*58. Geschichte in Stein (1/2)

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Lächelnd trat Cale zu Ismira. Lange hatten die beiden jungen Liebenden sich überlegt wie sie sich nun bezeichnen sollten. "Geliebter" oder "Geliebte" erschien beiden unpassend. Es klang als würden sie etwas verbotenes tun. Um sich als verlobt zu bezeichnen schien es den beiden aber auch noch zu früh. Gerade weil sie als Drachenreiter ein sehr langes Leben vor sich hatten wollten sie ihre Beziehung auf ein solides Fundament stellen bevor sie etwas offiziell machten. Auf Aryas Ratschlag hin hatten die beiden schließlich die elfischen Bezeichnungen gewählt und sich kurzerhand zur Gefährten erklärt.
Nun beobachtete Cale wie Ismira lieblos ihre Habseligkeiten in ihrer Satteltaschen stopfte.
"Schmollst du noch immer oder bist Du nur müde?"
In der Tat hatte Eragon seine beiden jüngsten Schüler bereits ungewöhnlich früh geweckt. Sie befanden sich auf der Reise zu Ostmark und aus irgend einem Grund bestand der junge Anführer der Reiter darauf, den Flug noch vor Sonnenaufgang fortzusetzen.
Ismira beantwortete die Frage ihres Gefährten mit einer herausgestreckten Zunge.
"Also beides." lachte der junge Reiter und setzte sich neben seine Gefährtin. Einige Augenblicke fuhr die junge Frau damit fort ihre Habseligkeiten zu quälen dann blickte sie Cale an und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.
"Mein Onkel scheucht uns vor Tagesanbruch aus dem Bett aber er hält es nicht für nötig uns zu erzählen worüber er sich mit Meisterin Narie und Meister Marek unterhalten hat! Geheimes Wissen! Wir sind doch auch Drachenreiter!"
"Wir sind Schüler des Ordens." verbesserte Cale und zog seine Geliebte in eine zärtliche Umarmung. "Wir müssen beide akzeptieren, dass es Dinge gibt die man uns noch nicht anvertrauen wird. Denk daran unsere Ausbildung wird noch fast drei Jahre dauern. Wenn Du dich jedes Mal so ärgerst wenn jemand sagt, dass du für dieses oder jenes noch nicht bereit bist, wirst du dir noch ein Magengeschwür zu ziehen. Und das werde ich nicht zulassen."
Cales sanfter Kuss überzeugte Ismira schließlich ihre Wut aufzugeben.
"Ich verstehe aber trotzdem nicht warum wir so früh aufstehen mussten. Um ehrlich zu sein verstehe ich nicht einmal warum wird nochmal eine Rast eingelegt haben. Nachdem was Saphira gesagt hätten wir die Ostmark gestern noch erreichen können. Gestern hatten wir also Zeit und heute Morgen auf einmal nicht?"
"So ist es!"
Eragon trat lächelnd zu seiner Nichte und dem jungen Mann der sie in den Armen hielt.
"So ungern ich euch beide stören aber ihr solltet euch jetzt beeilen und eure Drachen satteln. Sonst verpassen wir nämlich ein einzigartiges Schauspiel. Ich möchte bei Sonnenaufgang in Sichtweite der Ostmark sein."
Verständnislos blickte Ismira ihrem Onkel nach der sich entfernte. Anschließend richtete sie einen fragenden Blick auf Cale der nur hilflos die Schultern heben konnte.



Wenige Minuten später war der Donner in der Luft. Saphira führte gemeinsam mit Fírnen die Formation an. Die beiden ältesten Drachen wurden flankiert von Kalain und Drugatie zur rechten und an ihrer linken Seite flog die wilde Drachendame Maranie. Tailon und Anarie bildeten das äußerste Ende der Formation.
- "Auf irgend etwas scheint sich Meister Eragon sehr zu freuen." - teilte Cale seinem Drachen mit. - "Weißt du worum es geht?" -
- "Nein." - erwiderte Tailon noch leicht verschlafen. - "Großmutter macht es auf jeden Fall auch Spaß ihre Enkel unverantwortlich früh aus dem Schlaf zu reißen. Und dann gibt sie nicht mal eine Erklärung also ich finde das...." -
Unverhofft verstummte der junge rote Drache. Irgend etwas am Horizont schien Tailons Aufmerksamkeit zu erregen. Cale folgte dem Blick seines Drachen und bemerkte etwas das auch ihn verwirrte. Am Horizont erhob sich eine Bergkette. Dies war zwar nichts ungewöhnliches aber genau in östlicher Richtung, exakt auf den Kurs des Donners und genau an der Stelle wo die Sonne bereits über den Horizont schielte, war ein Lichtreflex zu erkennen. Irgend etwas strahlte in Blau und Grün. Das grüne Licht schien von rechts zu kommen das Blaue von links und beide Reflexe vereinten sich zu einem Türkis.
Cale spürte durch die geistige Verbindung zu seinem Drachen wie ein sanftes Lachen durch seine Gedanken glitt. Er erkannte die Stimme von Eragon Schattentöter.
- "Ismira, Cale willkommen in der Ostmark. Ihr werdet nun gleich erkennen warum es nützlich ist einen Zwerg unter den Reitern zu haben." -
Die letzten Meilen schmolzen unter den kräftigen Flügelschlägen der Drachen schnell zusammen. Immer deutlicher trat nun zu Tage was die Reiter dort begrüßte. Cale kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Offenbar begrenzten ursprünglich zwei gigantische Felsnadeln den Zugang zu einem Tal. Jemand hatte sich allerdings dieser Gebirgsformation angenommen und die gigantischen Felsen in ein Kunstwerk verwandelt. Die beiden Felsnadeln stellten nun zwei riesige Drachen da, die auf den Hinterbeinen hockten und als gigantische zeitlose Wächter über dem Eingang zum Tal thronten. Nun wurde Cale auch klar was den Lichtreflex ausgelöst hatte. Die Augen der beiden Drachenstatuen bestanden aus lupenreinen Edelsteinen Die das Licht der aufgehenden Sonne eingefangen hatten. Bei dem einen Drachen handelte es sich um Saphire während das Auge des anderen mit Smaragden bestückt war.
Die beiden Monumente waren einfach gigantisch. Tailon hätte bequem in dem aufgerissenen Maul der einen Statue landen können und die Augen der Drachen hatten denselben Durchmesser wie die komplette Flügelspannweite des jungen Roten oder seiner Schwester.
Das donnernde Brüllen eines Drachen schreckte den jungen Reiter aus seiner atemlosen Bewunderung. Vom Fuß der rechten Statue erhob sich ein brauner Drache in den Himmel. Seine Schuppen glänzten wie polierter Marmor und waren von einem Hauch von Gold durchzogen. In der Farbe des edlen Metalls strahlten auch Hörner und Krallen des unbekannten Drachen.
Der Braune trug einen Reiter auf seinem Rücken. Zunächst glaubte Cale, dass es sich bei dem unbekannten Reiter um ein Kind handeln müsse den die Gestalt erschien ihm ausgesprochen klein. Dann jedoch Begriff der junge Mann, dass es sich um Burod handeln musste, den ersten Drachenreiter der Zwerge. Demnach war der unbekannte braune Drache Beoram.
Ausgelassen umrundete der junge Drache den ankommenden Donner und ließ immer wieder ein ausgelassenes Brüllen erklingen.
Cale fand den Reitern den der Braune auf seinem Rücken trug jedoch wesentlich faszinierender als den Drachen selbst. Außer bei der Reiterprüfung hatte er noch nie einen Zwerg gesehen. Soweit man das beurteilen konnte war Burod ein noch recht junger Vertreter seiner Art. Langes blondes Haar wehte unter seinem Helm hervor. Die kunstvolle Kopfbedeckung des Zwerges war mit zwei mächtigen gewundenen Hörnern verziert. Cale vermutete, dass sie von einem Feldunost stammten. Seine erste Meisterin Narie hatte ihm von den mächtigen Böcken im Beorgebirge erzählt.
Des weiteren trug Burod einen Brustpanzer aus einzelnen goldenen Plättchen, die in Formgebung Drachenschuppen ähnelten und darunter war er mit einem braunen Wams aus denselben schützenden Stoffe den auch Meisterin Narie und Meister Marek für ihre Rüstungen verwendeten. An einem breiten Ledergürtel trug der Zwerg zwei Schwertscheiden und über dem Kopf schwang er eines der Doppelklingendenschwerter seines Volkes. Während die Klingen selbst so braun waren wie der Drache auf dem der Zwerg ritt, war die Stange die sie verband golden. Cale vermutete, dass man die Waffe aus einander schrauben konnte und der Zwerg dann die Klingen in den Scheiden an seinem Gürtel verstaute.
Im Gegensatz zu den meisten Mitgliedern der seines Volkes trug Burod keinen Vollbart. Lediglich ein blonder Schnurrbart, dessen Enden bis zum Kinn reichten und geflochten waren, schmückte sein Gesicht.
- "Darf ich euch den Künstler vorstellen, der es sich offenbar zum Ziel gesetzt hat jeden einzelnen Stein in der Ostmark in ein Kunstwerk zu verwandeln: Meister Burod und sein Drache Beoram." -
Mit seinen Worten bestätigte Eragon Cales Vermutung. Bevor allerdings Fragen der jungen Schüler auf den Anführer der Reiter einprasseln konnten ergriff dieser schon wieder das Wort: - "Cale und Ismira, folgt bitte Burod und Beoram. Sie werden euch etwas zeigen dass ihr sehen sollte. Wir treffen uns dann im Inneren des Tals wieder." -
Mit diesen Worten verabschiedete sich Eragon von seinen Schülern und Saphira beschleunigte ihren Flug. Alle Drachen mit Ausnahme von Tailon und Anarie folgten der blauen Drachendame in das Tal hinein. Burod indes bedeutete den beiden jungen Schülern ihm zu folgen. Beoram strebte dem Linken der beiden steinernen Drachen entgegen und landete kurze Zeit später, flankiert von den beiden jüngeren Drachen, im Rücken der Statue.
Auch aus der Nähe wird die beiden Standbilder sehr beeindruckend. Cale erkannte, dass sie nicht etwa andernorts geschaffen und dann auf den Bergspitzen platziert worden waren sondern das tatsächlich die oberen Enden des Feldsmassives zu diesen Kunstwerken umgearbeitet worden waren. Auch fiel aber nun auf, dass das Standbild auf der gegenüberliegenden Klippe noch nicht vollständig fertig war. Offenbar hatte Burod gerade an seiner Schöpfung gearbeitet als der Donner der zurückkehrenden Reiter in Sicht gekommen war.
Nun wandte der junge Buchbindersohn allerdings wieder den Zwerg seine Aufmerksamkeit zu. Dieser verließ gerade den Rücken seines Drachens. Cale erkannte nun, dass der Knurlan einen völlig anders geformten Sattel benutzte. Dieser bildete eine Art Sitzschemel über dem Rücken des braunen Drachen und während Burod auf diesem Schemel saß zog der Zwerg seine Knie unter den eigenen Körper. Dort fixierte er sie mit Lederriemen. Vor der Brust des Zwerges war ein Sattelhorn an das sich der Reiter mit dem Oberkörper lehnen konnte und das Halteschlaufen für die Arme bot, so dass auch komplizierte, schnelle Flugmanöver möglich waren.
- "Was meinst du warum dieser Reiter einen so ungewöhnlichen Sattel hat?" -
Tailon kommentierte die Frage der seines Reiters mit einem Schnauben welches offenbar einem "das sieht man doch" gleichzusetzen war.
- "Na wegen seiner Größe." - kommentierte der Rote. - "Sieh dir kurzen Beine des Zwergs an. Wenn er versuchen würde die an den Flanken seines Drachens herunterbaumeln zu lassen wie du würde er sich vermutlich seine Hüftgelenke ausränken. In jedem Fall wäre das nicht sonderlich bequem." -
Cale konnte seinem Drachen nur beipflichten. Die Körpergröße des Zwergs musste tatsächlich gewisse Herausforderungen und für ein Umdenken bei den Reitern gesorgt haben. Der Sattel war jedoch noch in anderer Hinsicht gut durchdacht, denn gerade in diesem Moment demonstrierte der Zwerg eine weitere besondere Eigenschaft seiner Sitzgelegenheit. Er löste einen Lederriemen und eine Art Strickleiter, bestehend aus geflochtenen Riemen fiel dem Boden entgegen. An ihr kletterte der Zwerg von seinem Drachen und zog dann an einem weiteren Lederriemen wodurch sich die Leiter wieder zusammenzog und dicht am Körper seines Drachens fixiert wurde. So konnte der Zwerg bequem auf- und absteigen und die Leiter selbst behinderte sein Drache nicht im Flug.
Auch Cale und Ismira verließen nun den Rücken ihrer Seelenpartner und verneigten sich vor dem Zwerg der auf sie zukam. Dieser begann sofort polterns zu lachen.
"Hört bloß mit dem Unsinn auf ihr zwei! Seh ich aus wie einer von den Spitzohren? Ich bin zwar ein voll ausgebildeter Reiter aber ich unterrichte noch keine Schüler also untersteht euch mich Meister zu nennen. Burod ist der Name und mein Drache heißt Beoram. Wie heißt ihr?"
Etwas überrascht von der Warmherzigkeit des Zwerges stellten sich Cale und Ismira vor und verrieten, mit Genehmigung der beiden, auch die Namen ihrer Drachen.
"Gut, dann kommt man mit ihr zwei. Wir haben euch einiges zu zeigen."

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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt