51. Orte von Bedeutung

48 10 0
                                    

Amüsiert beobachteten Eragon von dem Fenster seines Zimmers aus die hitzige Debatte zwischen Roran und Katrina. Hitzig war im Grunde das falsche Wort. Roran war erregt während seine Gemahlin die Ruhe selbst war.
Thema der Unterhaltung waren die Gefühle, die Ismira und Cale füreinander entdeckt hatten.
Dank seiner scharfen Sinne konnte Eragon die Unterhaltung der beiden Eheleute verfolgen.
"Wie kannst Du so leichtsinnig sein? Wir kennen diesen Jungen doch gar nicht." wetterte Roran.
"Aber ich kenne unsere Tochter." hielt Katrina dagegen.
"Ja aber sie ist verliebt. Da tut man manchmal unvernünftige Dinge."
"Du meinst so wie wir beide?" die Belustigung in Katrinas Tonfall war nun nicht mehr zu überhören.
"Machst Du Dich etwa über mich lustig?"
Katrina trat auf ihren Mann zu und legte ihm die Arme um den Hals. Aus großen, strahlenden Augen blickte sie ihn an.
"Du bist unwiderstehlich, wenn Du vor Sorge vergehst Hammerfaust."
Mit diesen Worten hauchte sie ihrem Mann einen Kuss auf die Lippen bevor dieser widersprechen konnte. Als sich die beiden Eheleute wieder trennten, schien Roran noch völlig atemlos zu sein von der Zärtlichkeit seiner Frau. Diese nutzte die Gelegenheit: "Jetzt hör mir mal zu Liebling, Ismira ist nicht mehr Deine kleine Prinzessin. Sie ist eine junge Frau und sie hat sich in einen netten jungen Mann verliebt. Cale empfindet auch eine Menge für sie und beide haben beschlossen ihre Beziehung langsam aufzubauen. Sie werden nichts überstürzen. Natürlich müssen wir etwas auf unsere Tochter achten. Das ist schließlich unsere Aufgabe als Eltern. Doch am besten erreichen wir das in dem wir mit Ismira arbeiten und nicht gegen sie. Wenn wir uns nun aufführen wie tollwütige Wachhunde wird sie nicht mehr zu uns kommen, wenn sie unsicher ist oder Fragen hat. Ich sehe da eine viel größere Gefahr das die beiden etwas dummes tun als wenn wir ihnen etwas Vertrauen entgegenbringe. Sicher kennen wir Cale nicht so gut aber gerade deshalb sollte die Zeit nutzen, um ihn kennenzulernen. Habe ich nicht recht?"
"Natürlich hast Du recht. So wie immer."
Eragon musste wegen der Kapitulation seines Bruders schmunzeln. Roran indes hatte seine Stirn gegen die seiner Frau gelegt.
"Ich mache mir nur ein wenig Sorgen, dass Du erlaubt hast, dass die beiden allein im Wald wandern gehen."
"Oh!" lachte Katrina. "Erinnert sich da jemand an das, was wir so beim Wandern im Wald getan haben?"
Es brauchte kein elfengleichen Sehvermögen um zu erkennen, das Roran das Blut ins Gesicht schoss.
"Das waren andere Zeiten.", murmelte Roran in seinen Bart.
"Ach so? Andere Zeiten?" wieder lachte Katrina. "Mach Dir keine Sorgen. Ismira will Cale nur einige ihrer Verstecke aus Kindertagen zeigen. Lass die beiden die Zeit hier bei uns genießen, solange sie keinen Unterricht haben. Ich habe sowohl mit Ismira gesprochen und mich auch mit Cale unterhalten. Wir können den beiden vertrauen. Oder hast Du etwa kein Vertrauen zu mir?"
"Natürlich vertraue ich Dir.", erwiderte Roran. Die Aufregung war endgültig aus seiner Stimme verschwunden und er tauschte mit seiner Frau einen weiteren zärtlichen Kuss aus. Dann gingen die beiden Arm in Arm davon und verschwanden aus Eragons Blickfeld.
Mit einem milden Lächeln auf dem Gesicht schüttete Eragon den Kopf. Der würzige Duft von Tannennadeln wieder bereits seit einigen Sekunden wahrnahm, verriet ihm, dass er nicht mehr der einzige Beobachter des Ehepaares war.
"Meine angenommene Schwester hat ihren Mann gut im Griff.", lobte Arya Katrinas Verhalten. Mit Marlena auf dem Arm trat sie nun neben ihren Gefährten.
"TaTa!" gluckste das kleine Mädchen und streckte sein winziges Händchen nach Eragon aus. Dieser ließ sich nicht lange bitten, trat näher zu seiner Gefährtin und seiner Tochter und reichte Letzterer den kleinen Finger den diese sofort umklammerte.
"Er ist seiner Frau eben völlig verfallen. So wie ich Dir mein Stern."
Eine von Aryas Augenbrauen schnellte in die Höhe.
"Das gestehest Du so einfach ein?"
"Warum das offensichtliche leugnen?", erwiderte Eragon. "Es gibt drei Frauen in meinem Leben: Saphira, unsere Tochter und Dich. Ich kann keiner von Euch etwas abschlagen. Ich gestehe lieber würdevoll meine Niederlage ein und unterwerfe mich der Realität."
Eragons Worte und seine spielerische, übertriebene Verbeugung entlockten Arya ein glockenhelles Lachen. Unter Marlenas freudigem Quietschen tauschten die beiden Gefährten einen zärtlichen Kuss.
"Ich habe eine Nachricht von Murtagh erhalten sowie von Narie und Marek."
"Also zum geschäftlichen Teil." Seufzte Eragon und forderte seine Gefährtin damit auf zu berichten, was sie erfahren hatte.
"Narie und Marek kommen mit ihrer Nachforschungen gut voran." erklärte die Elfe. "Bis auf zwei haben sie alle Geisterbeschwörer im ehemaligen Imperium besucht. Die meisten waren sehr kooperativ. Die wenigsten von ihnen üben ihre Kunst noch aus. Sie sind glücklicherweise vernünftig genug zu erkennen, dass es eine sehr gefährliche Anwendungsform der Magie ist Geister zu beschwören. Zwei von ihnen haben sogar noch nie Geister beschworen. Sie verfügen lediglich über das entsprechende Wissen und haben dies bereitwillig der Magiergilde gemeldet. Sie haben lediglich aus Neugier Informationen gesammelt. Wir können ausschließen, dass einer der bereits überprüften Geisterbeschwörer irgend etwas mit den Vorgängen in Bullridge zu tun hatte. Wie gesagt, zwei bekannte Geisterbeschwörer müssen noch überprüft werden aber dann kehren Marek und Narie nach Ilirea zurück."
Eragon überlegte einen Moment. Wenn keine Nachrichten gute Nachrichten waren, dann konnte man dies als eine positive Bilanz bezeichnen.
"Was hatte Murtagh zu berichten?"
Arya verzog das Gesicht.
"Wie Du weißt verdächtigt Elva Trianna und den Sohn von Herzog Aurast, Tjurin. Trianna hat bisher als einziges Mitglied der Magiergilde mit Geisterbeschwörung experimentiert. Nun hat sie die Sondergenehmigung, die Nasuada er erteilt hat offiziell zurückgegeben und versichert, dass sie ihre Experimente im Lichte der jüngsten Ereignisse vor erst einstellen wird. Von außen betrachtet ist das eine positive Entwicklung aber..."
Die Elfe verstummte und Eragon bestätigte mit einem Nicken, dass er ihren Standpunkt verstanden hatte. Trianna war nicht die Art von Person, die freiwillig auf Machtbefugnisse verzichtete. Es war keineswegs sicher, dass die Neuigkeiten aus Ilirea positiv zu bewerten waren. Vielleicht war die Situation dadurch auch nur unübersichtlicher geworden.

"Und hier nun die zweite Station auf unserer Reise zu den magischen Orten des Palancartals."
Cale konnte wegen Ismiras verspieltem Tonfall nur schmunzeln. Er genoss es wie sehr sich Ihr Verhältnis entspannt hatte, seit sie sich geküsst hatten. Zwar musste der junge Reiter sich eingestehen, dass die Anspannung und Schüchternheit größtenteils von ihm ausgegangen war aber dennoch genoss er die neue Unbeschwertheit in vollen Zügen. Das Ismira seine Gefühle für sie erwiderte hatte den jungen Mann auch in anderen Bereichen zusätzliche Selbstvertrauen verliehen. Ein Umstand, den Tailon bei seinem Reiter nur begrüßt hatte.
Mit größtem Verständnis für die frisch Verliebten hatten die beiden jungen Drachen ihren Reitern einen freien Tag gewährt und verbrachten die Zeit mit ihren Großeltern.
Ismira indes hatte Cale zu einer kleinen Wanderung durch die Wälder hinter dem Gut ihres Vaters eingeladen. Sie wollte ihrem Geliebten einige Orte zeigen, die ihrer Kindheit und Jugend für sie von Bedeutung gewesen waren.
Die erste Station war eine Eberesche gewesen, die auf den ersten Blick nichts Besonderes war. Schließlich hatte Ismira Cale allerdings erklärt, was es mit diesem Baum auf sich hatte. Auf ihm war Saphira die ersten Wochen ihres Lebens untergebracht gewesen. Cale konnte nur staunen. Wenn er sich das Bild der riesigen, majestätischen Drachendame ins Gedächtnis rief er schien es ihm unmöglich, dass sie einmal so klein gewesen sein sollte.
Nun stand das junge Paar vor einer kleinen, primitiv wirkenden Hütte.
Cale trat hinter Ismira und schlang die Arme um ihre Hüften.
"Ich nehme an, auch zu diesem Ort gibt es eine Geschichte, oder?"
Ismira schmiegte sich ein Cales Brust und nickte.
"Sogar eine doppelte. Einmal war dies Onkel Eragons zweites Versteck für seinen Drachen als Saphira etwas älter war. Zum anderen war es Hopes und mein Versteck als wir noch Kinder waren. Hier haben wir uns einmal versteckt als wir baden sollten und Onkel Eragon hat uns damals gefunden. Damals wusste ich gar nicht, wer er war bis er sich meiner Mutter vorgestellt hat. Es war sein erster Besuch in der alten Heimat seit er Galbatorix besiegt hatte. Ich weiß noch wir er uns Saphira vorgestellt hat. Es war einfach unglaublich. Jetzt komm aber! Es gibt noch einen Ort, den ich Dir zeigen will."
Mit der Ihr eigenen unerschöpflichen Energie ergriff Ismira Cales Hand und zog ihn mit sich ein Stück weiter in den Wald hinein. Schnellensschrittes ging es über Stock und Stein bis sie schließlich vor einer großen Dornenhecke zum Stehen kamen. Noch bevor Cale überhaupt fragen konnte was dies für einen Ort war, räumte Ismira einige Zweige zu Seite und enttarnte damit einen kleinen Zugang. Mit funkelnden Augen bedeutete sie Cale Ihr zu folgen und sie kroch in den kleinen Durchgang hinein.
Lachend, aber kopfschüttelnd folgte Cale Ihr. Etwa vier Meter weit kroch er unter einer dichten, festen Dornenhecke hindurch und fand sich schließlich auf einer kreisrunden Lichtung wieder wo Ismira in bereits mit ausgebreiteten Armen erwartete.
"Willkommen in Onkel Eragons geheimer Festung. Er hat sie mir gezeigt als ich neun Jahre alt war. Die kleine Waldhütte war Hope und mir zu klein geworden. Daher mussten wir ausweichen."
"Wie hat Meister Eragon diesen Ort entdeckt?" wunderte sich Cale.
"Du vergisst, dass meine Familie nicht immer dem Adel angehört hat." erklärte Ismira schmunzelnd. "Als mein Vater und mein Onkel noch Kinder waren, waren wir einfache Bauern. Mein Onkel tat sein möglichstes, um im Wald Jagdbeute zu machen und seine Familie damit zu unterstützen. Er kannte diese Wälder fast besser als jeder andere und dabei hatte auch diese Lichtung entdeckt. "
Cale trat zu seiner Geliebten und griff sie bei den Händen.
"Ich nehme an, auch zu diesem Ort gibt es eine Geschichte aus der glorreichen Vergangenheit der Drachenreiter?"
"Allerdings. Von diesem Ort aus ist mein Onkel gemeinsam mit seinem Vater Brom ausgezogen und die Ra'zac zu verfolgen. So ist er schließlich zu den Varden gekommen."
"Weißt Du, bis vor kurzem hätte mich das hier alles noch in atemloses Staunen versetzt. Es wäre mir wie ein heiliger Ort vorgekommen. Ein Stück Legende."
"Und jetzt?" erkundigte sich Ismira und schlang die Arme um Cales Hals.
"Jetzt habe ich nur Augen für Dich.", gestand Cale und Ismiras lächeln ließ sein Herz höher schlagen.
Trotz der ausgelassene Stimmung spürte der junge Reiter jedoch, dass seiner Liebsten etwas auf der Seele lag.
"Was hast Du?" Erkundigte er sich und zog die junge Frau an den Hüften näher zu sich.
"Wir werden bald abreisen." erklärte Ismira nachdenklich. "Wer weiß, wann ich meine Heimat wiedersehe. Dieser Ort wird mir einfach fehlen. Ich bin hier als Kind sehr glücklich gewesen. "
"Das kann ich sehr gut verstehen." tröstete Cale. "Aber Sie es doch mal so. Wir werden nicht nur die Ostmark kennen lernen, sondern eine Sache, die Dich hoffentlich auch glücklich macht, wird Dich auf jeden Fall begleiten."
Das Lächeln seiner Mitschülerin verriet Cale, dass sie verstanden hatte, worauf er anspielte.
"Diese Sache macht mich sehr glücklich." schmunzelte sie, streckte sich und Cale schloss die Augen als er Ismiras Lippen auf seinen spürte.


1812 Wörter

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt