18. Lehrer und Schüler (2/2)

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Nachdem Tjurin ihr Labor verlassen hatte strich Trianna fast andächtig über das schwarze Leder des Buches, das sich nun endlich in ihrem Besitz befand. Zugegeben es war ein Wermutstropfen diesen jungen Soldaten nun unterrichten zu müssen aber bedachte man den Gewinn, den sie erzielt hatte, ließ es sich rechtfertigen.
Nicht nur hatte sie die Aufzeichnungen des mächtigen Schattens erhalten, sondern auch Zugriff auf eine beachtliche Geldquelle. In der Tat gab es einige Objekte, die auf dem schwarzen Markt gehandelt wurden, die durchaus ihr Interesse hatten. Bisher war es immer in unerreichbarer Ferne gewesen diese zu erwerben. Zwar wurden die Magier der Königin anständig bezahlt, doch Ausgaben in der Größe wie sie die Halsabschneider verlangten die sich im Besitz mächtiger magischer Objekte befanden, waren nur schwer möglich.
Zwar war die Königin durchaus bereits bei der Sicherung von gefährlichen Objekten Geld zu investieren aber ein Magier, der solche Objekte erwerben wollte, musste genauestens ausführen, um was es sich handelte und sollte es als zu gefährlich befunden werden würde das Objekt sofort nach seinem Erwerb entweder unter Verschluss genommen oder den Drachenreitern übergeben werden. Der Orden der Reiter war auf unerfreulich schnelle Art und Weise wieder eine Größe in der Gesellschaft geworden. Inzwischen arbeitete Nasuada sogar eng mit den Reitern zusammen, wenn es um die Ausbildung von menschlichen Magiern ging. Oft wurden die jungen Leute zur Ostmark geschickt, wo sie eine fundierte Ausbildung in der Magie erhielten. Leider schulte man auch dort ihren Charakter. Ihnen wurde beigebracht, dass Magie ein Talent sei, welches der Allgemeinheit zu dienen hätte.
Mit solchen Idealisten war dann nichts mehr anzufangen. Auch vor diesem Hintergrund war es vielleicht gar nicht so übel sich mit Tjurin einen Verbündeten zu schaffen, von dem niemand etwas wusste. Der Gedanke einen geheimen Schüler zu haben begann Trianna zu gefallen. Schließlich waren für das Beschwören von Geistern auch immer wieder gewisse Substanzen zu erwerben. Diese konnte sich die Magierin zwar leisten aber auch ihr Erwerb wurde von der Königin streng überwacht. Kaufte man verschiedene Pflanzenextrakte oder als alchemistische Mittel in einer bestimmten Konzentration und Menge war es ein klarer Hinweis für Geisterbeschwörung. Die Mengen die Trianna erwerben konnte, ohne aufzufallen erlaubten nur die rudimentärsten Experimente. Oft musste sie ein Experiment monatelang im Voraus planen damit sie über die Zeit hinweg die richtigen Bestandteile anhäufen konnte. Auf diese Weise verzögerten sich nicht nur Erfolge, sondern, sollte das Experiment scheitern, musste sie auch immer wieder derbe Rückschläge hinnehmen. Mit Tjurins Geld und seiner Unterstützung ließen sich manche Dinge auf erfreuliche Art und Weise beschleunigen.
Begierig den Wert ihrer Neuerwerbung genau studieren zu können schlug Trianna das Buch auf. Ein enttäuschter Seufzer entfuhr ihr. Durzas hatte seine Aufzeichnungen in elfischen Schriftzeichen festgehalten. Zwar war dies ein erhärtender Beweis für eine Theorie, die Trianna seit längerem hegte aber es verkomplizierte die Angelegenheit auch. Schon seit einigen Jahren verfolgte Trianna die Hypothese, dass es zwischen Elfen und Geistern beziehungsweise Schatten eine Verbindung gab. Sie war auf die Idee gekommen als die Elfe Arya Nasuada im Beisein ihrer wichtigsten Magierin über ihren Kampf gegen den Schatten berichtet hatte, auf dem sie bei der Einnahme von Feinster getroffen waren. Als die Elfe das mächtige Wesen gemeinsam mit Eragon bekämpfte hatte der Schatten einige mysteriöse Andeutungen gemacht. Er hatte von einer Verbannung unter die Erde gesprochen. Ganz offensichtlich sollten die Elfen dafür verantwortlich sein. Der Umstand das Durzas die elfische Schrift offenbar fließend beherrscht hatte und seine Aufzeichnungen darin verfasste sprach eindeutig für eine Verbindung.
Diese Erkenntnis hatte leider nur geringem praktischem Wert. Die Übersetzung dieser Schrift würde ein hartes Stück Arbeit werden. Zwar besaß Trianna Teile des Basisalphabets aber das war erst der Anfang. Die Glyphen der Elfen waren keine eindeutigen Buchstaben, sondern standen für verschiedene Laute. Die Worte ergaben sich nur in den seltensten Fällen aus einer einfachen Aneinanderreihung der Basisformen. Oft kombinierten die Mitglieder des schönen Volkes die Laute in langer, verschachtelt Form. Es würde lange dauern diesen Text zu übersetzen. Doch zweifellos würde es sich lohnen.
Gedankenverloren blätterte Trianna in den Seiten und überflog die einzelnen Zeilen. Manches liest sich recht eindeutig zuordnen. Das Datum beispielsweise. Durza war offenbar sehr gründlich gewesen. Jeder seiner Einträge war mit einer Datumsangabe versehen.
Aus dieser Information ließen sich einige, wenn auch nur geringe, Rückschlüsse auf den Inhalt des Textes ziehen.
So stach zum Beispiel zu der Zeit, als die Elfe Arya Gefangene in Gil'ead gewesen sein musste, immer wieder ihr Name hervor.
Einige Einträge am Ende des Buches erregten Triannas Aufmerksamkeit. Dort stach immer wieder ein Begriff hervor: Es war das Wort "Dauthdabert" in Verbindung des Namens der Stadt Belatona. Trianna wusste, dass ein Dauthdabert eine antike Waffe der Elfen zum Töten von Drachen war. Offenbar hatte Durza gewusst, dass eine solche sich in Belatona befand. Die Frage, die sich nun stellte war: Hatte er sich nur deshalb für die Lanze interessiert, weil er einen Verrat gegen Galbatorix plante oder steckt mehr dahinter?



"War es schlimm?" erkundigte sich Cale als er Ismira und ihr Drachenmädchen Anarie auf sich zukommen sah.
Der junge Drachenreiter hatte den Verdacht gehabt, dass seine Mitschülerin eine Standpauke bevorstand als Meisterin Narie sie zu sich rief.
Der Rest des Abends an dem sie Murtagh und seinen Drachen Dorn kennengelernt hatten, war glücklicherweise ruhig verlaufen. Sie waren zum Lagerplatz aufgebrochen und hatten ein köstliches Mahl genossen. Die Nacht hatten sie in kunstvollen Zelten der Elfen verbracht und am nächsten Morgen hatten sich Murtagh und Dorn verabschiedet und waren Richtung Westen davon geflogen.
Nach dem Abschied hatte Aufbruchstimmung das Lager ergriffen.
Während Cale und Ismira ihre Sachen zusammen packten, war Narie zu ihnen getreten und hatte Ismira aufgefordert ihr zu folgen. Der kalte, fast schon unversöhnliche Tonfall der Elfe hatte im krassen Gegensatz zu ihrer üblichen Ausdrucksweise gestanden.
Auf Cales Frage hin nickte Ismira mit einem schiefen Grinsen, welches aber nicht wirklich ihre Augen erreichte.
Betroffenen trat Cale zu seiner Mitschülerin und legt die Hand auf die Schulter. Für einen Moment erwartete er, dass Ismira die Hand sofort wegschlagen würde und Vorwürfe auf ihn einprasseln würden, weil er ihr Probleme bereitet hatte. Zu seiner Erleichterung geschah jedoch nichts dergleichen.
"Meisterin Narie war ziemlich wütend." erklärte die junge Frau schließlich schüchtern. "Sie schließt nicht aus, dass meine Voreiligkeit zu Problemen führen könnte."
Cale führte Ismira zu einem Baumstamm der in der weitläufigen Lichtung lag und setzte sich gemeinsam mit ihr darauf.
"Warum glaubt sie das denn?" erkundigte er sich bei seiner Mitschülerin während Tailon und Anarie sich zu ihren Reitern legten. "Bisher sind die Elfen doch recht freundlich zu mir."
- "Naja, manche mehr, manche weniger." - warf Tailon ein.
- "Was meinst du damit Bruder?" - erkundigte sich Anarie.
Der rote Drache schüttelte sich, dass seine Schuppen raschelten.
- "Die Spitzohren starren alle Cale an, wenn sie glauben, dass wir es nicht bemerken. Ich mag das nicht. Einer hat mich sogar gefragt, ob ich wusste, dass Cale ein Halbblut ist als ich ihn aus meinem Ei heraus erwählt habe." -
"Das hast du mir bisher gar nicht erzählt!" wunderte sich der Buchbindersohn.
- "Warst du denn nicht dabei?" - fragte das violette Drachenmädchen zu Ismiras Füßen verblüfft. - "Mutter hat Tailon und mir beigebracht, dass es sich nicht geziemt den Drachen eines Reiters anzusprechen, ohne dass der Reiter dabei ist." -
Der rote Drachenjunge schnaubte zustimmend.
"Ich war nicht dabei." räumte Cale leicht verunsichert ein. Er fasste sich aber schnell wieder. "Sie sind eben einfach unsicher, weil sie bisher keine Mischblüter kannten. Die Elfen achten so scharf auf ihre Regeln, dass jemand für den es keine Regeln gibt sie wohl einfach verunsichert. Sie wissen wie sich gegenüber jemandem aus ihrem Volk zu verhalten haben und was zu tun ist, wenn sie einem Menschen gegenüberstehen. Ich bin irgendwie keines von beiden."
"Meisterin Narie meinte auch, dass es schwieriger werden könnte nun etwas über dich und deine Vorfahren herauszufinden Cale.", murmelte Ismira kleinlaut.
"Und warum das nun schon wieder?"
Verlegen kaute die junge Adelige auf ihrer Lippe herum bevor sie antwortete: "Bisher ist es ja nur eine Vermutung von Meisterin Narie, dass du elfisches Blut in die hast. Noch ist nichts bewiesen. Wenn es sich nicht beweisen lässt, dass du einen Elfen als Vorfahren hast, müssen die, die eine solche Verbindung der Rassen als unmöglich propagieren, nichts fürchten. Sie werden einfach behaupten, dass deine veränderte Ohrform auf den Pakt zwischen den Völkern zurückzuführen ist. Eine unerklärliche Anomalie, die dem geheimnisvollen Wesen der Drachen entspringt. Cale, ich hab vielleicht durch meine Unbedarftheit dafür gesorgt, dass man für immer verschleiern wird, wer du bist und verhindert, dass du die Wahrheit herausfindest."
Bestürzt stellte Cale fest, dass er Ismira noch nie so zerknirscht gesehen hatte. Sie war immer ein Wirbelwind von Selbstvertrauen und Fröhlichkeit gewesen. Ein Umstand der ihm viel besser gefiel als zerknirschte Häufchen Elend, welches nun neben ihm saß. Er wollte unbedingt dafür sorgen, dass seine Mitschülerin sich besser fühlte und begann mit bisher nicht gekanntem Selbstvertrauen zu sprechen: "Und wenn schon! Dann sollen die Elfen ihr Geheimnis eben behalten. Ich weiß sowieso wer ich bin: Ich bin Cale Burkhardsohn der Reiter von Tailon. Alles andere wäre vielleicht interessant, ist aber Vergangenheit. Ebenso ist es Vergangenheit, dass du vielleicht einen Fehler gemacht hast. Konzentrieren wir uns lieber auf die Zukunft."
Tailon summte zustimmend und wickelte stolz seinen Schwanz um den Knöchel seines Reiters. Diese Geste von Besitzerstolz verscheuchte die letzten Zweifel aus den Gedanken des jungen Reiters. Solange sein Drache zu ihm hielt aber alles in Ordnung.
Noch während Cale dankbar den Kopf des jungen, roten Drachen mit seiner rechten Hand kraulte, spürte er wie etwas nach seiner linken Hand tastete. Zur Überraschung des jungen Reiters hatte Ismira seiner Hand ergriffen. Die sanfte Berührung trieb Cale eine Gänsehaut über den Rücken.
Diesmal erreichte das Lächeln auf Ismiras Gesicht auch die Augen der jungen Frau.
"Du bist Cale Burkartsohn, Reiter von Tailon und ein wirklich guter Freund von Ismira Katrinatochter."
-"Und von Anarie Kiratochter." - Fügte das junge violette Drachenmädchen an.
Verlegen lächelte Cale Ismira an. Er fühlte sich als wäre er gerade zum Ritter geschlagen worden. Außerdem fiel ihm nicht zum ersten Mal auf, welche besonderen Glanz Ismiras Augen hatten.



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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt