Reed900: What it meant to be Human || A Detroit: Become Human Story

Kapitel 33 - Ein (un)beschwerter Abend

Tina Chen taxierte die beiden Detectives seitdem sie heute Morgen das DPD betreten hatten. Ihr war nicht entgangen, dass Nines niedergeschlagen wirkte und Gavin noch emotionsloser war als üblich. Seine Augenringe waren selbst auf große Distanz ersichtlich und seine Aura versprühte eine unheilvolle Atmosphäre.

Des Weiteren war ihr aufgefallen, dass die beiden bisher kaum ein Wort gewechselt hatten. Sie saßen an Gavins Schreibtisch, wühlten sich durch Akten, Unterlagen und Datenbanken, während eine beunruhigende Apathie sie umgarnte. Es war eine Qual für Tina das mitanzusehen. Sie war erfreut gewesen, zu sehen, wie gut die beiden miteinander auskamen und sich als Team etablierten, doch derzeit war nichts davon mehr übrig und das stimmte sie nicht nur traurig, sondern besorgte sie.

Wenn man über eine gute Auffassung verfügte, war ersichtlich, dass beiden eine gepeinigte Ausstrahlung innewohnte, die wiederum Tina Chen nicht ignorieren konnte. Andere Kollegen mochten locker darüber hinwegsehen, sie jedoch nicht. Als Freundin war sie selbstverständlich von diesen Zuständen betroffen und konnte nicht ihre Augen davor verschließen. Sie musste irgendetwas dagegen unternehmen, am besten auf eine weniger subtile Weise. Gerade bei Gavin musste man ihn oft zu seinem Glück zwingen, da feinfühlige Vernunft und Appell meistens nicht ausreichten.

Länger untätig dieses Trauerspiel betrachten und es seinen Lauf lassen, konnte Tina nicht verantworten.

Zielstrebig ging die Polizistin auf die beiden zu, entriss Reed eine Akte, worüber er sich lautstark beschwerte, klappte sie zu und legte sie auf dem Schreibtisch ab.

„Ihr habt für diese Woche genug Überstunden gemacht. Außerdem ist Wochenende. Ihr solltet euch eine Auszeit gönnen", sagte sie bestimmt und erntete zunächst verwunderte Blicke.

„Das hier ist wichtig und kann nicht warten", argumentierte Gavin mit dezenter Empörung über Officer Chens Gelassenheit. „Unsere Blechdose hier hat endlich die Analyse beendet. Wir müssen die weiteren Orts- und Straßennamen mit den Akten und Einträgen vergleichen, um eventuell endlich dieses Labor zu lokalisieren, das Estefano erwähnte. Das Labor könnte der Beweis sein, den wir brauchen, um die Elster endlich bei den Eiern zu packen!"

„Schön und gut, aber nicht heute", blieb Tina stur und bedachte die Detectives mit einem tadelnden Blick.

Sie ließ nicht mit sich diskutieren, das machte sie unmissverständlich mit ihrer Haltung und ihrem Minenspiel klar. Nines war überrascht, dass Tina sich so beharrlich durchsetzen konnte und in der Lage war einen herrischen Ton anzuschlagen. Aufgrund ihres freundlichen Gemüts, ihrem üblichen, zartbesaiteten Auftreten und der allgemeinen Schüchternheit, traf es Nines unerwartet, dass Tina Chen auch gänzlich andere Seiten anschlagen konnte.

„Eben nicht! Es kann nicht bis morgen warten! Je eher wir der Elster endlich die Flügel stutzen desto besser. Ich bin es leid mir von Dominguez auf der Nase herumtanzen und mich von ihm verpönen zu lassen, nur weil wir nichts gegen ihn in der Hand haben!", ereiferte sich Reed protestierend.

Tina blieb standhaft. Ihre Mimik sprach Bände von der Unerschütterlichkeit. „Ja, aber manchmal brauch man auch eine Pause und du benötigst ganz dringend eine. Sieh dich an, Gavin! Deine Augenringe sind tiefer als ein Mondkrater."

„Papperlapapp!", stritt er ab.

Officer Chen verschränkte resolut die Arme und sah ihn mahnend an. „Wenn du nicht willst, dass ich Fowler darüber informiere, der dich anschließend für ein paar Tage suspendieren wird, dann hör auf so unerträglich stur zu sein und mach eine Pause. Du weißt wie gefährlich sowas in unserem Job sein kann."

Gavin knirschte verstimmt mit den Zähnen, während Nines der Diskussion beiwohnte und schweigend Tina Hochachtung zollte. Es ergab ein verblüffendes Bild wie die normalerweise gutmütige Polizistin so renitent den eisenharten Gavin Reed rügte und sich gegen ihn durchsetzte.