55. Ein vergessenes Kapitel

45 10 0
                                    

(A/N) Nein, Ich habe kein Kapitel vergessen, das hat nichts mit meinem Uploading zu tun😅.

----------------


Nach ihrer Besprechung mit Eragon und Arya hatte es Marek und seine Gefährtin Narie dreieinhalb Tage gekostet die Hauptstadt der Elfen zu erreichen. Von König Maranus erfuhren sie, dass Eragon und seine Begleiter die Stadt bereits vor einem Tag passiert hatten und nun auf dem Rückweg zur Ostmark waren. Der König schien erfreut zu sein über den Besuch weiterer Drachenreiter. Ganz offenbar fühlte er sich und mit ihm die gesamte Bevölkerung der Hauptstadt den goldenen Zeiten des alten Ordens näher.
Marek hatte Ellesméra bereits einige Male besucht aber zu dieser Zeit war das Kommen von Reitern noch immer ein außergewöhnlicher Anlass gewesen. Laories Seelenpartner beschloss es, als gutes Zeichen zu sehen, dass die Reiter mehr und mehr aus der Rolle der Kuriosität heraus traten.
Nachdem sie sich beim König vorgestellt hatten und Ihr Anliegen erklärt hatten war die Gruppe nun aufgebrochen, um Naries Vater aufzusuchen.
Lord Efron hatte seinen Wohnsitz in einem der westlichen Ausläufer von Ellesméra. Das war eine angesehene Wohngegend in der Hauptstadt der Elfen. Hauptsächlich war sie dem Adel und hohen Gelehrten vorbehalten. Es gab zwar keine Regel, die explizit vorschrieb, dass dieser Bereich für derartig hochgestellte Persönlichkeiten reserviert war, doch wurde dieser Umstand in der Gesellschaft stillschweigend anerkannt.
Narie führte ihre Reisebegleiter einen Grasbewachsenen Hügel hinauf. Von dort aus hatte man einen guten Überblick über den Bereich der Hauptstadt in dem Ihr Vater wohnte. Marek konnte nicht anders als beeindruckt sein von dem Anblick, der sich ihm bot. Während die Böschung, an der Seite, die sie erklommen hatten, sanft anstieg, fiel sie an der westlichen Seite praktisch senkrecht nach unten ab. Feiner Nebel und Blütenstaub erfüllten die Talsohle die sich hinter dem Hügel erstreckte. Die riesigen, uralten Bäume des Elfenwaldes stachen aus diesem seidigen Schleier hervor und schienen sich bis zum Himmel zu erstrecken. Die Behausungen, die in ihre Stämme gesungen waren, ragten aus dem feinen Nebel hervor und wirkten wie Inseln in einem geisterhaften Ozean. Einige der Häuser waren durch sanft geschwungenen Brücken miteinander verbunden die ebenfalls aus dem hauchdünnen Gespinst des Nebels hervorragten. Das seidige, geisterhafte Kleid, welches die Bäume umschmiegte, wurde durch die Sonnenstrahlen die durch das ewige Grün der Bäume fielen, getroffen und zu einem geheimnisvollen Glühen gebracht.
Der Rand der steil abfallenden Seite der Böschung war durch ein kunstvoll, aus Wurzeln gesungenes Geländer gesichert und eine schmale, in die steinerne Steilwand eingearbeitete Treppe führte in das Stadtviertel hinunter.
Einige Elfen standen an dem kunstvollen Geländer und blickten über diesen Teil ihrer Hauptstadt. Fast wirkten sie wie zeitlose Wächter aber als Narie sie an den Schaulustigen vorbeiführte kam Marek zu dem Eindruck, dass die Bewunderer sich selbst am Kunstwerk berauschten, dass ihre Stadt darstellte.
- "Ziemlich eingebildet." - kommentierte Laorie. - "Sich derart selbstverliebt die eigenen Schöpfungen zu betrachten." -
- "Na na, wessen Lieblingsbeschäftigung ist es denn sein eigenes Spiegelbild in einem See zu betrachten?" -
Die gelbe Drachendame stieß etwas aus das man als ein verlegenes Hüsteln deuten konnte.
- "Das ist nicht das Gleiche. Ich bewundere schließlich das Kunstwerk, dass die Natur mit mir vollbracht hat und nicht etwas das ich selbst hergestellt habe." -
Marek lachte in sich hinein und strich seiner Drachendame versöhnlich über den Hals. Im Grunde hatte Laorie ja recht. Stundenlang dazustehen und die eigene Stadt zu bewundern erschien dem jungen Bergnomaden auch etwas selbstverliebt. Auf der anderen Seite, welchen Sinn hatte es ein solches Kunstwerk wie Ellesméra zu schaffen und sich dann nicht daran zu erfreuen.
- "Ich denke, es ist wie beim Bergsteigen Laorie." - sagte Marek. - "Es kommt auf das Gleichgewicht an." -
- "Und manche der Spitzohren haben kein besonders gutes Gleichgewicht." -
Mit diesen Worten stimmte die gelbe Drachendame ihrem Reiter zu und gesellte sich dann zu Kira die sich bereits ein bequemes Plätzchen auf der Böschung suchte. In der Talsohle standen die Bäume zu eng als, dass die beiden Drachendame ihre Reiter hätten begleiten können. Sie hielten jedoch eine geistige Verbindung zu beiden aufrecht.
- "Kümmere Dich ein bisschen um meinen Silberschopf." - Flüsterte Kira plötzlich in Mareks Gedanken. - "Sie ist inzwischen fast so gut darin ihre Gefühle zu verbergen wie ihre Cousine Arya. Sie ist aber nicht annähernd so ruhig wie sie scheint." -
Marek sandte der roten Drachendame eine geistige Bestätigung und bemühte sich zu seiner Gefährtin auszuschließen, die bereits die Stufen der Felsentreppe hinab stieg. Als der Junge Bergnomade schließlich neben Ihr ging, blickte er Narie einfach nur an. Er wusste, dass seine Aufmerksamkeit dem feinen Sinnen der Elfe nicht entgehen würde. Er hoffte, dass Kiras Reiterin die Gelegenheit sich zu öffnen nicht ausschlagen würde. Nötig hatte sie es auf jeden Fall. Marek kannte seine Gefährtin gut genug um an ihrem Gesicht ablesen zu können was in Ihr vorging. Wut, Trauer und schmerzhafte Erinnerungen schienen wie Gewitterwolken, die von einem starken Wind über den Himmel gepeitscht wurden, durch die Gedanken der jungen Elfe zu geistern.
Als sie den Fuß der Treppe erreicht hatten und Narie immer noch schwieg versuchte Marek einen Vorstoß: "Es ist nicht leicht für Dich Deinen Vater zu treffen, oder?"
Narie drehte ihren Kopf ruckartig zu ihm und für den Bruchteil einer Sekunde erwartete Marek ein wütendes "was geht Dich das an" ins Gesicht geschleudert zu bekommen. Das Feuer in den Augen der Elfe erlosch jedoch fast erschreckend schnell wieder. Seufzend setzte sich Narie auf die letzten Treppenstufen und starrte ins Nichts. Behutsam setzte sich Marek zu ihr.
Durch den feinen Nebel, der das Tal durchzog und jedes Geräusch zu verschlucken schien, herrschte eine merkwürdige Stimmung. Geisterhaft und unwirklich und doch von einzigartiger Schönheit wirkte alles. Marek fühlte sich an die erhabene Ruhe erinnert die man in einem riesigen Tempel oder einer Kathedrale wahrnahm. Diese Atmosphäre bildet den Rahmen für die Unterhaltung die beiden Gefährten und führten.
"Nein Marek, es ist alles andere als leicht für mich."
"Du sprichst fast nie über Deinen Vater. Ich sehe Dir aber an, wie tief verletzt Du bist. Was hat er getan, um Dir soviel Schmerz zuzufügen."
Ein kurzes, bitteres Lächeln zuckte wie ein Blitz über Naries Züge.
"Es geht nicht darum was er getan hat. Es geht darum was er nicht getan hat."
Die Worte der jungen Elfe machten für den Drachenreiter keinen Sinn. Er beschloss jedoch abzuwarten. Narie hatte sich dazu durchgerungen sich zu öffnen, nun musste er Ihr die Möglichkeit geben, es in ihrer eigenen Geschwindigkeit zu tun.
"Du weißt, dass er meine Cousine Arya betrogen hat und sie damit tief verletzt hat." berichtete Narie schließlich. "Rabenmähne hat ihn dafür, zu Recht, bestraft. Meine Mutter hat ihn verlassen und Freunde und Bekannte begannen uns zu meiden. Ich war damals erst 14 Sommer alt. Mein Vater, er... er hat sich ganz in sich zurückgezogen. Er hat mich alleingelassen! So wie auch meine Mutter. Sie hatten beide nur noch ihren persönlichen Schmerz im Kopf und es war kein Platz mehr für mich. Ich begriff überhaupt nicht wirklich was vor sich ging. Mit einem Mal war ich wie eine Aussätzige unter meinem Volk. Alle hielten sich von mir fern oder taten so als würden sie mich überhaupt nicht kennen und behandelten mich mit der eisigen Höflichkeit, die man einem ungeliebten Fremden entgegenbringt."
"Es ist kein Wunder dass, das nicht mehr ausgehalten hast Narie.", sagte Marek verständnisvoll. "Damals hast Du Dich aufgemacht, um Arya zu suchen, oder?"
"Ich hatte von der schwierigen Lage gehört in der Du und Tar damals gewesen seid und wusste, dass Arya nach Alagaesia zurückkehren würde und die Sache zu bereinigen. Es klingt so einfach, wenn Du sagst, dass ich mich auf den Weg zu ihr gemacht habe aber ich war erst 14!" Naries Stimme wurde lauter und fester aber auch viel Verzweiflung schwang in Ihr mit. "Ich hatte noch niemals Du Weldenvarden verlassen. Sicher, ich hatte die Sprache der Menschen studiert, aber ich bin noch nie in meinem Leben einem Menschen begegnet. Es war beängstigend meine Heimat mit unsicherem Ziel zu verlassen! Natürlich hatte ich mich auch nicht besonders gut vorbereitet. Ich hätte viel zu wenig Proviant dabei also musste ich ein Dorf aufsuchen, um meine Bestände aufzufüllen. Das Dorf und die Menschen erschien mir so bedrohlich. Du siehst ja wie ich aufgewachsen bin." Mit einer hilflosen Geste des Narie auf das Stadtviertel welches die beiden Drachenreiter umgab. "Kannst Du Dir vorstellen, was für einen Eindruck ein einfaches kleines Dorf der Menschen auf mich gemacht hat. Eine Siedlung von Viehzüchtern?! Es war ein Tag, an dem geschlachtet wurde. Ich hörte die Schreie der Tiere, fühlte den Schmerz! Der Gestank von Tod lag in der Luft und vermischte sich mit Schweiß und dem Geruch von tierischen und menschlichen Fäkalien. Galbatorix war noch nicht lange besiegt. Die Menschen waren vom Krieg gezeichnet. Einige hatten schlimmen Narben andere ganze Körperteile verloren. Noch nie in meinem Leben hatte ich so etwas gesehen. Wie gesagt ich beherrschte zwar die Sprache der Menschen aber es war eben eine Fremdsprache für mich. Ich dachte in der Sprache meines Volkes und musste mich immer erst konzentrieren und zu verstehen was überhaupt um mich herum gesprochen wurde. Geld hatte ich natürlich auch keins, deswegen musste ich einige persönliche Gegenstände bei einem Händler eintauschen. Da war zum Beispiel eine kleine silberne Flöte. Sie war ein Spielzeug von mir, seit ich fünf Sommer alt war. Nun musste ich sie aufgeben für ein paar abgewetzte Münzen von denen ich mir zwei Leib Brot und etwas Gemüse kaufen konnte. Mit einem Zauber hatte ich dafür gesorgt das die Menschen mich nicht erkannten, zumindest nicht als Elfe. Es war auch niemand unfreundlich zu mir oder hat mich bedroht aber trotzdem war alles sehr einschüchternd für mich. Und das Schlimmste bei allem war, ich wusste nicht einmal ob Arya mich wirklich aufnehmen würde. Wir haben uns immer sehr nahegestanden. Sie war wie eine große Schwester für mich aber es war mein Vater gewesen der sie aufs übelste betrogen hat. Ich habe damals nicht damit gerechnet selbst Drachenreiterin zu werden. Arya war einfach nur meine letzte Hoffnung einen Ort zu finden, an den ich mich wieder zuhause fühlen konnte! Aber die Angst, dass auch sie mich wegschicken würde, war immer da und was dann?! Wohin hätte ich dann gehen sollen?"
Naries Erregung brach nun deutlich aus ihr heraus. Ihre Augen glänzten feucht als sie Marek ansah.
Dem jungen Bergnomaden fiel nicht mehr ein als den Arm, um seine Gefährtin zu legen und Ihr etwas von seiner Körperwärme zu spenden. Er wollte Ihr einfach das Gefühl geben nicht allein zu sein. Dankbar schmiegte sich Narie an ihn.
Marek konnte gut verstehen das die Eindrücke, die seine Gefährtin beschrieben hatte, für ein so junges Mädchen sehr verstörend gewesen sein mussten. Im Geiste machte sich der junge Reiter Vorwürfe. Er erinnerte sich gut, dass das Verhältnis welches er zunächst mit der Elfe gehabt hatte eher dem von Katz und Hund glich als dem von Gefährten oder zumindest Freunden. Er hatte sich nie Gedanken darüber gemacht wie schwer es für Narie gewesen sein musste von Du Weldenvarden aus die kleine Grenzfestung zu erreichen die damals von König Orrins Truppen umzingelt gewesen war. Als ihre Ausbildung dann begann und Kira für Narie geschlüpft war stürmten so viele neue Eindrücke auf die damals unerfahrenen Reiter ein, dass dieses Kapitel in Naries Leben offenbar einfach untergegangen war.
Einige Minuten saßen die beiden so da, dann straffte die junge Elfe ihre Schultern und richtete sich auf. Ein kurzes, diesmal warmes Lächeln huscht über Ihr Gesicht.
"Danke das Du mir zugehört hast." hauchte Narie.
"So bin ich eben."
Mit einem Scherz versuchte der junge Bergnomade seine Gefährtin weiter aufzuheitern.
"Argetlam Marek, menschlicher Putzlumpen. Werft Eure Sorgen auf mich ich wischte sie fort!"
Nun konnte Narie ein Kichern nicht zurückhalten.
"Du Kindskopf!" lachte sie. "Na los, bringen wir es hinter uns."


1944 Wörter

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt