24. Zukunftspläne

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Leise schloss Tjurin die Tür der Dienstbotenkammer hinter sich. Nach dem erfolgreichen Experiment seiner Lehrerin hatte er das Bedürfnis verspürt zu feiern. Wie erwartet war das blonde Mädchen mit der Zahnlücke sehr leicht zu gewinnen gewesen. Er hatte nicht einmal seine Kräuter bemühen müssen. Der Pöbel war eben recht animalisch in seinen Bedürfnissen.
Natürlich verspürte Tjurin keinerlei Interesse daran eine Unterhaltung mit seiner "Eroberung" zu führen, nun da er erhalten hatte, was er begehrte. Nichts war langweiliger als sich die naiven Zukunftsträume anzuhören zu denen derartig junge Frauen neigten, wenn man eine erfüllte Nacht mit ihnen gehabt hatte.
Erfüllt war die Nacht in der Tat gewesen und Tjurin war für die geringen Anstrengungen, die nötig gewesen waren, um die Blonde für sich zu gewinnen, zufriedenstellend entlohnt worden. Während er zurück in Richtung Kaserne schlich, kehrten seine Gedanken immer wieder zu dem Experiment seiner Lehrerin zurück. In der Tat erschlossen sich aufregende Möglichkeiten durch das, was sie erfahren hatte. Die Magierin Trianna plante nun sich nach besserem Material um zu sehen, welches ihr dabei helfen konnte die Aufzeichnungen Durzas zu übersetzen. Natürlich verließ sie sich dabei auf Tjurins finanzielle Unterstützung. Dieser Unterstützung konnte sie sich Trianna gewiss sein. Das hatte der junge Adelige seiner Lehrerin überzeugend versichert. Schließlich war es auch in seinem Interesse, das sie mehr erfuhr. Außerdem hoffte er, dass seine "Meisterin" ihn mit dem Erwerb dieses Materials beauftragen würde. Die Aussichten, dass dies der Fall sein würde standen recht gut. Es schien dieser Trianna zu gefallen Befehle zu erteilen. Tjurin ließ ihr das Vergnügen. Im Augenblick brauchte er sie und sie zu verärgern wäre unklug.
Soll sie also ruhig ihn mit dem Erwerb von Schriften, die sie brauchte, zu beauftragen. Es machte es nur leichter für Tjurin Kopien für sich anzufertigen und seine Studien bei Gelegenheit zu "intensivieren".
Die Aussicht bald über Fähigkeiten verfügen zu können, vor denen selbst Drachenreiter sich fürchten mussten war ausgesprochen befriedigend für den Sohn des Herzogs. Inzwischen hielt er es geradezu für lächerlich, dass es einmal sein Wunsch gewesen war selbst Reiter zu werden. Damit hätte er sich schließlich auf eine Stufe mit dem Pöbel stellen müssen! Des Weiteren wäre er wohl auf ewig mit einer derart widerspenstigen Eidechse verbunden, wie die, die ihn angegriffen hatte, als er versucht hatte den ihm zustehenden Respekt von diesem Bauernjungen Cale einzufordern.
Nein, so wie sich die Dinge jetzt entwickelten konnte er sich eher glücklich schätzen, dass bei ihm kein Drache geschlüpft war.
Beschwingten Schrittes bog Tjurin um eine Ecke und wäre fast mit der jungen Frau zusammengestoßen, die ihn dort zu erwarten schien.
Der junge Adelige schluckte als er die mysteriöse Frau erkannte, die man oft in der Nähe von Königin Nasuada sah. Wieder trug sie ein schwarzes Kleid, welches förmlich mit ihrem dunklen Haar zu verschmelzen schien. Lange Strähnen hingen der jungen Frau bis tief in die Stirn und unter ihnen glitzerte ein sternförmiges silbernes Mal auf ihrer bleichen Haut. Tjurin hatte das Gefühl als würden die violetten Augen der Unbekannten ihn praktisch durchbohren.
"Ich grüße Euch edel Dame. Kann ich Euch helfen?" es kostete Tjurin große Mühe diese Worte herauszupressen. Dennoch bemühte er sich unverfänglich zu klingen und sich nicht anmerken zu lassen, dass ihm eine Gänsehaut über den Rücken kroch.
Die junge Frau sagte nichts. Sie starrte ihr gegenüber nur weiterhin unverwandt an und machte keine Anstalten aus dem Weg zu gehen.
"Habe ich irgendwie Euer Missfallen erregt?" abermals bemühte sich Tjurin eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Erneut scheiterte er.
"Ich habe nichts getan was verboten wäre, wenn Ihr mich also bitte entschuldigt."
Das Unwohlsein, welches der junge Adelige beim Anblick der fremden Frau verspürte, hatte die Grenze dessen überschritten, was er ertragen konnte. Entschlossen seinen Weg fortzusetzen drängte Tjurin sich an der Unbekannten vorbei.
"Da habt Ihr recht."
Bereits der bloße Anblick der Fremden hatte Tjurin Schauer über den Rücken gejagt und diese verstärkten sich noch als die Unbekannte zu sprechen begann.
"Noch habt Ihr nichts getan. Aber ich habe das bestimmte Gefühl, dass Ihr Euch auf einem Weg befindet der an einen sehr dunklen Ort führt. Ihr solltet umkehren. Ich denke, das wäre für uns alle besser."
Der Blick der unbekannten Frau nagelte Tjurin förmlich fest.
"Ich habe keine Ahnung wovon Ihr sprecht." stammelte er und klang nicht besonders überzeugend.
Die Fremde lachte und Tjurin hatte mit einem Mal das Gefühl als wäre jemand über sein eigenes Grab gelaufen.
"Natürlich wisst Ihr wovon ich spreche. Ich erwarte allerdings nicht, dass Ihr es zugebt. Auch fürchte ich, dass Ihr nicht auf meinen Rat hören werdet. Das ist natürlich Eure Entscheidung. Mein Name ist übrigens Elva und seid versichert Tjurin Aurastsohn. Ich werde Euch im Auge behalten."
Mit diesen Worten löste sich der durchdringende Blick der violetten Augen von Tjurin und die Fremde entfernte sich. Der junge Adelige hatte plötzlich das Gefühl als würden seine Beine ihn jeden Augenblick den Dienst versagen. Er lehnte sich an die Wand und strich sich mit der Hand übers Gesicht. Zu seinem Erstaunen entdeckte er, dass kalter Schweiß auf seinen Zügen stand.



So schön sollte es immer sein. Dies waren Nasuadas Gedanken als sie lächelnd von Ihrer Stickarbeit aufsah und das wilde Spiel beobachtete in das Ihr Sohn und der rote Drache Dorn verwickelt waren. Es war unmöglich zu sagen, wer das größere Vergnügen von den beiden hatte. Jalhod versuchte die Schwanzspitze des roten Drachens zu erhaschen und dieser wich immer wieder geschickt aus. Der junge Prinz kannte den roten Drachen seines Vaters schon seit frühester Kindheit und zeigte keinerlei scheu vor dem mächtigen Wesen. Dorn indess hatte das "Küken" seines Reiters ebenso ins Herz geschlossen wie Murtagh selbst und war ein geduldiger Spielkamerad. Nasuada hegte den heimlichen Verdacht, dass der rote Drache hier ein Stück seiner Kindheit nachholte.
Die Königin von Alagaësia genoss die Zeit welche sie hier mit ihrem Mann und ihrem Kind verbringen konnte in vollen Zügen. In ihren dunkelsten Stunden und bei den schwierigsten Entscheidungen schöpfte sie Kraft aus den Erinnerungen an diese glücklichen Tage.
Glücklicherweise hatte Ihr Urlaub im Norden gerade erst begonnen. Noch viele schöne Stunden lagen vor Ihr. Im Augenblick saß Nasuada in einem leichten gelben Sommerkleid auf der Terrasse ihres Landsitzes und verfolgte das Spiel ihres Sohnes. Murtagh war im Haus verschwunden, um etwas zu trinken zu holen.
Jalhod und Murtagh waren die hellsten Lichtpunkte im Nasuadas Leben . Noch gut erinnerte sich die Königin an die Geburt ihres Sohnes. Anstrengend war sie gewesen doch ohne Komplikationen verlaufen. Das kleine Wunder, welches man Ihr in die Arme legte, hatte sie für sämtliche Schmerzen entschädigt. Jalhod hatte die Augen seines Vaters geerbt ebenso sein schwarzes Haar. Von seiner Mutter hatte er die dunkle Hautfarbe übernommen. Er war ein kluger, warmherziger Junge und ein steter Quell der Freude für seine Mutter. Nach dem sicher gewesen war, dass Ihr Hofstaat es akzeptierte, dass die Königin den Vater ihres Sohnes nicht nennen wollte, war der junge Prinz schließlich bei Ihr aufgewachsen. Leider konnte Nasuada es ihrem Sohn nicht ersparen auf seine Rolle, als zukünftiger König, vorbereitet zu werden. Aber die junge Mutter achtete stets darauf, ihren Sohn auch angemessen für die Anstrengungen und Pflichten die er als Prinz auf sich nehmen musste zu entschädigen.
Eine große Hilfe war dabei natürlich Murtagh. Morzan mochte ein fruchtbarer Vater gewesen sein, doch sein Sohn war das genaue Gegenteil. Eragons Erfindung hatte es Murtagh ermöglicht trotz der räumlichen Trennung eine wichtige Bezugsperson im Leben seines Sohnes zu sein. Natürlich hatte sich auch die Beziehung zur Mutter seines Kindes durch die neuen Möglichkeiten, die das magische Kunststück des Anführers der Drachenreiter bot, intensiviert. Murtagh war nicht nur für Jalhod ein liebevoller und gerechter Vater geworden, sondern auch ein wirklicher Partner für seine Frau.
Eragons Anwendung war eine Form der Magie für die Nasuada den Göttern in der Tat dankte. Sie hatte Ihr ein Glück beschert, welches ihre Position beinahe unmöglich gemacht hätte.
Lachend sah die Königin zu wie Jalhod nun auf Dorn herumkletterte. Glücklicherweise ließ der rote Drache auch dies mit engelsgleicher Ruhe über sich ergehen.
Noch während die Königin ganz in die Beobachtung der Kletterkünste ihres Sohnes vertieft war wurde ein Tablett mit einer Karaffe Fruchtsaft neben Ihr auf den kleinen Tisch gestellt.
"Da hast Du doch Magie angewandt, oder?" Fragte die dunkelhäutige Frau als Murtaghs Arme sich von hinten um sie legten. Sie spürte wie Ihr Mann sein Haupt auf ihre Schulter legte und sanft schmiegte sie ihren Kopf an seine Schläfe.
"Was meinst Du?" erkundigte sich der Drachenreiter.
"Die Eiswürfel!"
Nasuada deutete auf die schimmernden Kristalle, die in der gelben Flüssigkeit schwammen.
"Ich dachte es ist so warm, dass Du Dich über eine kleine Abkühlung freuen würdest. Ich kann Dich natürlich auch in den See werfen, wenn Du willst."
"Unterstehe Dich!" lachte Nasuada.
"Dann will ich mal Gnade mit Dir walten lassen." schmunzelte Murtagh und hauchte seiner Frau einen Kuss in den Nacken.
Der Drachenreiter nahmen an dem Tisch, an dem auch seine Frau saß Platz und schenkte Ihr ein Glas des frischen Fruchtsaftes ein.
Dankbar nahm Nasuada das Glas entgegen und stellte fest, dass es sich um den Saft von surdanischen Orangen handelte. Er schmeckte herrlich erfrischend und die Kühle verstärkte diesen Effekt noch.
Nachdenklich blickte die Königin der Drachenreiter an, der nun ebenfalls Jalhod bei seinen Kletterversuchen beobachtete.
"So sollte es eigentlich immer sein.", flüsterte Murtagh, wenn auch mehr zu sich selbst.
"Es könnte so sein." griff Nasuada das Thema auf. "Wieso versteckst Du Dich immer noch Murtagh? Auch hier zeigst Du Dich inzwischen offen den Dienern und auch Dorn versteckt sich nicht mehr irgendwo im Buckel. Die Menschen in Alagaësia würden sich sicher schnell an Dich gewöhnen und die Elfen verehren die Drachen viel zu sehr, als dass sie noch einen großen Groll gegen Dich hegen würden. Die Zwerge begnügen sich damit, dass Du sie in Ruhe lässt. Warum verbirgst Du Dich also immer noch? Ich hätte Dich gerne bei mir in Ilirea und Jalhod auch."
Normalerweise antwortete Murtagh immer direkt und ablehnend auf solche Vorschläge. Diesmal jedoch schien er ernsthaft darüber nachzudenken. Gedankenverloren starrte er in sein Glas.
"So schön wie hier wäre es trotzdem nicht.", murmelte der Dunkelhaarige nach einer Weile. "Dort wärst Du ja ständig am Regieren."
"Das stimmt wohl." lachte Nasuada. "Aber Du weißt, dass es nicht nur um mich geht. Warum willst Du zum Beispiel immer noch nicht den Orden der Reiter beitreten. Jetzt hat Dorn sogar eine Nichte und einen Neffen die er ausbilden könnte. Sind es immer noch die Wunden der Vergangenheit?"
Murtagh erhob sich und ging ein paar Schritte über die marmorne Terrasse.
"Ich habe durchaus darüber nachgedacht. Die Vergangenheit habe ich allmählich wirklich hinter mir gelassen. Ich weiß, dass Eragon uns nie so unterdrücken würde Galbatorix es getan hat. Die Dinge, die der Orden tut und wofür er in der Welt steht, sind durchweg gut und noble. Eragon kann wirklich stolz darauf sein was er aufgebaut hat."
"Aber?", fragte Nasuada und trat neben ihrem Mann. Zärtlich legte dieser den Arm um sie.
"Aber daraus ergeben sich für mich auch Pflichten. Pflichten die dem entgegenstehen könnten, was wir geplant haben. Du weißt es doch noch, oder? Es war doch nicht nur ein Scherz, oder?"
Nasuada schmiegte sich an Murtaghs Brust.
"Natürlich war es nicht nur ein Scherz. Ich denke jeden Tag an das, was wir da geplant haben und ich freue mich darauf. Im Jalhods zwanzigsten Sommer werde ich zu seinen Gunsten als Königin abdanken."
"Und dann werden wir zusammen leben.", flüsterte Murtagh hoffnungsvoll. "Keine Abschiede mehr oder Regierungsgeschäfte."
"Mein Altern wird kein Problem sein." fügte Nasuada ebenso leise an.
"Nein. Den Schaden, den die Zeit am Körper hinterlässt, kann ich mit Magie beheben. Wir werden so lange zusammen sein können wie Du es willst. Ich will nicht, dass wenn Du endlich bei mir sein kannst Pflichten mich von Dir fort reißen. Genau das würde aber passieren, wenn ich den Orden beitrete. Nenn es selbstsüchtig, wenn Du willst aber ich will das nicht."
Nasuada lächelte.
"Dann bin ich auch selbstsüchtig, denn ich will das auch nicht. Wir haben beide in unserem Leben genug gelitten und genug geopfert für unsere Pflichten. Eine Kindheit hatte ich nie. Nicht einmal so eine wie Jalhod. Erste Flucht, dann Vorbereitung, dann Führerschaft und Krieg und schließlich Verantwortung für ein Königreich. Das hat mein Leben bisher bestimmt. Mein erstes Leben. Mit Dir will ich mein zweites beginnen und all das nachholen, was ich mir früher versagen musste. Ja, vielleicht ist es selbstsüchtig aber ich finde dazu haben wir auch einmal das Recht."
"Da bin ich ganz Deiner Meinung, meine Sonne." bestätigte Murtagh und die Königin und der Drachenreiter versanken in einem innigen Kuss.
Dieser wurde allerdings bereits nach kurzer Zeit durch ein lautes "IHHHJURGH" unterbrochen. Von Dorns Rücken aus beobachtete Prinz Jalhod seine Eltern bei ihrem romantischen Treiben. Mit gespieltem Ekel hielt sich der junge Prinz mit einer Hand die Augen zu und streckte seine Zunge heraus. Dorn machte sich ein Vergnügen daraus den Sohn seines Reiters zu imitieren. Der rote Drache hielt sich mit einer Vorderpranke ebenfalls die Augen zu und präsentierte seine beeindruckende, mit Widerhaken versehene Zunge.
"Mutter, Vater hört auf damit. Das ist ja eklig!"
- "Genau!" - bestätigte Dorn.
"So, eklig ist das also?" ereiferte sich Murtagh mit gespielter Empörung. "Dann hol doch mal Dein Übungsschwert junger Mann. Mal sehen ob der Schwertkampftrainer, den Deine Mutter angestellt hat, sein Geld wert ist."
- "Jetzt will Dir Dein Vater wieder Manieren beibringen." - raunte Dorn den Jungen auf seinem Rücken zu. Dabei ließ er bewusst Mutter und Vater des Prinzen mithören.
"Das kann er ja ruhig versuchen." gab Jalhod selbstsicher zurück und lief dann ins Haus um seine Übungswaffe zu holen.
"Eklig!" wiederholte Murtagh für Nasuada mit gespielter Empörung. "Das ist Dein Sohn."
Mit diesen Worten entfernte sich der stolze Vater, um den Übungsplatz aufzusuchen. Lächelnd blickt der Nasuada ihm nach. So schön sollte es immer sein.



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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt