*70. Rätsel und Lügen

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Eragon und Arya standen Seite an Seite in der Ratshalle des Ordens der Reiter und verfolgten den Strom von Erinnerungen den sie von Umaroth empfingen. Der ehemalige Drache von Vrael hatte sich nach einigen Überlegungen dazu bereit erklärt seine Erinnerungs mit den beiden Ältesten der neuen Generation der Drachenreiter zu teilen.
Eragon fühlte sich im Augenblick wie zwischen zwei Mühlensteinen. Deutlich spürte er Umaroth Trauer der mit dem Abbild von Vrael verband. Selbstverständlich fiel es ihm nicht leicht an seinen ehemaligen Reiter zu denken. Es überraschte Saphiras Seelengefährten jedoch wie lebendig die Trauer selbst nach all dieser Zeit noch im Geist des alten Drachens loderte.
Eragon kann nicht umhin einen neuen Respekt für die Leistungen seines Vaters Brom zu empfinden. Auch Brom hatte einen Verlust wie Umaroth erlitten und es trotzdem geschafft große Leistungen in seinem Leben zu erbringen.
Doch auch von Arya fing der Anführer des Ordens ein Gefühl von Verlust auf. Die Bilder die sie im Augenblick betrachteten zeigten Vrael der in eine hitzige Diskussion mit einem Elfen vertieft war, der die traditionellen Gewänder des Königs des schönen Volkes trug. Arya betrachtete ihren Vater. Zwar stellte Eragon fest, dass sie wenn es um das Äußerliche ging eher die Tochter ihrer Mutter war, aber auch mit ihrem Vater zeigten sich einige Gemeinsamkeiten. Dasselbe stolze und selbstbewusste Auftreten und die Fähigkeit ihre Gefühle hinter einer neutralen Maske zu verstecken. Zweifellos hatte Arya diese Charaktereigenschaften von ihrem Vater geerbt.
Behutsam tastete Eragon nach Aryas Hand und drückte sie zärtlich um der Elfe etwas Trost zu spenden. Es verschaffte Saphiras Reiter etwas Erleichterung, als er spürte, dass seine Gefährtin den sanften Druck erwiderte. Zumindest hatte er ihr das Gefühl geben können nicht allein mit ihrem Schmerz zu sein.
Durch Umaroths Augen sagen die beiden Drachenreiter wie Vrael und Evander ihre Unterhaltung offenbar im Streit beendeten und der inzwischen verstorbene Reiter zu seinem Drachen zurück stürmte.
"Deine Unterhaltung mit dem Elfenkönig ist wohl nicht so gelaufen wie du es dir erhofft hast." stellte eine etwas jünger klingende Stimme des alten Drachens fest.
- "Nein, nicht wirklich." -
Inzwischen hatte Vrael seinen Seelengefährtin erreicht und ließ sich scheinbar erschöpft zwischen den mächtigen Pranken des schon damals statlichen Drachens sinken.
- "Ich verstehe das nicht Umaroth. Evander und ich kennen uns seit unserer Jugend und bei den Sternen, wir sind beide nicht mehr die Jüngsten. Auch hatte ich bisher mit ihm als König nie Probleme aber heute.... so habe ich ihn noch nie erlebt!" -
- "Hat er dir denn irgend eine Begründung genannt warum er dir diese Berichte vorenthält?" -
- "Nein, das ist es ja gerade!" -
Aus der Perspektive des mächtigen weißen Drachens sahen Eragon und Arya wie Vrael etwas hilflos mit den Händen gestikulierte.
- "Wenn er mir einen konkreten Grund nennen könnte, dann wäre es mir ja vielleicht möglich nachzuvollziehen warum er mir keinen Einblick gewähren will aber er weiß es ja selbst nicht!" -
- "Was soll das heißen?" -
Deutlich konnten die beiden jungen Reiter Umaroth Verwirrung in dieser Situation spüren.
Vrael hatte sich indes erhoben und begann aufgebracht vor seinem Drachen auf und ab zu gehen.
- "Ich meine, Evander weiß selbst nicht, was in diesen Papieren steht! Er weiß nur, dass ihm gesagt wurde, als er den Thron bestieg, dass niemand Zugriff auf diese Berichte haben dürfe. Es wäre äußerst schädlich für unser Volk. Und er hält sich daran! Stur wie ein Ochse! Und seine junge Gefährtin, Islanzadi, unterstützt ihn dabei noch. Bei ihr kann ich das noch verstehen. Sie hat gerade erfahren, dass die Mutterfreuden entgegensieht und möchte daher jeden nur möglichen Schaden von ihrem ungeborenen Kind fernhalten aber von Evander hätte ich Besseres erwartet. Das gefährlichste in der Welt ist immer das Unbekannte! Er beschützt ein Geheimnis und weiß nicht mal um was für ein Geheimnis es sich handelt. Diese Art von Verschwiegenheit kann sich als sehr gefährlich erweisen." -
Umaroth wollte gerade etwas erwidern als mit flatternden Flügelschlägen ein weißer Rabe auf einem Ast in seiner Nähe landete. Eragon erkannte den treuen Begleiter des Königshauses der Elfen Blagden.
Der Rabe spreizte die Flügel und verbeugte sich scheinbar von Vrael. Dann begann er mit seiner krächzenden Stimme eines seiner Gedichte zu rezitieren:


"wer in Wut ein Feuer entfacht,
der handelt äußerst unbedacht,
und er kann nicht erwarten milde,
vom Kleid der Salamandergilde."


Nachdem er geendet hatte verbeugte sich der geheimnisvolle Vogel erneut und schwang sich wieder in die Lüfte.
Der Strom der Erinnerung von Umaroth endete mit einem letzten Bild von Vrael der ihn, seinem Drachen, fragend ansah.
"Das ist leider alles was ich mit euch teilen kann meine jungen Freunde."
Die Stimme der Lichtgestalt des alten Drachen, von dem nur noch sein Eldunari existierte, klang fast entschuldigend.
"Wie ich euch bereit sagte, glaube ich nicht, dass es euch wirklich weiterhelfen wird."
"Wir danken euch trotzdem Meister." erwiderte Eragon. "Wir wissen, dass es nicht leicht für euch war dies mit uns zu teilen.
Bei seinen letzten Worten blickte der Anführer der Reiter auch Arya an. Die Elfe nickte ihm kaum merklich zu und ihr Blick brachte Dankbarkeit zum Ausdruck.
"Habt Ihr eine Ahnung was Blagden mit seinen Worten gemeint haben könnte Umaroth-Elda?" erkundigte sie sich anschließend beim Geist des alten Drachen.
Umaroth schüttelte sein mächtiges Haupt.
"Leider nicht."
Eragon kratzte sich etwas unbehaglich am Hinterkopf.
- "Sag bloß du hast eine Vermutung Kleiner?" - neckte Saphira ihren Reiter. Die blaue Drachendame hatte gemeinsam mit ihrem Nistpartner die Geschehnisse verfolgt. - "Rätsel sind doch normalerweise nicht deine Stärke." -
Peinlich berührt erkannte Eragon, das Arya nur mühsam ein Lächeln unterdrückte während er von Umaroth eine Welle der Heiterkeit empfing.
"Mach dir keine Sorgen Schattentöter." schmunzelte der alte Drache. "Das wird schon noch. Doch die Frage deiner Gefährtin ist berechtigt. Hast Du eine Vermutung?"
"Nun, ich versuche das Gedicht von Blagden einmal nicht wörtlich zu betrachten sondern nur seinen Geist. Wer mit Wut ein Feuer entfacht.... das deutet meiner Meinung nach darauf hin das etwas geschaffen wurde. Vermutlich von den Elfen. Die nächste Zeile des Gedichts deutet darauf hin, dass sie sich der Konsequenzen der Schöpfung nicht wirklich voll bewusst waren. Nicht immer hat dein Volk, Arya, so viele über die Magie gewusst wie heute. Und die letzten beiden Zeilen könnten andeuten, dass diese Schöpfung in irgendeiner Form außer Kontrolle geraten ist und sich jetzt gegen die Elfen wendet."
"Eine gute Überlegung Eragon." murmelte Arya. "Es würde zu dem passen was die Schatten gesagt haben. Dazu dass sie eine persönliche Abneigung gegen die Elfen haben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Volk die Geister erschaffen haben soll. Zu welchem Zweck? Außerdem sind auch wir nicht mächtig genug um selbstständig handelnde Lebewesen zu erschaffen. Es ist eine Sache zu Pflanzen zu singen und sich in eine bestimmte Form wachsen zu lassen aber Wesen aus reiner Energie zu schaffen die ihre eigenen Ziele verfolgen? Das kann ich mir nicht vorstellen."
"Wie wir es auch drehen und wenden meine jungen Freunde." brummte Umaroth. "Ein Teil dieses Rätsels fehlt uns noch damit wir die Wahrheit vollständig begreifen."
Eragon nickte nachdenklich.
"Hoffentlich finden wir diesen Teil bevor unsere Unwissenheit zum Problem wird."

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt