33. Diebe

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- "Was hast Du denn, Rotschopf?" -
Ismira saß mit dem Rücken an ihre Drachendame gelehnt und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Anaries sanfte Stimme konnte sie nicht wirklich aufheitern. Der Blick der jungen Frau haftete an der Wohnhöhle, wo ihre Tante und Ihr Onkel Quartier bezogen hatten. Viel zu sehen gab es allerdings nicht. Zwar hatten sich die beiden ältesten Drachen, Saphira und Ihr grüner Nistpartner, bereits zu der Lichtung zurückgezogen und sie die Nacht verbringen wollten aber die Leiber von Laorie, sowie die der Eltern ihrer eigenen Drachendame Anarie, waren mehr als genug um jedem neugierigen den Einblick in das Quartier ihrer Verwandten zu verwehren.
- "Schmollst Du weil Dein Onkel nicht wollte das Du bei der Besprechung dabei bist?" -
- "Es ist einfach nicht gerecht!" - platzte es aus Ismira heraus. - "Wir sind doch auch Drache und Reiterin. Warum dürfen wir nicht dabei sein, wenn Angelegenheiten der Reiter besprochen werden?" -
- "Weil Du, Rotschopf, offenbar vergisst, dass Du kein Mitglied des Ältestenrats bist, sondern eine Schülerin des Ordens. Sicher, Eragon ist Dein Onkel aber enttäuscht mich bitte nicht Ismira. Du erwartest doch nicht wirklich eine Sonderbehandlung deswegen, oder?" -
- "Nein, nicht wirklich." - druckste die junge Frau. - "Es ist nur ungewohnt, dass Onkel Eragon mir etwas verbietet. Das war normalerweise die Aufgabe von Mutter und Vater und er hat mir geholfen sie zu überlisten." -
- "Ach Rotschopf." - kicherte Anarie. - "Eine Sache darfst Du nicht vergessen. Eragon ist nicht mehr nur Dein Onkel. Sichließlich ist Saphira auch nicht nur meine Großmutter. Er ist der Intill sa. Der Anführer der Reiter. Sicher wirst Du immer einen besonderen Platz in seinem Herzen haben aber er muss Dich so behandeln wie jeden anderen Reiter." -
- "Im Grunde weiß ich das ja. Es ist nur..." -
Ismira versank in Grübelei und brachte den Satz nicht zu Ende.
- "Was?!" - bohrte Anarie nach.
- "Ich denke, dass es bei diesem großen Geheimnis, was da besprochen wird, um Cale geht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Meisterin Narie uns nicht alles erzählt hat, was sie von dieser Schmiedin Runön erfahren hat. Ich mag Cale, und seinen Drachen auch." -
- "Kunststück! Er ist ja immerhin mein Bruder." -
Liebevoll strich Ismira ihre Drachendame über die Flanke während sie über ihre Bemerkung schmunzelte.
- "Ich finde es einfach nicht richtig den beiden etwas zu verschweigen , wenn es um Cales Familie geht." -
- "Im Grunde gebe ich Dir da recht Rotschopf. Aber letztlich müssen wir unseren Lehrern vertrauen. Sie sind zwar auch nicht unfehlbar aber haben mehr Erfahrung als wir." -
Ismira nickte nur stumm und beobachtete die Cale und Tailon auf dem Plateau vor der weißen Zitadelle landeten. Kurz winkte der junge Reiter seiner Mitschülerin zu, dann ging er gemeinsam mit seinem Drachen auf sein Quartier zu.
Natürlich hat die Ismira seinen freundschaftlichen Gruß erwidert und blickte den beiden nun nach. Plötzlich schwappt eine Welle von Belustigung durch ihren Geist.
- "Anarie? Was amüsiert sich bitte so?" -
- "Nichts, nichts. -" summte die violette Drachendame und blickte unschuldig in den abendlichen Himmel. Schließlich fixierte sie ihre Reiterin mit dem Blick eines Falken der sich unerbittlich auf seine Beute stürzte. - "Du mag Cale also?" -
Ismira spürte sofort wie Ihr Blut in die Wangen schoss.
- "Aber doch nicht so. Ich meine so habe ich noch nie über einen Jungen gedacht." -
- "Weil Du bisher nur Drachen im Kopf hattest. -" kicherte Anarie was dazu führte, dass ihre Reiterin noch weiter rot anlief.
- "Gib es schon zu! Du magst ihn." -
- "Vielleicht ein ganz kleines bisschen." - gestand Ismira schließlich.
- "Natürlich! Nur ein ganz kleines bisschen. Nicht so viel! -" neckte die junge Drachendame.
Bevor Ismira auf die Sticheleien eingehen konnte änderte sich mit einem Schlag Anaries ganzes Verhalten. Ihr inzwischen bereits mächtiges Haupt fuhr herum und fixierte nun den Eingang zu Cales Quartier.
- "Was ist los? -" erkundigte sich Ismira besorgt als sie spürte wie die Flanken ihrer Drachendame vor Aufregung bebten.
Erkennen konnte man auf den ersten Blick nichts. Nur bei näherem Hinsehen fiel der jungen Reiterin auf, das Tailon, Cales Seelenpartner, ebenfalls erregt war. Der rote Drache hatte sich ursprünglich vor dem Quartier seines Reiters eingeholt und genoss die letzten warmen Strahlen der Abendsonne. Nun hatte er den Kopf in die Wohnhöhle gesteckte und sein Schwanz zuckte aufgeregt hin und her.
- "Mein Bruder ist sehr aufgeregt." - Erklärte Anarie. - "Da muss etwas passiert sein." -
- "Dann sehen wir lieber mal nach." - schlug die junge Reiterin vor. Ihre Drachendame stimmte zu und wies Ismira an sofort aufzusteigen. Zwar war es nur eine sehr kurze Strecke zu Cales Wohnhöhle aber selbst kurze Entfernungen ließen sich auf dem Rücken eines Drachen noch abkürzen. Zu Fuß hätte Ismira einigen Minuten gebraucht und das Plateau vor der weißen Zitadelle zu überqueren. Ihr Weg wäre zusätzlich durch die verschlungenen Pfade erschwert worden, die durch die Gartenanlagen führten. Über die Beete hinweg zu trampeln wagte die junge Frau nicht. Die Elfen hätten es Ihr sicher übel genommen.
Auf Anaries Rücken jedoch erreichten sie Ihr Ziel in einigen Sekunden. Die violette Drachendame stieß sich vom Boden ab, spannte ihre Flügel auf. Damit verlängerte so ihren Sprung zu einem sanften Gleitflug. Mit zwei langen Sätzen taten sie Ihr Ziel erreicht.
- "Was ist los?" - erkundigte sich Ismira bei Tailon der sich vor dem Eingang zur Wohnhöhle aufgebaut hatte und immer noch den Kopf im Inneren von Cales Behausung hatte. Erst die Frage der jungen Reiterin ließ ihn herumwirbeln. Im ersten Augenblick knurrte er Ismira wütend an. Erst als seine Schwester einen sanften Summton ausstieß und seine Nase mit ihrer Schnauze anstupste beruhigte sich der rote Drache etwas und trat beiseite damit die Besucher eintreten konnten.
Ismira huschte an dem roten Drachen vorbei während Anarie bei ihrem Bruder blieb, um diesen etwas zu beruhigen. Sie verfolgte das Geschehen durch die Augen ihrer Reiterin.
Als Ismira die Wohnhöhle betrat, weiteten sich ihre Augen vor Überraschung. Es herrschte ein heilloses Durcheinander. Die Schubladen von Cales Schreibtisch waren aufgezogen worden und ganz offensichtlich hatte man den Inhalt durchsucht. Dasselbe galt auch für den Kleiderschrank. Am erschreckendsten war aber der Zustand von Cales Bett und dem Podest auf dem normalerweise Tailon ruhte. Wer immer das Zimmer durchsucht hatte war offenbar nicht damit zufrieden gewesen, Schränke und Schubladen zu durchstöbern. Der Unbekannte hatte Decken und Kissen auf den Boden geworfen und die Matratzen aufgeschlitzt, um sicherzugehen, dass in ihnen nichts verborgen war.
Auch die gleichen Teppiche, die auf dem Boden lagen, hatte man umgedreht und sie lagen nun unordentlich und verdreht in der künstlichen Höhle.
Cale, der inmitten der Unordnung stand, wirkte etwas verloren. Ismira trat an seine Seite und legte ihm die Hand auf die Schulter. Erst jetzt schien der junge Drachenreiter seiner Mitschülerin zu bemerken. Ein kurzes Lächeln blitzte über seine Züge, machte allerdings sofort wieder einen besorgten Gesichtsausdruck platzt.
"Was ist denn hier bloß passiert?" Erkundigte sich Ismira.
"Jemand hat hier offensichtlich etwas gesucht." stellte Cale fest und bemühte sich sachlich zu klingen. Es gelang ihm nicht ganz und Ismira hatte dafür Verständnis. Bisher hatte es sie nicht gestört, dass Ihr Quartier so offen war. Dafür brachte sie schließlich den Vorteil, dass Anarie bei Ihr sein konnte. Nun fühlte sie sich aber nicht mehr wirklich sicher in einer Wohnhöhle, die sich nicht mit einer soliden Tür verschließen ließ.
"Wir sollten überprüfen, ob etwas fehlt." schlug Cale vor. "Hilfst Du mir?"
Ismira nickte bereitwillig. Im Augenblick wollte sie ohnehin nicht allein in ihrem Quartier sein.


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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt