22. Sorgen und Vorbereitungen

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Einen Augenblick lang blickte Marek seiner Gefährtin in die wasserblauen Augen, dann konnte er ein Lachen nicht mehr zurückhalten.
"Fürst Däthedr?!" prustete er. "Das ist ja einfach köstlich! Der Prophet der Reinheit des Elfenvolkes hat ein schwarzes Schaf im eigenen Stall! Herrlich, einfach herrlich! Das sollten wir ihm sofort erzählen!"
"Nein! Das sollten wir nicht, Du Kindskopf!"
Ungehalten erhob Narie sich vom Schoss ihres Gefährten und entfernte sich. Wütend hatte die Elfe die Arme vor der Brust verschränkt.
Marek war leicht vor den Kopf gestoßen. Er hatte echte Wut in den Augen seiner Gefährtin aufflammen sehen.
"Ich habe das doch nicht ernst gemeint." Versuchte er zu beschwichtigen.
"Das hoffe ich auch." fauchte Narie wütend zurück. Marek kannte seine Gefährtin gut genug um zu wissen, dass sie noch nicht bereit war die Unterhaltung fortzusetzen. Er muss ihr Zeit geben Ihre Wut zu verarbeiten.
- "Zeit die Du nutzen solltest, um Deinen Fehler zu begreifen." - schaltete sich die gelbe Drachendame Laorie nun in die Gedanken ihres Reiters ein.
- "Ich verstehe nicht, was ich falsches gesagt habe. Unterm Strich hilft uns der Umstand doch. Zwar ist diese politische Strömung, die für die Reinerhaltung der Elfen eintritt, nur eine Minderheit aber sie hat einige bedeutende Stimmen und ihre Thesen sind für viele eine Beleidigung. Däthedr ist der Kopf dieser Bewegung. Die Erkenntnis, dass es in seiner Familie ein Mischblut gibt wird ihn diskreditieren. Manche seiner Anhänger, wie Naries Vater, folgen der Bewegung nur um sich in der Öffentlichkeit hervorzutun. Wenn Ihr Anführer stürzt, wird die Einigkeit der Bewegung zerstört. Seine Vasallen werden beginnen um die Führerschaft zu buhlen. Das wird die Bewegung spalten und vielleicht ganz zum Erliegen bringen." -
Laorie seufzte. Marek hatte schon früh festgestellt, dass seine Drachendame ein verhältnismäßig sanftes und geduldiges Wesen war. Gerade jetzt musterte sie ihn aus ihren goldenen Augen einfach nur enttäuscht. Dies tat dem jungen Bergnomaden fast mehr weh als, wenn sie mit einer Flutwelle von Schimpfworten über ihn hergefallen wäre.
- "Sieh mich bitte nicht so an Laorie. Das ist schlimmer als wenn Du mich beißt." -
- "Aber nur weil ich Dich noch nie wirklich gebissen habe." - schmunzelte die gelbe Drachendame. - "Auf den ersten Blick hast Du ja auch nicht unrecht. Sicher würde es der Bewegung einen Schlag versetzen aber es gibt eine Person, an die Du bei Deinem wunderschönen Plan nicht gedacht hast. Über leg mal!" -
Marek dachte eine Weile nach, konnte aber nur hilflos mit den Schultern zucken.
- "Jetzt enttäuschst Du mich aber wirklich." - sagte Laorie mit etwas mehr Strenge in der Stimme. - "Für einen Lehrer sollte es eigentlich offensichtlich sein." -
- "Du meinst Cale?" -
- "Ganz genau. Welchen Eindruck hast Du von unserem Schüler." -
- "Er ist ein netter Bursche. Besitzt einige Talente und mit der richtigen Förderung kann es weit bringen. Er ist vielleicht ein bisschen zu... ruhig, in sich gekehrt und unsicher." -
Die letzten Worte hatte Marek mit wachsendem Verständnis ausgesprochen. Er begriff, worauf Laorie hinaus wollte.
- "Sehr richtig. Und nun stell Dir mal vor, was passiert, wenn diese Informationen über ihn und Däthedr die Runde macht? Glaubst Du, der Fürst wird den Nachfahren seines Bruders einfach in die Arme schließen und in der Familie willkommen heißen?" -
"Ganz sicher nicht." Narie hatte offenbar beschlossen wieder an der Unterhaltung teilzunehmen. Laorie hatte sie offenbar bei ihrem Gespräch mit Marek nicht ausgeschlossen. Zunächst hatte die junge Elfe mit verschränkten Armen vor dem Bücherregal gestanden und zu den Buchrücken gesprochen. Nun trat sie auf Marek zu.
"Däthedr wird alles tun, um sich von Cale zu distanzieren. Jede Beleidigung wird im Recht sein. Er wird mit allen Mitteln versuchen wenigstens ein Teil seiner Macht zu retten. Wenn das bedeutet, Lügen zu verbreiten wird er es tun. Wenn das bedeutet Cale öffentlich bloß zustellen wird er es tun! Im Gegenzug werden die, die die Führerschaft der Bewegung für sich beanspruchen alles tun, um Däthedrs Ansehen weiter zu beschädigen. Im Zentrum dieses Sturms wird Cale stehen."
"Du glaubst aber nicht, dass Däthedr ihm etwas antun würde, oder?"
Ehrliche Sorge begleitete nun Mareks Worte. Zu seiner Erleichterung schüttelte Narie energisch den Kopf.
"Das würde keiner wagen. Immerhin ist Cale ein Drachenreiter. Ihm zu schaden bedeutet seinem Drachen zu schaden. Däthedr und all seine Anhänger wissen ganz genau, dass sie dadurch nichts zu gewinnen haben. Insofern muss ich Ismira fast dankbar dafür sein, dass die Nachricht, dass Cale zwar ein Mischblut ist aber seine Verwandten nicht bekannt sind, schon die Runde macht. Dadurch steht er bereits zu sehr im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Ohne Aufsehen zu erregen, könnte man nicht gegen ihn vorgehen. Was ich allerdings befürchte ist, dass sobald bekannt wird er seine Vorfahren sind, das Interesse auf ein Niveau anwachsen wird, was einfach nur schädlich für unseren Schüler ist."
Narie ordnete kurz ihre Gedanken und begann dann ihren Standpunkt zu erläutern während sie im Zimmer auf und ab schritt.
"Jede seiner Leistungen im Unterricht wird genau auf den Prüfstand kommen. Erfolge wird man mit geradezu krankhafter Präzision untersuchen und versuchen festzustellen, ob sie auf sein elfischer Erbe zurückzuführen sind. Jeder Misserfolg, der sich bei einem so jungen Schülern nun einmal nicht vermeiden lässt, wird sofort von den Verfechtern der Reinheit als Ergebnis der Verunreinigung durch menschliches Blut ausgelegt werden. Diejenigen in meinem Volk die gegen ihre radikalen Thesen sind, werden natürlich auf möglichst vieler Erfolge hoffen um zu beweisen, dass die anderen Rassen nichts sind, was unser Volk fürchten muss."
Marek hob abwehrend die Hände.
"Ich verstehe, worauf Du hinaus willst. Eine solche Situation würde jeden unter Druck setzen und wenn man bedenkt, das Cale sowieso ein eher schüchterner Charakter ist wäre diese Art von Aufmerksamkeit wohl fatal."
Der Reiter der gelben Drachendame trat zu seiner Gefährtin und legte Ihr die Hände auf die Schultern.
"Ich entschuldige mich Liebste. Ich habe vorhin sehr unbedacht gesprochen. Wir sind Cales und Ismiras Lehrer und müssen in erster Linie an unserem Schüler denken. Natürlich wird dieses Geheimnis diesen Raum zunächst nicht verlassen. Früher oder später wird Cale natürlich die Wahrheit erfahren müssen. Doch ich denke der beste Zeitpunkt wäre es, diese Information erst zu verbreiten, wenn wir zur Ostmark zurückkehren. Auf diese Weise kann Cale nicht das Zünglein an der Waage dieses Streits werden, weil er für die einzelnen Parteien nicht mehr erreichbar ist. Sie können nicht seine Fortschritte und Rückschläge als Argumente in ihrer Auseinandersetzung nutzen, wenn sie sie nicht verfolgen können."
Narie lächelte erleichtert und nickte.
"Ich bin froh, dass wir uns da einig sind. Ich denke ich habe auch etwas überreagiert. Es ist das erste Mal, dass wir Schüler ausbilden und ich möchte nicht, dass ihnen etwas geschieht oder ein dummer Streit ihrer Ausbildung belastet."
"Das sehe ich genauso. Zum Glück werden uns Arya, Eragon, Saphira und Fírnen auch bald unterstützen können. Ihr Wort gilt sehr viel und wird so manchem den rhetorischen Wind aus den Segeln nehmen."
- "Je früher sie hier sind, desto besser." - ließ sich Kira nun vernehmen. Tiefe Sorge begleitete die Worte der roten Drachendame. Narie löste sich von Marek, nahmen neben ihrer Gefährtin Platz und schlang die Arme um ihren langen Hals. Die Rote kommentierte dies mit einem dankbaren Schnauben.
- "Versteht mich nicht falsch. Cale ist für meinen Sohn ein wunderbarer Reiter. Tailon und er haben bereits ein sehr liebevolles Verhältnis. Doch eins ist sicher: Einen einfachen Weg hat sich mein Sohn mit seiner Wahl nicht ausgesucht. Das hat er bestimmt von meinem Bruder Dorn." -

Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt