Kapitel 41 - Die Einprägsamkeit negativer Empfindungen

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„Faith?", fragte Nines vorsichtig in den Raum als er die geöffnete Wohnungstür sah.

Langsam trat er ein. Alles war verdächtig still – viel zu still. Er hatte kein gutes Gefühl dabei. Seine gelbe LED hinterließ einen unheimlichen Schein in den dunklen Räumlichkeiten, deren Umrisse lediglich schwach von den Stadtbeleuchtungen, die durch die Fenster nach drinnen schienen, erhellt wurden.

Etwas knirschte unter den Fußsohlen des Androiden. Nines sah hinab und entdeckte ein paar Porzellansplitter einer Vase. Die Kunstblume lag direkt daneben. Er richtete seinen Blick wieder geradeaus und lauschte aufmerksam.

Ein blaues Aufleuchten direkt in seinem Blickfeld, ließ ihn herumwirbeln. Faith stand unmittelbar und urplötzlich vor ihm. Ihre Mimik war unberührt und eisern, was Nines irritierte.

„Faith wa-?", setzte er an, als sie bereits mit der Hand hervorschnellte und sich ihre Finger um seinen Hals legten.

Er taumelte und stieß mit dem Rücken an die Wand. Faith nagelte ihn dort fest. Nines spürte, wie sie versuchte in sein System einzudringen. Er setzte sich mit aller Kraft zur Wehr, um es zu verhindern.

„W-was tust du? W-wieso...?", brachte der Detective-Assistent angestrengt heraus.

„Tut mir leid, Nines. Ich musste dich herlocken. Du bist Teil meines Plans", sagte sie entschuldigend und sie klang wirklich ein wenig gequält.

Sie versuchte weiterhin gewaltsam in sein System einzubrechen. Die Firewall und Sicherheitsprotokolle im inneren seines Systems erklangen in lauten Warnsignalen. Noch konnte die Firewall sie aufhalten, aber ihm war bewusst, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie durchbrach. Sie war unheimlich stark.

„Ich wünschte es wäre anders gelaufen und ich hätte es etwas weniger rabiat machen müssen, aber ich schätze du ließest mir keine andere Wahl. Du hättest meinen Plan niemals unterstützt und verstanden, denn das hast du mir deutlich damit gemacht, als ich sah wie viel dir an deinem menschlichen Partner liegt", sagte sie in einem schwermütigen und wehleidigen Ton, der zumindest von der Aufrichtigkeit ihrer Worte zeugte. „Je weniger du dich wehrst, desto schneller wäre es vorbei. Versuch es erst gar nicht, Nines, andernfalls riskierst du eventuell irreperable Schäden an deinem System."

„W-was für ein Plan?", verlangte Nines eine Erklärung und beobachtete kritisch den rapiden Abfall der Firewall-Stabilität. Sein System warnte vor dem kritischen Zugriff und seine Systemleistung spielte bereits verrückt.

„Entspann dich, Nines", flüsterte sie.

„Tu das nicht, Faith...", bat er.

Seine Firewall war am Rande ihrer Grenze und kurz vor dem Zusammenbruch. Sie konnte nicht länger Standhalten. Seine Sicht flirrte und sein System driftete beständig in den kritischen Bereich ab. Für einen Augenblick verfiel er in eine Schwärze und als er die Augen wieder öffnete, stand er im Zen-Garden. Sein Bewusstsein hatte sich dorthin zurückgezogen, doch die Instabilität und die kritischen Fehler seines Systems erreichten ihn selbst dort. Faith war längst in sein System eingedrungen.

„Ein Garten?", hörte er ihre Stimme.

Nines wirbelte erschrocken herum. Lässig paradierte sie entlang der Brücke, die über den Teich führte, und ließ ihren Blick mit Anmut und Faszination schweifen. Sie streckte die Finger aus und berührte die rosafarbenen Blätter eines Baumes, ehe sie direkt vor Nines hielt. „Wirklich schön hast du es hier. Ein toller Ort für die grafische Oberfläche des Interfaces", gestand sie lächelnd.

Nines sah sie düster an. Vor seinem inneren Auge blinkte unaufhörlich die Warnung, die ihm das fremde Eindringen eines unbekannten Systems vermittelte.

Reed900: What it meant to be Human || A Detroit: Become Human StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt