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Eragon hatte soeben eine Nachricht aus Alagaësia erhalten und wollte seiner Gefährtin Arya die Neuigkeiten mitteilen. Mit leisen Schritten näherte er sich dem Kinderzimmer.
- "Kleiner?" -
- "Ja Saphira." -
- "Findest Du das ich alt werde?" -
Eragon musste sich beherrschen, um nicht über Saphiras Frage zu lachen. Wieder einmal zeigte sich, dass eine Spur von Eitelkeit zu den Charakterzügen seiner Seelengefährtin gehörte. Die Nachricht, die der junge Anführer der Drachenreiter erhalten hatte, stammte von seiner ehemaligen Schülerin Narie. Die beiden Eier, die für ihn und Saphira von besonderem Interesse waren, hatten ihre Reiter gefunden. Damit war die blaue Drachendame zum ersten Mal offiziell Großmutter geworden. Zwar freute sie sich für ihren Sohn und seine Partnerin aber auch Sorge keimte in Ihr auf.
Eragon spürte wie einige Bilder vor dem geistigen Auge seiner Drachendame vorbeigezogen. Bilder von alten klapprigen Frauen und Männern denen die Haare ausgefallen waren und die Zähne, alte Leute in Schaukelstühlen und Ähnliches geisterte durch Saphiras Gedanken. Eragon ließ vor seinem geistigen Auge ein Bild von Saphira aufsteigen, welches kaum ehrfurchtgebietender sein konnte. Es zeigte die blaue Drachendame wie sie stolz auf einem Felsvorsprung über der Ostmark thronte und die Sonne im Schuppenkleid prächtig erstrahlen ließ. Die Körperhaltung drückte Vitalität aus und verdeutlichte die geradezu unüberwindliche Kraft Saphiras. Mit diesem Bild verknüpfte Eragon seine Zuneigung zu Ihr und seinen festen Glauben, dass es kaum ein Wesen auf der Welt gab, das seiner Seelengefährtin gleichkam.
- "Ich hab Dich lieb Kleiner" – summte die Drachendame in die Gedanken ihres Reiters und nahm das Bild in ihrer eigenen Erinnerungen auf. Eragon spürte, wie sich Saphiras Geist zurückzog, und ganz in der Bewunderung ihrer eigenen Stärke versank.
Lächeln schüttelte der Anführer der Drachenreiter den Kopf und öffnete nun leise die Tür zum Kinderzimmer seiner kleinen Tochter. Vorsichtig schlüpfte er hinein, blieb aber im Türrahmen stehen. Arya hockte neben der Wiege der kleinen Marlena und sang dem kleinen Mädchen fast flüsternd ein Schlaflied vor.
Eragon beschloss sie nicht zu stören und blieb weiterhin im Türrahmen stehen. Er lehnte seinen Kopf an das Holz, schloss die Augen und lauschte dem sanften Klang von Aryas Stimme. Sie erinnerte ihn an eine warme Brise, die an einem Sommerabend sanft durch das Blattwerk der Bäume strich. Er spürte die Worte bis tief in seinen Körper sickerten und den ganz und gar mit einer wohligen Wärme erfüllten.
Wie tief er in dieser Trance geglitten war, merkte er erst, als ihm jemand an der Schulter rüttelte. Er schlug die Augen auf und blickte direkt in den unendlichen grünen Ozean von Aryas Augen. Allein aus Rücksicht auf ihre kleine Tochter, die inzwischen süß träumte, unterdrückte die Elfe ein Lachen.
"Ich wollte eigentlich unseren kleinen Morgenstern zum Schlafen bringen, Liebster, nicht Dich."
Eragon zog seine Gefährtin an sich und haucht Ihr einen Kuss auf die Lippen.
"Was soll ich sagen mein Stern, ich erliege halt immer wieder Deinen Zauber."
"Schmeichler!"
Ein gewisser Sarkasmus begleitete das Wort, doch Aryas sanftes Lächeln zeigte, das sich durchaus über das Kompliment freute.
"Es gibt Neuigkeiten aus Alagaësia.", sagte er Eragon schließlich.
Arya nickte und verließ gemeinsam mit ihrem Gefährten das Kinderzimmer. Leise und behutsam schloss die Elfe die Tür bevor sich Ihr Blick wieder fragend auf Eragon richtete.
"Saphira und Fírnen sind offiziell Großeltern."
"Welches der beiden Eier?" Erkundigte sich Arya freudig erregt.
"Beide!" erklärte Eragon. "Aus dem roten Ei ist ein Junge geschlüpft und aus dem Violetten ein Mädchen."
Ein strahlendes Lächeln verwandelter Aryas Gesicht in ein einmaliges Kunstwerk. Kurz wanderte der Blick der Elfe ins Leere.
"Und? Freut sich Fírnen?" erkundigte sich der junge Anführer der Reiter. Er vermutete, dass die Elfe ihren Seelengefährten sogleich die freudige Nachricht überbracht hatte.
"In der Tat." bestätigte Arya. "Er möchte wissen welchen Eindruck die Reiter machen. Aus welchem Volk sie stammen und ob sie gut auf seine Enkel aufpassen werden. Außerdem will er wissen, ob die beiden schon Namen haben?"
Eragon nickte.
"Ihre Reiter haben sie nach Sternbildern benannt. Anarie die Sternenjägerin und Tailon der Himmelskrieger."
Aus dem stolzen und zufriedenen Lächeln seiner Gefährtin konnte Saphiras Reiter schließen, dass diese Namen die Zustimmung ihres Drachen fanden.
"Der rote Tailon ist bei einem jungen Menschen namens Cale geschlüpft. Er scheint ein recht angenehmem Charakter zu haben und kommt aus dem einfachen Volk. Allerdings umgibt ihn ein kleines Geheimnis. In seinem Besitz befand sich ein Dolch, der offenbar von Deinem Volk geschmiedet wurde Arya. Die Waffe scheint einer Vorfahrin des jungen Reiters als Geschenk überreicht worden zu sein. Und zwar von einem Elfen, der offenbar Ihr Geliebter gewesen sein muss. Diese Liebe scheint auch nicht ohne Folgen geblieben zu sein. Die Berührung mit seinem Drachen hat bei Cale einen gewissen körperlichen Wandel ausgelöst. Er hat, schneller als normal der Fall sein dürfte, elfische Charakteristika ausgebildet."
Arya hob überrascht eine Augenbraue.
"Das dürfte einige in meinem Volk überraschen. Es hat zwar in der Zeit vor Galbatorix einige Beziehungen zwischen Menschen und Elfen gegeben aber von Kindern ist praktisch nichts bekannt. Jedenfalls nichts was über Gerüchte hinausgeht. Es dürfte die Weltanschauung von einigen aus meinem Volk ins Wanken bringen, wenn mit unserem jungen Schüler der Beweis erbracht wird, dass es solche Kinder wirklich gab."
"Ich dachte, unsere Marlena wäre schon ein Beweis dafür?" wunderte sich Eragon.
"Es beschämt mich im Grunde dies zu sagen, aber viele aus meinem Volk halten sich an der Tatsache fest, dass Du während der Blutschwurfeier verwandelt worden bist. Sie schieben es darauf, dass unsere Kleine geboren wurde."
Der junge Anführer der Reiter schüttelte etwas enttäuscht den Kopf. Er bewunderte das Volk der Elfen sehr, doch in manchen Punkten erschienen ihm die Elfen auch fast gefährlich engstirnig.
"Was glaubst du wie sich diese Erkenntnis auswirken wird?"
Arya dachte gründlich über die Antwort nach.
"Unterschiedlich." vermutete sie schließlich. "Die, die Veränderungen offen entgegentreten werden erfreut sein, die die sie ablehnen werden noch tiefer in ihrer Engstirnigkeit versinken. Wir müssen die Situation wohl einfach beobachten und angemessen reagieren. Zeigt dieser Junge, Cale, eigentlich veränderte Fähigkeiten sei die Veränderungen beim eingetreten sind?"
Eragon schüttelte den Kopf.
"Bisher nicht. Allerdings hat Narie die Fähigkeiten der beiden neuen Reiter auch noch keiner Prüfung unterzogen. Sie wird uns berichten, sobald sie neue Informationen hat. Marek dürfte in den nächsten Tagen in Gil'ead eintreffen. Dann werden die beiden an die Arbeit gehen und sich mit unseren neuen Rekruten auf dem Weg nach Emfielion machen."
"Wer ist eigentlich der zweite neue Reiter?" erkundigte sich Arya.
Es war Eragons Gesichtsausdruck, der der Elfe die Antwort gab.
"Ich freue mich für Ismira." lachte Arya. "Sie hat ein liebevolles und unvoreingenommenes Wesen. Sie wird sicher eine gute Reiterin werden."
Eragon nickte, doch konnte er auch eine gewisse Sorge nicht unterdrücken.
"Was hast Du?" Erkundigte sich seine Gefährtin. Offenbar hatte sie auf seinem Gesicht erkannt, dass ihm etwas quälte.
"Es freut mich sehr, meine Nichte um mich zu haben und dass sich Ihr Wunsch erfüllt hat eine Drachenreiterin zu werden. Doch ich mache mir etwas Sorgen um Roran und Katrina. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, den alle Eltern wohl fürchten. Ihr Küken verlässt das Nest."
Am Gesicht der Elfe konnte Eragon erkennen, dass sie seine Sorgen nachvollziehen konnte.
"Die Situation hat sich verändert, seit wir unsere ersten Schüler ausbildeten." schlug Arya schließlich vor. "Wir könnten vielleicht eine Sonderregelung für sie finden. Einer unserer erfahreneren Schüler könnte sie beispielsweise im Palancartal ausbilden. Dann wäre Ismira näher an der Heimat."
Eragon überdachte kurz den Vorschlag seiner Gefährtin. Schließlich jedoch schüttelte er den Kopf.
"Ich weiß, Du meinst es gut aber das können wir nicht machen. Zum einen ist es Tradition geworden, dass junge Reiter zu Ostmark reisen, um die Wege des Ordens zu lernen. Alle unsere Schüler mussten das bisher. Ich kann für Ismira keine Ausnahme machen, nur weil sie meine Nichte ist. Andere Reiter wussten auch ihre Familien zunächst zurücklassen. Es wäre ungerecht, wenn wir hier anders verfahren. Außerdem sind die Eldunari immer noch ein wichtiger Teil der Ausbildung. Ihre Lebenserfahrung gibt unseren Rekruten realistische Beispiele was auf sie zukommen könnte. Auch Ismira braucht diese Möglichkeit sich auf Ihr Leben als Reiterin vorzubereiten. Sicher, wir könnten Eldunari magisch nach Alagaësia schicken aber das Risiko wäre mir zu groß. Nur wenige wissen, was ein Seelenhort überhaupt ist. Nach wie vor sind die Herzen der Herzen ein großes Geheimnis und so soll es auch bleiben. Es würden zumindest Gerüchte entstehen, wenn wir Eldunari, zwecks der Ausbildung Ismiras, quer durchs Land schicken."
Arya musste dem zustimmen. Trotzdem konnte sie gut nachvollziehen, was Katrina nun fühlen musste. Zwischen den beiden Frauen hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt seit Rorans Gattin die Elfe in ihrer Familie aufgenommen hatte.
Nachdenklich umarmte eins ihren Gefährten und schmiegte sich an ihn.
"Ein Glück, dass Marlena noch so klein ist."
Diesen Worten konnte Eragon nur zustimmen.




Nachdenklich beobachtete Roran seine Frau. Sie saß in Ismiras Zimmer auf der Kleidertruhe und starrte gedankenverloren aus dem Fenster. Schließlich wagte der Graf des Palancartals den nächsten Schritt. Er setzte sich hinter seiner Gattin und legte die Arme um sie. Er spürte wie sie sich dankbar an ihn schmiegte.
"Du wirst sie vermissen, nicht wahr?" erkundigte er sich vorsichtig.
Katrina nickte. Es verging einige Zeit bis sie schließlich antwortete.
"Unser kleiner Wirbelwind hat mir schon einmal das Leben gerettet."
Zunächst wollte Roran fragen, was seine Frau damit meinte aber dann verstand er. Katrina dachte an ihre Zeit auf dem Helgrind. Bevor sie von den Ra'zac entführt worden waren, hatte sie zum ersten Mal mit Roran das Bett geteilt. Dabei hatte sie Ismira empfangen. Nach ihrer Rettung hatte sie bereits auf dem Rückweg zu den Varden Roran davon erzählt. Daher hatten sie es so eilig gehabt mit ihrer Hochzeit.
"Hätte ich in der Dunkelheit damals nicht bemerkt, dass da etwas in mir heranwächst, ich weiß nicht, ob ich es ertragen hätte. Als ich es bemerkt habe ging es nicht mehr nur um mich. Ich wollte mein Kind beschützen. Ich wollte diesen kleinen Wesen nicht die Chance auf ein Leben nehmen, indem ich meins beende."
Roran wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er konnte gut verstehen was Katrina bewegte und er schauderte bei dem Gedanken daran, was gewesen wäre, wenn sie nicht die Nacht miteinander verbracht hätten bevor die Ra'zac zuschlugen.
Eine Weile schwieg das Ehepaar einfach. Schließlich war es Roran, der wieder das Wort ergriff:
"Betrachte es doch einmal von dieser Seite. Unser Wirbelwind ist sowieso nun in dem Alter wo sie sich einen Ehemann gesucht hätte und das Nest verlassen hätte, um Ihr eigenes zu bauen. Dann wäre sie jetzt vielleicht viele Meilen entfernt und hätte keinen Drachen an ihrer Seite auf dessen Rücken Sie so schnell das Land reisen kann, dass sie uns oft besuchen kann. Außerdem würde sie die nächsten Jahre vielleicht nicht an einem Ort leben wo, Magie allgegenwärtig ist und sie uns ständig über einen magischen Spiegel von ihrem Leben berichten kann."
Katrina drehte sich zu ihrem Gatten um und zu dessen Erleichterung schien sie diese Vorstellung wirklich aufzumuntern.
"Du hast recht.", sagte sie. "Außerdem könnte ich mir niemanden vorstellen der besser auf sie aufpassen wird als Ihr Onkel Eragon und ihre Tante Arya."
"Na siehst Du."
Roran drückte Katrina aufmunternd an sich.
"Außerdem sind da ja noch Cadoc und Garrow."
Mit dieser Feststellung Vertrieb Katrina die letzten ihrer düsteren Gedanken.
"Unsere Jungs müssen sich wohl darauf einstellen demnächst schrecklich von Dir verwöhnt zu werden, was?"
"Oh ja!" bestätigte die Gräfin die Befürchtung ihres Mannes. "Weißt Du wer mir nur leid tut?"
"Wer?" erkundigte sich Roran.
"Anna. Sie wird sich nun eine neue Beschäftigung suchen müssen. Denn ich werde Ihr nicht gestatten, unseren Jungs beizubringen wie sie sich als Dame zu verhalten haben."
"Da bin ich ja erleichtert!" lachte Roran. "Nun, vielleicht können sie und Alberich nun mal an eigene Kinder denken."



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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt