich und grotesk. Ihm war bewusst, dass Liebe oftmals nicht so romantisch war wie es Poeten, Filme oder Geschichten beschrieben, aber letztendlich sollte und konnte sie dennoch etwas ganz Besonderes sein. Sie sollte etwas völlig Persönliches darstellen, eine Form des eigenen Glücks und nicht runtergebrochen werden auf simple Lust, Triebe, Befriedigung und stumpfes Begehren. Für ihn wirkte es falsch und folglich waren ihm die Beweggründe nicht klar oder ersichtlich, warum jemand ein solches Etablissement aufsuchen sollte. Möglicherweise dachte er auch nur so, weil er jene Triebe nicht besaß.

Vermutlich verhielt es sich dahingehend wie mit dem Alkohol, Drogen oder Nikotin. Alles war mit der Psyche verankert und war das Resultat oder die Konsequenzen jenem Gemüt. Womöglich hatte Gavin also recht, mit dem, was er letztens zu ihm gesagt hatte, nämlich, dass Nines derzeit lediglich die poetischen Bedeutungen von Empfindsamkeit kannte, eben jene Definitionen in seiner Datenbank, doch in der Realität sah alles wesentlich schwärzer aus. Emotionen bestimmten das Leben sowie das Handeln und waren häufig nun mal keine rosaroten Glücksgefühle. Sehr häufig sogar war alles fernab von Sinn und Verstand.

Unweigerlich schoss ihm V in den Kopf, die einst im Eden Club gearbeitet hatte und sich davon abgesagt hatte. Sie war ihren persönlichen Weg gegangen. Nines hatte bei ihr stets das Gefühl, dass sie, obwohl ihr einige Sensorik für Feingefühl fehlte, mehr Ahnung von Emotionen hatte als er.

Sein Blick heftete sich erneut an Gavins Rücken. Ihn erstaunte die Tatsache, dass Detective Reed völlig desinteressiert durch den Club lief und nicht einmal einen Seitenblick riskierte. Ihn schien das alles hier völlig kalt zu lassen oder er konnte einfach nur sehr beherrscht sein und eine astreine, unberührte Mimik wahren. Dies schloss Nines allerdings aus, denn einen Androiden – erst recht einen Androiden mit derartigen Features – führte man nicht so leicht hinters Licht. Gavins Herzschlag und seine Körpertemperatur sprachen dafür, dass es den Detective wirklich reichlich wenig kümmerte.

Sie erreichten den Hauptraum. Auch hier wirkte weiterhin alles plastisch und zugleich rational, zumindest für Nines.

„Guten Tag", begrüßte Gavin den Mann, der zusammen mit einer Empfangsdame hinter dem Tresen stand und sich den beiden Detectives zuwandte.

„Guten Tag, die werten Herren", gab er freundlich zurück. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein? Wir haben derzeit einige neue Dienstleistungen im Programm, wenn ich Ihnen daher einen Blick auf unsere Preis- und Themenliste anbieten dürfte? Wir haben zwei neue Sachen im Programm, die recht beliebt sind, den Eden-Spezial, ganz nach Adam und Eva im Paradies oder den Color-Flash, besonders für Kunstliebhaber ein Abenteuer wert."

Reed900: What it meant to be Human || A Detroit: Become Human StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt