25. Sorgen

54 10 0
                                    

Von der Terrasse aus beobachtete Nasuada wie ihr Sohn und Murtagh sich immer mehr in ihr Duell vertieften. Die Zeiten in denen Jalhod für den Drachenreiter einfach zu besiegen gewesen war, waren eindeutig vorbei. Ganz offensichtlich hatte der junge Prinz sein kämpferisches Talent von seinen Eltern geerbt.
Obwohl die Königin stolz empfand, ob der Fähigkeiten ihres Sohnes, hoffte sie gleichzeitig das Jalhod sie nie so dringend brauchen würde wie sie oder ihr Mann Murtagh. Die Erinnerung an Schlachten, die Schreie der Verwundeten und das Klagen der Hinterbliebenen, wenn ihre Liebsten nicht aus der Schlacht zurückkehrten, hatte sich in das Gedächtnis der Königin eingebrannt. Kriege konnte nur jemand als erstrebenswert ansehen, der nie einen mitgemacht hatte.
"Wenn die Bemerkung erlaubt ist Hoheit, Euer Sohn hat beachtliche Fortschritte mit dem Schwert gemacht."
Nasuada blickte sich um und erkannte das ihre Magd Farica zu Ihr gesprochen hatte.
"Ja, der Junge macht Fortschritte. Sein Lehrer kann stolz auf ihn sein." schmunzelte die stolze Mutter. "Was gibt es Farica? Du bist doch nicht nur gekommen um meinen Gatten und meinen Sohn bei ihrem Duell zu beobachten, oder?"
"Nein meine Königin in der Tat nicht.", erwiderte die Magd. "Eure Beraterin Elva bittet Euch sprechen zu dürfen. Natürlich über den Spiegel. Sie sagt es sei dringend."
Nasuada dankte ihrer Magd und zog sich sogleich in Ihr Gemach zurück. Da der allgemeine Befehl von Ihr ausgegeben worden war, sie während ihres Rückzugs in den Norden nur in dringenden Fällen zu stören, musste es sich in der Tat um eine ernste Angelegenheit handeln. Erschwerend kam hinzu das Elva nur sehr selten diese Wege des Gespräches für sich nutzte. Zwar gehörte die junge Frau zu Nasuadas engsten Beratern aber nach wie vor war sie der Königin unheimlich. Ihre Fähigkeiten hatten sich zwar schon des Öfteren als sehr nützlich erwiesen aber dennoch mit Elsa ein sehr undurchsichtiges Wesen. Sie in ihren Diensten zu haben war für Nasuada nicht nur nützlich, sondern gleichzeitig auch eine Möglichkeit die seltsame junge Frau im Auge zu behalten.
In ihrem Gemach angekommen nahm die Königin vor ihrem Spiegel Platz und berührte einen Edelstein, der in den Rahmen des Möbelstücks eingelassen war. Damit stellte sie die Verbindung zur wartenden Elva her.
"Ich grüße Dich Nasuada." hob das ehemalige Hexenkind an als Ihr abhielt sich auf Nasuadas Spiegel gebildet hatte. Wie üblich verzichtete Elva auf jeden Titel oder Höflichkeit. Die Königin hatte sich an dieses Verhalten inzwischen gewöhnt. Sie wollte es nicht auf einen Konflikt mit Elva anlegen und akzeptierte dieses Verhalten einfach als einen Ausdruck einer gewissen Exzentrik.
"Ich grüße Dich ebenso Elva. Was gibt es? Ich weiß, dass Du Dich nicht aus nebensächlichen Gründen meldest."
"In der Tat." bestätigte die junge Frau. "Zwei Angelegenheiten gibt es die Eure Aufmerksamkeit erfordern. Bei der einen handelt es sich um eine reine Formalität. Die Drachenreiter Eragon Schattentöter und Arya bereisen gegenwärtig Alagaësia. Sie sind eigentlich auf dem Weg nach Ellesméra um dort den Fortschritt der neuesten Schüler des Reiterordens zu überprüfen. Unglücklicherweise geht gerade eines der schweren Sommerunwetter zwischen Ilirea und dem Elfenwald nieder. Unsere Gelehrten sind der Meinung, dass sich der Sturm noch etwa eine Woche hinziehen könnte. Vielleicht auch länger. Da die beiden Drachenreiter mit ihrer jungen Tochter reisen möchten sie es nicht riskieren dem Unwetter in die Quere zu kommen. Sie bitten daher um Unterkunft in der Hauptstadt bis sich das Wetter gelegt hat."
Nasuada wusste nur zu gut von welcher Art Unwetter Elva sprach. In den Sommermonaten gingen in der Nordhälfte der großen Ebene Alagaësias immer wieder schwere Gewitter nieder die von sturmartigen Böen begleitet wurden. Oft kam es vor, dass diese Unwetter mehrere Wochen anhielten. Die Luft heizte sich über der Wüste Hadarac auf und entluden sich über der großen Ebene. Zwar konnte ein erfahrener Drache wie Saphira oder Fírnen sich einen Weg durch den Sturm suchen aber Nasuada vermutete das die Anwesenheit der neu geborenen Tochter der beiden Reiter die Bereitschaft von Eragon und Arya zum Risiko herabsetzte.
"Natürlich sind die beiden willkommen. Sag bitte meinem Hofstaat, dass er den beiden jede Form von Annehmlichkeit und Unterstützung zuteilwerden lassen soll. Sind sie bereits eingetroffen?"
"Nein wir erwarten Sie morgen Abend." erklärte Elva. "Eragon hat sich über den Spiegel gemeldet und mitgeteilt, dass Arya der "Stimme des Lebens" gelauscht hätte und so auf den Sturm aufmerksam geworden wäre. Der Schattentöter hat auch angedeutet, dass Saphira recht beleidigt sein soll, dass man Ihr nicht zutrauen würde mit diesem Wetter fertig zu werden. In jedem Fall dürften die beiden Reiter wie gesagt morgen Abend hier eintreffen. Ich gehe davon aus, dass sie den Wunsch haben werden sich auch kurz bei Euch zu melden. Ich nehme an, das stellt kein Problem dar?"
"Natürlich nicht." bestätigte Nasuada. "Ich freue mich von den beiden zu hören und übermittelte ihnen bitte meine herzlichsten Grüße. Wenn sie den Norden erreichen sind sie auch selbstverständlich herzlich eingeladen mich auf meinem Landsitz zu besuchen. Es würde sowohl mich als auch mein Sohn sehr freuen."
Elva nickte und schwieg anschließend. Ihr Blick war sehr nachdenklich geworden und wanderte ins Leere.
"Ich gehe davon aus, dass damit nicht alle Punkte abgehandelt sind, die Du mit mir besprechen willst. Habe ich recht?"
"Nein, in der Tat nicht."
Der Königin entging nicht, dass sich Elvas Tonfall deutlich geändert hatte. Normalerweise lag etwas in der Stimme der jungen Frau was Nasuada stets an eine Katze erinnerte die mit einer gefangenen Maus ein grausames Spiel trieb bevor sie ihre Beute verspeiste. Nun lag tiefer Ernst in der Stimme des ehemaligen Hexenkindes. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Elva wirklich beunruhigt war.
"Es geht um einen Kadetten der Nachtfalken, Deiner Leibgarde Nasuada. Er ist mir schon bei Deiner letzten Inspektion der Kaserne aufgefallen."
Die Königin wusste sofort, von wem die Rede war.
"Du meinst Tjurin, dem Sohn von Herzog Aurast."
"Er ist der also kein Unbekannter?"
"Seinen Vater kenne ich persönlich. Den jungen Tjurin habe ich nie wirklich kennengelernt. Er ist mir nur im Gedächtnis, weil General Jörmundur und seine Adjutanten ebenfalls Vorbehalte gegen ihn hatten. Besonders der Zwerg Burkott."
"Welche Art von Bedenken?" Erkundigte sich Elva mit ehrlichem Interesse in der Stimme.
"Nichts Konkretes. Im Wesentlichen scheint der einer von diesen jungen Taugenichtsen zu sein, die es leider immer wieder gibt. Halten sich für etwas Besseres ohne wirklich selbst etwas geleistet zu haben. Nur Burkotts Bedenken schienen etwas über das normale Maß hinauszugehen. Er war der Auffassung dieser Tjurin sei aus "keinem guten Stein gehauen." Offenbar eine Redensart der Zwerge."
"Interessant." Murmelte Elva und erneut wanderte Ihr Blick ins Leere.
"Spürst Du etwas bei ihm?"
Elva überlegte einen Moment, dann schüttelte sie den Kopf.
"Mein Talent ist nicht wie eine Kerzenflamme Nasuada. Es gibt nicht nur Licht und Dunkelheit. Manchmal habe ich bei Menschen, denen ich gegenüberstehe ein Gefühl. Eine Vorahnung, dass sie zwar noch keine Gefahr sind, aber das Potenzial in sich tragen eine zu werden. Eine große Gefahr."
"Und dieses Gefühl hast Du jetzt bei Tjurin?"
Elva nickte. Was Nasuada gehört hatte, gab der Monarchin zu denken. Burkotts Bedenken konnte man vielleicht als Antipathie abtun. Mit Elsass Intuition war es allerdings etwas anderes.
"Ich nehme sehr ernst was Du mir da sagst Elva. Nur ein Narr würde Deine Warnungen ignorieren. Doch ich brauche mehr! Ich kann den Sohn eines angesehenen Adligen nicht einfach aus der Armee ausstoßen, ohne dass er sich etwas zuschulden kommen lassen hat."
"Das verstehe ich. Es dürfte Dich vielleicht interessieren zu erfahren Nasuada, dass die Magierin Trianna vor kurzer Zeit darum gebeten hat, dass man Ihr Tjurin als Gehilfen zuteilt."
Seufzend lehnte sich Nasuada in ihrem Stuhl zurück. Auch das war zwar kein konkretes Vergehen aber ein deutlicher Hinweis darauf, das Ärger ins Haus stand. Trianna verkörperte im Grunde alles was Nasuada an Magiern verabscheute. Hochmut, Selbstüberschätzung und der Glaube über normale Menschen ohne magisches Talent erhaben zu sein. Glücklicherweise war diese Einstellung unter den Magiebegabten am Aussterben. Seit der Orden der Drachenreiter an der Ausbildung von Magierin beteiligt war, hatte sich der Umgang mit ihnen doch sehr entspannt. Sie waren jetzt in der Tat produktiver Mitglieder der Gesellschaft, genossen ein verdientes Maß an Ansehen und auch die Königin wusste ihre Dienste durchaus zu schätzen. Trianna war ein Überbleibsel der Herrschaftszeit von Galbatorix. Dort hatten Magier sich verstecken müssen um nicht zu Sklaven des dunklen Königs zu werden. Nur die Machtgierigsten hatten sich ihm freiwillig angeschlossen. Die übrigen wirkten im Verborgenen. Trianna war zu einer Zeit zu den Varden gestoßen als diese händeringend nach Magierin suchten. Die wenigen Mächtigen waren kostbar für die Freiheitskämpfer gewesen und wurden dementsprechend behandelt. Sie hatten stets großen Einfluss gehabt. Nun da die Drachenreiter wieder erstarkten schwand dieser Einfluss. Ein Umstand den besonders Trianna nicht begrüßte.
Auch, dass die ehemalige Anführerin der DuVrangr Gata mit Geisterbeschwörung experimentierte steigerte Nasuadas Vertrauen nicht unbedingt. Auf der anderen Seite war sie die Einzige, die überhaupt Erfahrung damit besaß. Geisterbeschwörung war eine gefährliche Sache und das Königreich musste sich dagegen verteidigen können.
Nasuada schrak aus ihren Überlegungen als Elva wieder das Wort ergriff: "Ich weiß, dass nichts passiert Euch bisher gesagt habe ein Vorgehen gegen Tjurin rechtfertigen würde. Ich bitte Euch daher nur um die Erlaubnis ihn im Auge zu behalten. Ihr wisst das ich meinen Talenten nicht ohne Eure Erlaubnis nicht außerhalb des Palastes anwenden darf und keine Nachforschungen erheben soll, die die Privatsphäre eines Individuums verletzen. Wenn Ihr meine Warnungen wirklich ernstnehmt Nasuada, dann gestattet mir Tjurin etwas genauer auf die Finger zu sehen. Ich denke, wir könnten uns alle damit vor einer großen Bedrohung schützen."
Nasuada musste nicht lange über Elvas Antrag nachdenken.
"Wie gesagt: Nur ein Narr würde Deine Warnungen ignorieren. Du hast meine Erlaubnis. Bitte halte mich auf dem Laufenden was seine Nachforschungen ergeben. Sei nur bitte diskret. Tjurin stammt aus einer angesehenen Familie und sein Vater ist ein alter Freund."
Elva nickte und ohne ein Wort des Abschieds löst sich Ihr Bild auf dem Spiegel auf. Nasuada massierte sich erschöpft den Nasenrücken.
"Verdammte Magie." Flüsterte sie so, dass nur sie selbst es hören konnte.



Wenn euch das Kapitel gefallen hat:

Lasst doch einen Like(Vote) da. Das Zeigt mir, dass es euch gefällt.

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt