42. Der Segen (1/2)

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Eragon konnte nicht glauben, was er sah. Es war ein Anblick, der sich ihm nur äußerst selten bot. Der junge Anführer der Reiter beobachtete das denkwürdige Schauspiel aus dem Türrahmen heraus. Sein Blick wanderte durch das Schlafzimmer, welches er sich mit seiner Gefährtin Arya teilte.
Saphiras Reiter hatte sich bereits für die anstehende Zeremonie im Schatten des Menoa-Baums unbekleidet. Im Zuge dieser Zeremonie sollte seine Tochter Marlena den Segen des Elfenkönigspaars erhalten.
Eragon trug seinen dunklen Ratsumhang mit dem Abzeichen der Reiter. Darunter ein azurblaues Wams mit einer goldenen Verschnürung am Hals. Sein treues Schwert Brisingr hing wie immer an seinem Gürtel.
Auch seine Gefährtin Arya hatte sich bereits unbekleidet. Zu diesem festlichen Anlass trug sie ein edles Kleid aus schimmernder, grüner Seide welches an seinen weiten Ärmeln sowie am Saum und am Kragen mit einem goldenen Rankenmuster bestickt war.
Doch weder das elegante Kleid, welches Aryas weibliche Formen in atemberaubender Weise betonte, noch der seidigen schwarze Wasserfall, den das Haar der Elfe bildete, welches locker über ihre Schultern fiel, waren es die Eragon so in ihren Bann zogen. Der einmalige Anblick ergab sich viel mehr aus der Gemütslage der Elfe. Nicht einmal am Vorabend der großen Schlacht gegen Galbatorix hatte Eragon Arya derart nervös erlebt.
Zwar gelang es der Elfe neutrale Gesichtszüge zu bewahren, doch Eragon war inzwischen sehr geübt darin ihre Körpersprache zu interpretieren.
Gerade bemühte sich Arya mit leicht zitternden Fingern die Verschnürung am Rücken des silberglänzenden Seidenkleidchens zu schließen welches Marlena inzwischen trug, als ihr Gefährte sich erbarmte.
Er ging hinter seiner Gefährtin in die Hocke und schloss die letzten Verschnürungen mit sicherem Griff. Dann legte er Arya in die Hände auf die Schultern und blickte sie an.
"Kann es sein, dass mein Stern heute etwas nervös ist?", fragte er liebevoll.
Zunächst schien die Elfe widersprechen zu wollen, dann jedoch lehnte sie sich gegen Eragons Brust und ließ sich von ihm in die Arme nehmen. Marlena indes war die Ruhe selbst. Sie beschäftigte sich mit einigen bunt verzierten Bauklötzen, die um sie herum verstreut lagen.
"Sieht man es mir so deutlich an?", fragte Arya mit gespielter Verzweiflung.
"Nein." beschwichtigte Eragon seine Liebste. "Ich kenne Dich nur einfach ganz gut."
Saphiras Reiter legte seine Lippen neben Aryas linkes Ohr und flüsterte Ihr ihren wahren Namen zu. Er spielte wie ein leichter Schauder die Elfe durchlief und stellte freudig fest, dass sie sich noch etwas enger an ihn schmiegte.
"Es ist ein wichtiger Tag für unsere Kleine." erklärte Arya. "Du musst wissen Eragon, mein Volk hat einen besonderen Zusammenhalt. Wenn wir jemanden, wie unsere Kleine heute, den Segen geben, akzeptieren wir sie als einen Teil von uns. Als einen Teil des Ganzen. Jeder Elf ist dann verpflichtet Marlena zu beschützen und zu unterstützen. Es ist mir wichtig, dass unsere kleine Prinzessin diesen Rückhalt hat. Es ist wichtig immer einen sicheren Hafen zu haben."
Eragons erster Impuls war es Arya zu versichern, dass er und sie immer für ihre Tochter da sein würden und sie deshalb ohnehin immer einen sicheren Hafen haben würde. Doch das würde die schöne Elfe sicher als eine leicht kindische Aussage verstehen. Wenn jemand wusste was Verlust bedeutete, dann war es Arya. Ihre Eltern waren im Krieg gegen Galbatorix gefallen und lange Zeit war Arya, durch den jahrzehntelangen Streit mit ihrer Mutter, wie ein losgelöstes Blatt im Wind gewesen. Dass gerade sie darauf bedacht war ihre Tochter abzusichern war mehr als verständlich. Daher flüsterte Eragon seiner Gefährtin nur zu: "Ich verstehe, warum Dir das wichtig ist."
"Ich weiß." Antwortet die Elfe schlicht und drehte sich so weit um, dass Eragon sie küssen konnte. Noch während sich die Lippen der beiden Liebenden sanft aneinander schmiedeten, spürten sie deutlich wie eine Veränderung vor sich ging. Nicht in ihnen, sondern mit dem Wald der sie umgab. Eragon konnte das, was er spürte nicht genau benennen. Am ehesten war das Gefühl, welches ihm die Wirbelsäule hinauf kroch mit dem Eindruck zu vergleichen, den ein Stein hinterließ, den man in völliger Stille auf die spiegelglatte Oberfläche eines Sees geworfen hatte. Feine Wellen liefen durch das Meer von Bäumen und obwohl der Vorgang völlig lautlos war erregte er die Aufmerksamkeit aller.
Fragend blickten sich Eragon und Arya an. Es war deutlich, dass keiner von den beiden eine Erklärung für das hatte, was gerade vor sich ging. Ein aufgeregtes Klopfen an der Zugangstür zu ihrem Baumhaus lenkte die beiden schließlich ab.
Ohne zu warten, ob man sie zum Eintreten auffordern würde stürmte eine Elfenfrau in das Zimmer, in dem sich auch die beiden Drachenreiter aufhielten.
Eragon erkannte die Elfe als Fürstin Askarí. Sie war keine Unbekannte für den jungen Anführer der Reiter. Das erste Mal hatte er ihre Namen über 12 Jahren von Arya gehört als sie ihm von den Reaktionen ihres Volkes auf ihren Beitritt in die Familie ihres Gefährten erzählt hatte. Seitdem hatte das hochgestellte Mitglied des Adels nicht viel getan um den Eindruck, der bei Eragon entstanden war zu verbessern. Sie gehörte zum Fürst Däthedrs Bewegung und hatte sich bereits das Recht ausgebeten im Namen dieser Bewegung etwas zu dem Segen, den Marlena empfangen sollte sagen zu dürfen.
Auch heute schien die Elfenfürstin nicht bemüht zu sein den Eindruck, den die beiden Reiter von ihr hatten zu verbessern. Sie überging das elfischer Begrüßungsritual, ein Umstand der, wie Eragon wusste, als Beleidigung galt und begann direkt zu sprechen: "Der Menoa-Baum ist erwacht. Er wünscht Euch zu sprechen. Ich nehme mal an, es geht um das da."
Die Elfe deutete auf Marlena. Dabei zog sie ein Gesicht als ob das spielende Kind etwas Anstößiges wäre.
Eragon nahm nur am Rande seines Bewusstseins war, wie Arya Fürstin Askarí wegen ihrer beleidigenden Wortwahl zurechtwies und anschließend Marlena auf den Arm nahm. Wortlos folgte er seiner Gefährtin. Erinnerungen stiegen in den jungen Anführer der Drachenreiter auf. Der Umstand, dass der Menoa-Baum erwacht war konnte eigentlich nur eines bedeuten. Linea wollte einfordern, was er Ihr vor langer Zeit versprochen hatte im Austausch für den Sternenstahl.
Doch warum gerade jetzt? Warum heute? Die einzige Erklärung, die sich ihm aufdrängte war, dass es etwas mit Marlena zu tun hatte. Gerade diese Vermutung war es, die in Eragon den Wunsch weckte sich mit Arya und seiner Tochter auf Saphiras Rücken zu setzen und nie wieder einen Fuß in den Elfenwald zu setzen.
-"Nun mal immer mit der Ruhe Kleiner."-Saphiras beruhigende Stimme durchbrach den Sturm der in Eragons Verstand tobte. - "Hören wir uns erst mal an was der Elfenbaum zu sagen hat. Ich glaube nicht, dass Linea etwas fordern würde, was Deiner Tochter schadet. Erstens: Was sollte ein Baum mit einem Kind wollen? Zweitens: Die Elfen werden nicht zulassen, dass Deiner Tochter etwas geschieht. Dafür lieben sie Kinder zu sehr. Drittens: Ich werde es nicht zulassen."-
Eragon signalisierte Saphira seine Dankbarkeit, auch wenn er ihre Zuversicht nicht ganz teilen konnte. Die Elfen hatten keine Religion aber der Menoa-Baum war praktisch heilig für sie. Ob sie sich im Zweifelsfall wirklich seinen Wünschen widersetzen würden war fraglich. Außerdem durfte man nicht vergessen, dass Linea zu ihren Lebzeiten eine Mörderin gewesen war. Wer konnte schon sagen was in ihrem Kopf vorging.
Ohne mit seinen Überlegungen zu einem klaren Ergebnis gekommen zu sein betrat Eragon schließlich gemeinsam mit den beiden Elfenfrauen die Lichtung, auf der der mächtige Menoa-Baum stand.
Dass hier offensichtlich ein Fest vorbereitet worden war, trat, in Anbetracht der Situation, völlig in den Hintergrund. Eragon vermochte weder sich auf Cale und Ismira zu konzentrieren mit ihren Drachen am Rande der Lichtung warteten noch auf König Maranus und seine Gefährtin Königin Nievrèn.
"Wie von Euch gewünscht, Hoheit habe ich unsere Gäste geholt." Erklärte Fürstin Askarí hochtragend. "Wie Ihr Euch sicherlich erinnern werdet war ich immer dagegen das..."
"Tu uns allen einen Gefallen und halt den Mund Askarí." Unterbrach Runön in ihrer üblichen schroffen Art. Marlenas zukünftige Patentante stand neben dem Königspaar im Schatten des mächtigen Baumes. Verglichen mit anderen Elfen, die das Ritual verfolgen wollten war sie geradezu schlicht gekleidet. Noch immer trug sie Ihr ledernes Kopfband. Dazu ein einfaches schwarzes Wams und eine lange, braune Hose. Lediglich die Sauberkeit der Kleidungsstücke offenbarte, dass sie nicht direkt aus ihrer Schmiede zu den Festlichkeiten gekommen war.
Noch bevor sich die elfische Würdenträgerin über den Ausruf der Schmiedin beschweren konnte durchlief erneut eine unsichtbare Welle alle Anwesenden und die umstehenden Pflanzen. Es war, als ob der gesamte Wald und alle Lebewesen in ihm den Atem anhielten.
Als es still wurde, auf der Lichtung änderte sich der Verlauf des Lichtes, welches durch die Zweige des Menoabaums auf dem Waldboden fiel. Die Lichtstrahlen trafen nicht mehr gradlinig auf dem Waldboden, sondern schien sich an einem Ort zu sammeln bis schließlich eine elfenähnliche Gestalt Form annahm. Offenbar verlieh sich Linea eine Art Körper wie es die Ratsdrachen in der Ostmark taten. Die Gestalt blieb flüchtig wie Nebel und leuchtete von innen heraus warm und einladend. Die Haare der geisterhaften Erscheinung wirkten, als ob sie vom Wind in Bewegung gesetzt würden, doch die Luft auf der Lichtung stand völlig still. Kein Hauch war zu spüren. Nicht einmal die mächtigen Flügelschläge von Saphira und Fírnen, die über der Lichtung kreisten, schienen die Ruhe stören zu können, in die die ganze Welt versunken zu sein schien.
Das geisterhafte Wesen richtete schließlich den Blick auf Eragon und Arya und winkte die beiden näher zu sich heran. Eragon versuchte sich mit der Tatsache Mut zu machen, dass ein warmes Lächeln, welches keine bösen Absichten vermuten ließ, auf den Gesichtszügen der Lichtgestalt zu erkennen war.
Als die beiden Drachenreiter direkt vor der geisterhaften Erscheinung standen, blickte diese wohlwollend auf Marlena, die unschuldig in Aryas Armen lag.
Vorsichtig hob das geisterhafte Wesen die Hand, um dem kleinen Kind über den Kopf zu streicheln. Bevor ihre Hand jedoch den Haaransatz des kleinen Mädchens berührte blickte sie zunächst Arya an.
"Darf ich Arya Islanzaditochter?"
Die Stimme mit der Linea sprach, rief Bilder in Eragons Gedanken wach. Das Rascheln von welkem Laub im Herbst oder das Geräusch, das der Wind erzeugte, wenn er durch die Bäume strich.
Etwas unsicher nickte die junge Mutter und Lineas geisterhafte Hand glitt durch den Haarschopf des Kindes. Marlena war offenbar die einzige die überhaupt keine Angst zu verspüren schien. Ausgelassen fischte sie nach den leuchtenden Fingern des geisterhaften Wesens.
"Hat dieses Kind Euch beleidigt Linea?" erkundigte sich Fürstin Askarí und durchbrach damit die fast andächtige Stille. "Falls, dem so ist bin ich sicher, dass die Eltern einsehen werden das eine sofortige Abreise..."
"Still!" fauchte Linea wütend und brachte die Elfenfürstin umgehend zum Schweigen. Diesmal erinnerte die Stimme der ehemaligen Elfe Eragon unwillkürlich an eine zischende Schlange oder an das Knurren eines angriffslustigen Raubtieres. "Wenn jemand nicht durch seine Anwesenheit oder besser gesagt durch seine vergiftete Seele beleidigt, dann bist Du es Askarí!"
Wieder breitete sich Stille auf der Lichtung aus und Lineas Blick glitt schließlich zur Eragon. Ein Lächeln erschien wieder auf ihrem Gesicht.
"Mach Dir keine Sorgen junger Reiter. Ich bin nicht hier um eine Schuld einzufordern. Du hast mir bereits gegeben was ich wollte. Ich bin nur hier um zu erklären welches Geschenk Eurer Tochter von mir erhalten hat."
"Ein Geschenk?" Arya klang verwirrt. "Wovon sprichst Du Linea?"
"Ja ein Geschenk. Vor Jahren kam Dein Gefährte zu mir und bat mich um den Sternenstahl, der unter meinen Wurzeln begraben war. Ich berührte seinen Geist und sein Herz und erkannte, dass ich gefunden hatte wonach ich schon seit langem suchte. Deine Schuld mir gegenüber hast Du schon lange abgetragene Eragon. Was ich von Dir erhalten habe war eine Möglichkeit. Bevor ich das aber genauer erkläre lasst mich Euch folgendes versichern. Ich habe nichts getan was Eurem Kind schaden würde. Und dieses Mädchen ist Euer Kind. Sie ist geboren aus Eurem Blut und Eure Liebe wird ihre Seele formen. Ich hoffe, dass das einige Eurer Sorgen zerstreut."
In der Tat fühlte sich Eragon erleichtert. Zwar sorgte er sich noch, dass Linea etwas getan haben könnte was sich für Marlena nachteilig entwickeln würde, doch zumindest schien sie keine Forderungen zu erheben, der nicht bereit war zu erfüllen.
Kurz sammelte das geisterhafte Wesen offenbar seine Gedanken, dann begann sie zu erklären: "Ich habe nichts getan außer einen Funken, der in Deinem Blut und in dem Deiner Gefährtin zu finden ist Eragon, zu nähren und zu einer Flamme werden zu lassen. Arya, Du hast genau wie Dein Gefährte eine besondere Fähigkeit. Einst besaß jeder Elf diese Gabe doch mit der Zeit ist sie verloren gegangen. Nicht weil die Fähigkeit aus Eurem Blut verschwunden wäre, nein Ihr wendet die Fähigkeit nur nicht mehr an und deshalb verkümmert sie. Arroganz, Selbstüberschätzung und Eitelkeit haben Euch blind gemacht. Ihr versteht es nicht mehr zu lauschen. Nicht mehr das feine Lied zu erkennen, dass die Gemeinschaft allen Lebens bildet. Du vermagst noch zu lauschen Arya. Vielleicht liegt es daran, dass Du mehr Zeit als alle andern außerhalb dieses Waldes verbracht hast. Ja, die letzten 100 Jahre haben dem Elfenvolk nicht gutgetan. Das Lied des Lebens ist an jedem Ort der Welt anders. Deine Reisen haben Deine Sinne geschärft Arya. Bei den meisten von Euch anderen sind sie abgestumpft. Und das fördert eine sehr gefährliche Entwicklung."
Maranus war inzwischen hinzugetreten und erlaubte sich eine Frage: "Wieso glaubst Du das?"
"Ja, wieso?" Fürstin Askarí hatte offenbar ihre Stimme wieder gefunden. "Welches Volk in Alagaësia liebt das Leben und die Natur mehr als wir? Wer weiß mehr darüber als wir?"
Linea schloss die Augen und ihre Gesichtszüge verkrampften sich.
"Deine Gegenwart und Deine Stimme sind für mich kaum zu ertragen Askarí. Selten habe ich eine so vergiftete Seele gespürt wie Deine. Schweig jetzt und hör zu, vielleicht ist es ja für Dich noch nicht zu spät. Du Askarí verkörperst praktisch das Problem. Die Überzeugung, die sich in unserem Volk breitgemacht hat, dass wir allen anderen überlegen sind. Nicht mehr Teil des Lebens und der Natur, sondern übergeordnete Wächter des Ganzen! Gottgleich glaubt Ihr über das Leben und seine Formen bestimmen zu können."
"Ist es unser Singen zu den Pflanzen, das Deiner Meinung nach den Frieden stört Linea?" erkundigte sich König Maranus.
"Nur zum Teil Maranus. Das Singen an sich ist nicht das Problem. Auch nicht, wenn Ihr beispielsweise Häuser für Euch erschafft aber manche von Euch überschreiten eine feine Grenzlinie. Besonders in den letzten 100 Jahren ist dies auf ein Maß angewachsen, dass langsam aber sicher den Fluss des Lebens stört. Es ist, als ob Ihr die Vielfalt, die Euch Eure Isolation vorenthält, zu erschaffen versucht. Ihr überladet Pflanzen mit Blüten und Farben. Manche eurer Schöpfungen sind gar nicht mehr lebensfähig ohne, dass Ihr ihnen Energie zuführt. Ihr siedelt Pflanzen in diesem Wald an, die hier nicht heimisch sind und es auch nicht sein sollten. Ihr glaubt das Lied des Lebens so gut und in allen Einzelheiten zu kennen, dass Ihr es umschreiben könnt. Ich mache mir keine falschen Vorstellungen. Meine Worte bewirkten nichts. Sie werden verpuffen. Deshalb habe ich die Möglichkeit ergriffen, die sich mir bot als Du den Sternenstahl von mir gefordert hast Eragon. Ich habe Eurer Tochter ein Geschenk gemacht. Ich habe ihre Fähigkeit zu lauschen und das Lied zu hören verstärkt. Sie wird in der Lage sein, Dinge über das Leben in diesem Wald zu hören und zu begreifen die sich jedem anderen verschließen. Ich habe die Möglichkeit bei Dir gesehen aus zwei Gründen: Zum einen ermöglichte mir die Gabe, welche Du von den Drachen erhalten hast, auch meine Gabe in die Struktur Deines Blutes einzuflechten, ohne zu riskieren Dir zu schaden. Zum andern habe ich das in der gespürt, was Dich jetzt mit Arya verbindet. Ein Teil von mir beneidet Dich Arya Islanzaditochter. Du weißt, was mich dazu gebracht hat mich in einen Baum zu singen. Ich glaubte zu besitzen, was Dir geschenkt wurde. Ich weiß auch was Du fühlst. Was Dich und Deinen Gefährten verbindet, wird so lange Bestand haben wie die ältesten Bäume dieses Waldes. Die Liebe der Eltern formen die Seele des Kindes und deshalb kann man auch Eure Tochter nur beneiden."
Linea machte eine Pause und sich erneut zusammen. Eragon nutzte die Gelegenheit und fing Aryas mit ein. Ein leichtes Lächeln umspielte den Mund der Elfe und sie zwinkerte ihm liebevoll zu.
"Es ist eines der Gesetze der Natur," fuhr Linea fort. "Dass auf jede Aktion eine Reaktion folgt. Als Du zu mir kamst Eragon wusste ich, dass Du die Reaktion auf die Aktion Galbatorix bist. Dein Ruhm würde Deinem Nachkommen Aufmerksamkeit schenken und Eure Liebe würde eine Seele formen, die damit umzugehen weiß. Eure Tochter wird, so hoffe ich, denen die verlernt haben zuzuhören wieder beibringen, dass das Lied des Lebens etwas ist, dem man mit Demut und Vorsicht begegnen sollte. Unterrichtet sie in der Benutzung ihrer Gabe. Ihr beide versteht es zuzuhören. Gebt dieses Wissen an Sie weiter. Du Arya bist zu den Heimstätten Deines Volkes zurückgekehrt, um einen Segen für Deine Tochter zu erhalten. Ich will Dir nicht vorgreifen Maranus-Elda. Du bist den Elfen ein guter König und begreifst den Wert des Lebens. Doch mit Deiner Erlaubnis..."
Als kein Widerspruch laut wurde, richtete Linea den Blick auf den Waldboden. Winzigste Lichtpunkte lösten sich aus der dunklen Erde und sammelten sich in der geisterhaften Hand der Erscheinung. Es brauchte einige Augenblicke bis Eragon erkannte, was Linea tat. So wie er einst Gold und Farben dem Boden entzogen hatte, sammelte die Erscheinung der alten Elfe nun Silber. Mit ihrer Macht formte aus dem Metall eine Kette und einen Anhänger in Form eines Blattes. Dieses einzigartige Schmuckstück legte sie Marlena um. Danach strich sie dem kleinen Kind noch einmal mit dem Handrücken über die Wange.
"Wenn es jemals ein Kind gegeben hat, welches das Recht hätte diesen Wald seine Heimat zu nennen, dann bist Du es Marlena Aryatochter. Mögen die Sterne stets über Dich wachen."


2944 Wörter

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt