41. Wahl der Waffen

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Etwas nervös betrat Cale gemeinsam mit Ismira und ihren Lehrmeistern Arya und Eragon das Gewölbe in dem Runön, die Meisterschmiedin der Elfen, die Schwerter der alten Drachenreiter aufbewahrte.
Soweit es den jungen Reiter betraf, war dies ein bedeutender Schritt. Hier sollte er sich die Waffe wählen, die ihn in Zukunft auf seinen Reisen für den Orden begleiten sollte. Es war bereits eine Ehre gewesen ein Schwert zu erhalten, das von den Elfen geschmiedet worden war, doch nun sollte er sich eine Waffe wählen, die einst einem Reiter des alten Ordens gedient hatte. Jeder einzelne der alten Reiter war aus Cales Sicht eine Legende. Dadurch, dass man ihm eine solche Waffe übergab, fühlte sich Cale ein Stück mehr in den neuen Orden aufgenommen.
Als sich der junge Reiter schließlich in dem Gewölbe umsah, kroch ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Hunderte von Schwertern funkelten ihn an. Jedes in einer anderen Farbe und jedes auf seine Art einzigartig.
"Stell Dir das mal vor," flüsterte Cale seiner Mitschülerin zu, die ebenfalls sprachlos zu sein schien. "So viele Reiter hat es einmal gegeben. Es muss unglaublich gewesen sein zu dieser Zeit zum Orden zu gehören."
"Wir werden sehr lange leben.", flüsterte Ismira zurück. "Vielleicht erleben wir es noch wie der Orden wieder so groß wird."
"Nun, mit einer meiner Waffen wird es einem Feind zumindest schwerer fallen Euch zu töten."
Eine raue Stimme, die Cale so gar nicht mit dem eleganten, filigranen Elfenvolk in Verbindung bringen konnte zog die Aufmerksamkeit auf sich. Direkt neben dem Eingang in Gewölbe hockte eine alte Elfe auf einem Hocker. Offensichtlich hielt sie überhaupt nichts von der Faszination für Schönheit, die Ihr Volk sonst auszeichnete. Sie trug ein einfaches festes Kleid aus braunem Stoff und darüber eine Lederschürze wie viele Schmiede sie trugen. Ein Stirnband, ebenfalls aus Leder bändigte Ihr graues Haar und Ihr Gesicht zeigte die deutlichsten Spuren von Alter, die Cale je bei einer Elfe gesehen hatte.
"Natürlich könnte Ihr Euch immer noch selbst umbringen, wenn Ihr Euch besonders dumm anstellt." knurrte die alte Elfe weiter und fuhr anschließend damit fort an einem langen Grashalm herumzukauen. Dabei musterte sie besonders die beiden jungen Reiter die sich in Ihr "Reich" gewagt hatten. Schließlich ließ sie auch den Blick über Eragon und Arya wandern.
"Na ihr zwei, immer noch Turteltauben?"
"Ich freue mich auch Dich zu sehen Runön-Elda." lächelte Arya. "Wir sind nicht nur nach Ellesméra gereist, um unsere neuesten Schüler angemessen auszustatten. Wir sind auch hier um unsere Tochter von König Maranus segnen zu lassen. Das dürfte Deine Frage wohl beantworten."
"Eine Tochter? So, so. Ja, das beantwortet meine Frage in der Tat. Bitte verschont mich mit weiteren romantischen Details. Für so etwas fehlt mir der Sinn."
Wieder richtete die alte Schmiedin Ihr Augenmerk auf die jungen Reiter die gekommen waren und sich mit Waffen auszustatten.
"Und Ihr zwei, macht schon, sucht Euch Eure passenden Waffen. Oder wollt Ihr nur den ganzen Tag herumstehen und sie mit offenem Mund angaffen."
Während Cale sich in Gegenwart der raubeinigen Elfe um 10 cm kleiner fühlte, ging Ismira direkt zum Angriff über.
"Sollen wir uns vielleicht verhalten als würden wir eine Sammlung verrosteter Brotmesser betrachten?"
Runön hob überrascht eine Augenbraue.
"Na, da ist aber jemand nicht auf den Mund gefallen. Gefällt mir. Du hast Rückgrat Kindchen."
"Runön-Elda, darf ich vorstellen: Meine Nichte Ismira." stellte Eragon seine junge Verwandte vor und fuhr dann fort: "Und Ihr Mitschüler Cale. Von ihm hast Du ja wohl schon gehört."
"Allerdings. Das musste ein ziemlicher Schock für den lieben alten Däthedr gewesen sein als erfahren hat das Sein Bruder Darvenn einen Nachkommen mit seiner menschlichen Gefährtin gezeugt hat. Liegt ihm sicher sehr schwer im Magen."
"Er hat sich in die Wälder zurückgezogen, um dort zu meditieren und zu sich zu finden." erklärte Arya und Cale glaubte so etwas wie einen Anflug von Schadenfreude zu hören.
"Der Ärmste.", erwiderte die Schmiedin und klang eindeutig schadenfroh. "Er soll vor Spechten auf der Hut sein. Holzköpfen hacken die ganz gerne ein Loch in denselben."
"Ihr habt den Namen meines Vorfahren unter den Elfen erwähnt Runön-Elda." erkundigte sich Cale neugierig. "Soweit ich weiß war er mit einer Drachenreiterin liiert. Kennt Ihr sie auch?"
"Norda.", antwortete die alte Elfe knapp. "Nettes Mädchen. War auch nicht auf den Mund gefallen und wusste, was sie wollte. Ich dachte mir schon, dass Du Dich für sie interessieren würdest. Das hier war Ihr Schwert."
Runön drückte Cale ein filigranes Schwert in die Hand welches funkelte als wäre es aus reinem Silber gegossen.
"Silber. Sicher eine schöne Farbe für einen Drachen aber etwas langweilig um damit zu arbeiten." brummte die Elfe. "Willst Du dieses Schwert jetzt führen?"
Cale besah sich die fein gearbeitete Klinge und zog sie vorsichtig aus der Scheide. Er machte ein paar Probeschläge und schüttelte dann den Kopf.
"Ich möchte Euch nicht beleidigen und Runön-Elda aber das ist sicher nicht das richtige Schwert für mich."
"Warum sollte ich beleidigt sein?"
Die Schmiedin lachte rau auf.
"Ich wäre eher beleidigt, wenn Du Dich entschieden hättest diese Waffe zu führen. Der Griff ist zu kurz für Dich und zu schmal. Wenn ich mir das Schwert ansehen mit den Du bisher trainiert hast..."
Ohne zu fragen, ergriff die alte Elfe Cales Übungswaffe und begutachtete sie.
"Ein Einhänder. Die Klinge etwas verlängert... Größere Reichweite. Bist Du damit bisher gut klargekommen?"
"Ich bin noch ein Anfänger Runön-Elda aber bisher hatte ich den Eindruck, dass diese Waffe gut für mich geeignet ist."
"Ich habe heute Morgen etwas mit Cale trainiert und mir auch Ismiras Kampftechnik angesehen." mischte sich Eragon ein. "Ich denke für ihn ist ein solcher Einhänder wirklich das richtige."
"Gut also ein Einhänder.", murmelte die Meisterschmiedin. "Am besten sehen wir uns erst mal Eure Drachen an bevor wir weiter machen."
Mit forschen Schritten durchquerte Runön die Lagerhalle. Da sich in den vergangenen Jahren herausgestellt hatte, dass viele Schüler sie erst aufsuchten, wenn ihre Drachen schon zu staatlicher Größe herangewachsen waren hatte die Schmiedin einige bauliche Veränderungen an der Lagerhalle vorgenommen. An der Südseite des Gewölbes hatte sie eine Art Dachfenster der unterirdischen Konstruktion zugefügt. Miteinander verflochtener Baumwurzeln bildeten Rahmen und eine Art Gitter über der Öffnung durch die das Tageslicht hereinfiel. Vor dieser Öffnung warteten Anarie und Tailon.
"Holla!" Runön wirkte angenehm überrascht. "Das nenne ich doch mal interessante Farbkombinationen. Besonders gefällt mir das Hornwerk! Gerade dieser feine Goldglanz in den Hörnern ist doch etwas Herrliches! Damit ließ sich wirklich etwas anfangen."
Während Runön sich noch lobend über das Schuppenkleid und Hornwerk der beiden Jungdrachen auslies betrachtete Ismira die silberne Klinge die Cale immer noch in der Hand hielt.
"Darf ich mal sehen?" erkundigte sie sich.
"Natürlich."
Cale reichte seiner Mitschülerin das Schwert seiner Vorfahrin und beobachtete wie die junge Frau es vorsichtig schwang. Aus irgend einem Grund gefiel dem jungen Reiter die Vorstellung, dass Ismira das Schwert Nordas vielleicht gefallen könnte.
Runön indes bewunderte immer noch Tailon und Anarie. Inzwischen hatte sie auch die Namen der beiden herausgefunden und fand auch diese sehr passend. Cale musste schmunzeln. Bisher fiel die Meisterschmiedin ziemlich aus der Rolle, wenn es um elfischer Verhalten ging. Die allgemeine Liebe zu den Drachen schien sie jedoch mit ihrem Volk gemeinsam zu haben.
Deutlich konnte Cale spüren wie sehr Tailon und seine Schwester es genossen bewundert zu werden. Der junge Buchbindersohn gönnte es sein Seelenpartner von Herzen und richtete seinen Blick wieder auf Ismira immer noch verträumt die silberne Klinge betrachtete.
"Gefällt es Dir?" erkundigte sich Cale schüchtern. Im Geiste machte er sich selbst Vorwürfe. Warum fiel es ihm so schwer seiner Mitschülerin diese einfache Frage zu stellen?
Als Ismira nickte und ihn anlächelte, hatte Cale das Gefühl seine Beine hätten sich soeben in weiches Wachs verwandelt.
Verlegen kratzte sich der junge Reiter am Hinterkopf.
"Wenn Runön-Elda einverstanden ist, ich würde mich freuen, wenn das Schwert meiner Vorfahrin eine so würdige Erbin bekommen würde."
Das weiche Wachs schien sich vollends zu verflüssigen als Cale Ismiras strahlendes Lächeln sah und als sich die junge Frau zu ihm herüberbeugte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte hatte der junge Drachenreiter das Gefühl, dass es nahezu den Naturgesetzen widersprach, dass er noch immer aufrecht stand.
"Du lieber Himmel!", stöhnte Runön. "Die Jugend. Sie ist etwas Wundervolles aber bitte nicht in meiner Werkstatt."
Sie betrachtete das Schwert welches Ismira immer noch in den Händen hielt und nickte dann.
"Falaéne scheint zu Dir zu passen. Das bedeutet übrigens so viel wie "Wegbegleiter" falls Du den Namen beibehalten willst Mädchen."
"Gerne!" bestätigte Ismira.
"Gut. Das freut mich." erwiderte die Meisterschmiedin und betrachtete die Klinge. "Änderungen muss sich denke ich nicht vornehmen. Lediglich die Farbe der Klinge den Schuppen Deines Drachen angleichen und die Parierstange, den Knauf und den Edelstein..."
"Könnte man den Griff vielleicht silbern belassen?" Erkundigte sich Ismira. "Es wäre eine schöne Geste an die frühere Besitzerin. Ein Weg Ihr Respekt zu zollen."
Erfreut lächelte die alte Elfe.
"Es ist immer schön zu sehen wir die nächste Generation der Reiter meine Waffen nicht nur als Werkzeuge sieht, sondern sie als etwas begreift, dass eine Geschichte hat. So, nun aber zu Dir Cale. Rot also. Ich denke ich habe etwas das genau zu Dir passt."
Runön bedeutete den Drachenreitern Ihr zu folgen und schon nach kurzer Marsch entnahm sie einem Regal ein eindrucksvolles Schwert.
Scheide und Klinge waren dunkelrot und je weiter man sich vom Zentrum der Klinge entfernte, desto dunkler wurde die Farbe. Dadurch wirkte das Schwert als würde es von innen heraus glühen. Parierstange und Griff glänzten in einem tiefen Schwarz und dort wo das Licht auf das blank polierte Material fiel, entstand ein goldener Lichtreflex. Welchem Reiter diese Waffe auch immer gehört haben musste, sein Drache war ohne Zweifel Tailons Ebenbild gewesen. Der blutrote, runde Rubin, der in den Knauf der Waffe eingelassen war hatte eine unglaubliche Tiefe und wirkte fast wie ein Auge das aufmerksam jeden um sich herum beobachtete.
Als Cale das Schwert in die Hand nahm, lag es so perfekt in seinem Griff als hätte man es tatsächlich für ihn angefertigt.
"Scheint als hätte eine weitere meiner Schöpfungen einen neuen Besitzer gefunden." schmunzelte Runön. "Wie willst Du es denn nennen?"
"Wenn es Euch nicht beleidigte Runön-Elda würde ich es gerne nach meinem Vater "Burkart" nennen."
"Wieso sollte mich das wohl beleidigen? Du bist ziemlich besorgt, was das betrifft." erkundigte sich die Schmiedin in einem neutralen Tonfall der nichts darüber verriet welche Meinung sie zu Cales Namenswahl vertrat. "Warum willst Du es so nennen?"
"Mein Vater ist zwar schon vor einer Weile gestorben aber ist immer noch sehr wichtig für mich." erklärte Cale. "Tailon hat mich für würdig gehalten sein Reiter zu sein aber ich bin nur der, der ich heute bin, durch die vielen Dinge, die ich durch meinen Vater gelernt habe. Er ist von ein paar alten Anhängern Galbatorix getötet worden als er die geheimen Schriftstücke mit der Welt teilen wollte die meine Familie in den dunklen Jahren gesammelt hat. Ich möchte mich einfach so an ihn erinnern. Auf die Weise habe ich das Gefühl das ein Teil von ihm mich immer begleitet und mich immer daran erinnert, wo ich herkomme."
Runön beugte sich zu Cale vor und stemmte die Hände in die Hüften.
"Warum sollte mich das wohl beleidigen?"
Bevor der junge Reiter antworten konnte, fuhr die Schmiedin bereits fort: "Es ist ein guter Name und weißt Du wieso? Weil er für Dich eine Bedeutung hat. Es verbindet Dich mit diesem Schwert. Eine schönere Wertschätzung für eine meiner Arbeiten gibt es nicht. Viele von dem jungen Reiter, die zu mir kommen, sind immer der Meinung, sie müssten besonders poethisch sein. Sehe ich aus als hätte ich etwas für Gedichte oder Balladen übrig? Weißt Du wie der Vorbesitzer dieses Schwert genannt hat? Evarinjastalri. Viel zu lang! Viel zu kompliziert und ohne Bedeutung für ihn. Einen Namen einfach nur, weil er gut klingt, das ist eine Beleidigung! Du hast mich nicht beleidigt."
Runön nahm die beiden Waffen an sich und die notwendigen Veränderungen vorzunehmen und auf beiden die Namen als persönliche Wappen der Reiter einzuprägen.
"Geh Du doch schon mal mit Cale und Ismira vor Eragon. Ich bin sicher Saphira und mein Großer werden Marlena wie ihren Augapfel hüten aber ich möchte sie trotzdem nicht so lange allein lassen. Runön-Elda ich hätte noch eine Frage an Dich."
Als Eragon bereits mit den beiden jungen Schülern hinter dem nächsten Regal verschwand, hörte man die Meisterschmiedin noch knurren: "Aber fasst Dich kurz."
Zu Cales und wohl auch Ismiras Überraschung hatte es Eragon verdächtig eilig das Lager der Schmiedin zu verlassen.
"Was ist denn los, Meister?" erkundigte er sich bei seinem Lehrer.
"Hat es etwas mit Tante Aryas Anliegen zu tun?" mutmaßte Ismira.
"Weitergehenden." war die schlichte Antwort.
Die Verwirrung der beiden jungen Schüler steigerte sich noch als sie bemerkten, dass Eragon nur mühsam ein Lachen unterdrücken konnte.
"DAS KANN DOCH NICHT DEIN ERNST SEIN!"
Runöns wütende Stimme hallte durch das Gewölbe und lies sowohl Cale als auch Ismiras zusammenfahren und sich erschrocken umsehen.
"Genau so habe ich mir das vorgestellt." lachte Eragon.
"Was vorgestellt?" erkundigte sich Ismira nun vollends verwirrt.
"Nun, wie Ihr wisst, wird meine Tochter bald ihren Segen von König Maranus erhalten. Bei dieser Zeremonie ist es üblich auch einen... man könnte sagen Paten für das junge Leben, welches den Segen erhält, zu bestimmen. Eine hohe Ehe unter den Elfen und eine große Verantwortung."
"Ihr meint Eure Gefährtin...?" erkundigte sich Cale.
"Du meinst Tante Arya...?" stotterte Ismira.
"Ja! Sie hat Runön gerade gebeten, ob sie die Patentante unserer Tochter werden will."


2239 Wörter

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt