Kapitel 43 -Der Sprung über den Schatten

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Nervös tippte Gavin mit dem Finger auf seinem Schreibtisch herum und hielt in der anderen Hand einen Kaffeebecher fest umklammert. Nicht mal die braune Wunderbrühe beruhigte derzeit sein zerstreutes und aufgekratztes Gemüt.

Sein Partner lag unverändert und weiterhin reglos im CyberLife-Hauptquartier, von Faith fehlte momentan jede Spur und Markus stand unter kontinuierlicher Beobachtung. Die Lage war in allen Belangen äußerst angespannt, und Reed hasste Ungewissheit. Es war überhaupt nicht mit seinen Präferenzen vereinbar, wenn er auf etwas keinerlei Einfluss ausüben konnte.

Er konnte weder aktiv gegen den Zustand von Nines etwas tun noch Faith aufspüren, denn in beiden Fällen blieb ihm nichts als geduldig abzuwarten. Geduld war jedoch nie einer seiner Stärken gewesen. Es machte in kirre zu wissen, dass er nur untätig rumsitzen und hoffen konnte bis Nines aufwachte oder Faith sich mal wieder blicken ließ.

Seine aktuelle Nervosität rührte allerdings nicht alleinig von der Ungewissheit, sondern auch, weil ein unweigerliches Zusammentreffen mit jemandem kurz bevorstand. Er hatte sich schon viel zu lange davor gedrückt, dessen war er sich selbst bewusst. Demnach war es nun deutlich an der Zeit, diese Sache ein für alle Mal vernünftig abzuschließen. Er war es ihm schuldig.

Ein leidiges Seufzen verließ seine Kehle. Für gewöhnlich war er nie um Worte oder um eine Konfrontation verlegen, aber in diesem speziellen Fall bereitete es ihm ziemliches Unbehagen.

„Detective Reed", vernahm er die altbekannte, formelle Höflichkeit eines gewissen Androiden.

Gavin schmunzelte selbstspöttisch, als ihm bewusstwurde, dass es nun kein Zurück mehr gab. Ein Ausweichen der Konfrontation, die ohnehin längst überfällig war, war nicht mehr abzuwenden.

„Connor", entgegnete er dem RK800, als er sich in seinem Schreibtischstuhl drehte und dem Android ins Gesicht sah.

Kurz drifteten Reeds Mundwinkel ab in ein zynisches Grinsen, als er sah, wie unverschämt gut der Android in seiner neuen Uniform aussah. Er sah aus wie geleckt, so wie immer. Er strahlte eine unfassbar autoritäre Präsenz aus. Gekleidet war er in einem weißen Hemd, dazu eine schwarzen Krawatte in matt und glänzender Schachbrettoptik und eine dunkelblaue Jacke, die von Schnittform und Länge eher als eine Kreuzung zwischen Frack und Jackett zu betiteln war. Abgerundet wurde sein Auftreten von den verspielten Akzenten aus schwarz und der leuchtenden Umrandung aus Neonblau.

Gavin räusperte sich, um schnell jegliche aufkommenden Gedanken und Emotionen zu verdrängen, die sich unvorteilhaft auf den Verlauf des Gesprächs auswirken könnten.

„Es tut mir leid", kam Connor zuvor, weswegen der Detective für einen Augenblick irritiert war. „Ich habe von der Sache gehört, was mit Ihrem Partner passiert ist. Ich hoffe Nines ist so weit wohlauf und wird bald zurückkommen."

Gavin winkte ab. „Ach so, ja das... Danke. Nines ist stark. Ich bin sicher der packt das schon."

Connor hob eine Augenbraue. Es war neu und daher vollkommend ungewohnt für ihn den sturen Gavin Reed so ruhig, freundlich und einsichtig zu sehen. Noch dazu hatte er nie zuvor das Wort "Danke" aus seinem Mund gehört.

„Wenn ich Ihnen also bei irgendetwas behilflich sein kann, dann zögen Sie nicht mich zu fragen", eröffnete Connor.

Gavin schlug die Faust in die eigene Handfläche und rieb darüber. Er war stets so wortgewandt, aber gerade war er von Unsicherheit überwuchert. Die Worte kamen ihm nur äußerst schwer über die Lippen.

„Also was das angeht...", begann der Detective bemüht, „gibt es da durchaus noch eine Bitte, die ich an dich habe."

„Natürlich, Detective. Ich bin ganz Ohr", versicherte Connor und versuchte damit Reed zu ermutigen, weiterzusprechen.

Reed900: What it meant to be Human || A Detroit: Become Human StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt