*57. Vater und Tochter (2/2)

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Erneut waren Vater und Tochter dazu übergegangen sich gegenseitig mit Schweigen zu begegnen. Es war Marek, der schließlich erneut das Wort ergriff und sich bemühte die Unterhaltung sachlich zu halten.
"Efron-Elda wir haben gehört, dass Ihr euch in der Vergangenheit mit der Geisterbeschwörung beziehungsweise der Herkunft der Geister beschäftigt habt."
"Das ist korrekt Argetlam." antwortete der Elfenfürst in einem neutralen Tonfall. Er war nicht unhöflich. Wieder einmal zeigte sich was die Elfen an sich als "Vielschichtigkeit" beschrieben. An Fürst Efrons derzeitigem Tonfall ließ sich in keinster Weise ablesen, dass er Vorbehalte gegen das Volk der Menschen hatte. Marek kam nicht umhin sich in Gedanken zu fragen ob der Fürst es lediglich hervorragend verstand seine Gefühle zu verbergen oder ob seine Abneigung gegen Menschen vielleicht gar nicht so tief verwurzelt war wie seine Reden einen glauben machen wollten.
"In jüngster Vergangenheit hat es einige Vorkommnisse gegeben, die den Orden der Reiter dazu veranlassen Informationen über Geister beziehungsweise ihre Beschwörung zu sammeln. Es wäre möglich, dass es in Alagaesia einen Beschwörer gibt der über Wissen verfügt das die Drachenreiter bisher geheim gehalten haben. Er könnte damit sehr großen Schaden anrichten und hat bereits Leben ausgelöscht." steuerte Narie nun zur Unterhaltung bei. Auch ihr Tonfall war wieder gefasst doch schwang noch ein leises Echo von ihrer Wut und Enttäuschung mit.
"Ich verstehe. Darf ich Einzelheiten über die Vorkommnisse erfahren?" erkundigte sich der Elfenfürst. "Ich würde gerne beurteilen können ob ich über Wissen verfüge das euch helfen kann."
Narie nickte und begann zu berichten. Sie berichtete ausführlich über die Vorkommnisse in Bullridge und die Ermittlungen die sie und Marek daraufhin angestellt hatten. Auch ihre Begegnung mit dem Schatten im Beorgebirge ließ sie nicht aus.
Als sie zu diesem Punkt kam und von der gefährlichen Situation berichtete in der sie sich befunden hatte, schien es Marek für einen Augenblick, als würde ein Anflug von Sorge über die Züge des Elfenfürsten huschen.
Schließlich führte Narie aus, dass der Schatten, welcher einmal der Einsiedler um Robor gewesen war, offenbar einen persönlichen Groll gegen die Elfen hegte. Gerade dieser Punkt interessierte die Drachenreiter. Einen Augenblick schwieg er nachdem Narie geendet hatte. Sorgfältig schiene alles gehörte abzuwägen.
"Nun Argetlam Marek, wie es scheint schulde ich euch nicht nur Anerkennung sondern auch dank." hob Efron schließlich an. "Ihr gehört nun zum Kreis der wenigen die einen Schatten getötet haben und ihr habt meiner Tochter das Leben gerettet. Meinen Respekt. Ich werde mein Wissen gern mit euch teilen doch ich befürchte, gerade in der Angelegenheit die euch besonders interessiert ist mein Wissen begrenzt."
"Jedes Detail könnte uns auf eine Spur bringen Efron-Elda." gab Marek zurück.
Wieder verfielen Naries Vater in Schweigen. Er hatte die Fingerspitzen aneinander gelegt und schien seine Gedanken zu sammeln.
"Meine Forschungen über Geistern habe ich weitestgehend aufgegeben muss ich auch noch hinzufügen. Ich beschäftige mich bereits seit einigen Jahren nicht mehr mit diesem Phänomen."
"Wieso das Vater?" erkundigte sich Narie. "Neben der Politik waren diese Studien doch immer von besonderer Bedeutung für dich."
Efron sah seine Tochter eine Weile schweigend an. Marek vermutete, dass er ihre Aussage bewertete und zu entscheiden versuchte welche Ziele sie mit der Frage verfolgte.
"Es ist wahr, Narie, dass ich die Forschungs in diesem Bereich stets als sehr wichtig angesehen habe. Du weißt aber auch, dass es in unserem Volk sehr kritisch betrachtet wird wenn man sich mit Geistern und deren Beschwörung beschäftigt. Durch die Vorkommnisse die im Zusammenhang mit dem Rücktritt deiner Cousine Arya als Königin stehen ist mein bis dato guter Ruf extrem beschädigt worden. Wie ich bereits ausgeführt habe bin ich bemüht ihn wiederherzustellen und offene Forschung im Bereich der Geisterbeschwörung wären dabei kontraproduktiv. Du siehst ich verlange also nicht nur von der Familie Opfer. Auch ich bin bereit gewisse Vorlieben unterzuordnen wenn sie für das Ganze schädlich sind."
Marek war dankbar, dass Narie die letzten Sätze ihres Vaters ohne Kommentar ließ. Es hätte nur einen neuen Streit heraufbeschworen.
"Wie dem auch sei" fuhr der Elfenfürst fort. "Es ist interessant, dass auch ihr die Erfahrung gemacht habt, dass Schatten einen besonderen Groll gegen uns Elfen zu hegen scheinen. Diese Tatsache gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Der, den die meisten Mitglieder unseres Volkes als Wahrheit anerkennen ist der folgende: Man geht davon aus, dass Schatten uns Elfen quasi als ihre Nemesis betrachten. Als ihr genaues Gegenteil. Während sie Wesen der Dunkelheit sind sagt man uns nach Wesen des Lichts und der Schönheit zu sein. Wir sind im Einklang mit der Natur während ihre bloße Existenz eine Verhüllung des Lebens selbst darstellt. Auch was das Machtpotenzial betrifft stellen wir, neben den Drachenreitern, wohl die größte Bedrohung für diese Wesen da. Unsere ganze Existenz ist von großer Harmonie durchdrungen während Schatten quasi der Inbegriff der Disharmonie sind. Ihr müsst wissen, dass ein Schatten mächtiger wird je mehr Geister an seiner Existenz beteiligt sind. Zwischen den Geistern gibt es allerdings Unterschiede. Sie werden deutlich durch die unterschiedliche Farbe der Energiewesen. Diese wird wiederum bestimmt durch den grundlegenden Impuls dem der Geist folgt. Ihr hattet beispielsweise mit einem grünen Geist zu tun. Die Farbe Grün steht dafür, dass dieser Geist vor allem vom Zorn getrieben wird. Blindem, alles vernichtenden Zorn! Es ist nicht genau bekannt wie viele Impulse es gibt denen die Geister folgen können aber einen Geist von orangener Farbe beispielsweise ist ein Wesen, das man als grundsätzlich gierig bezeichnen könnte. Bilden also ein grüner Geist und ein orangener Geist einen Schatten, so liegen die beiden Geistern praktisch in ständigem Streit miteinander. Der eine will alles zerstören der anderen Besitztümer anhäufen. Zwei Positionen die sich nur sehr schwer miteinander vereinbaren lassen. Wie ihr wisst, ist es nur sehr wenigen Lebewesen bisher gelungen einen Schatten zu töten. Es gibt wesentlich weniger Schattentöter als es Berichte über solch dämonische Wesen gegeben hat. Die meisten Schatten sind an ihrer eigenen Inneren Diesharmonie zu Grunde gegangen. Doch ich schweife ab. Wie bereits gesagt: Unser Volk geht im allgemeinen davon aus, dass Schatten uns deshalb hassen, weil wir ihr genaues Gegenteil darstellen."
"Wie bewertet ihr diese Erklärung?" erkundigte sich Marek.
"Ich halte offen gesagt nicht viel von dieser Theorie. "
"Das überrascht mich ein wenig Vater." ließ Narie sich wieder vernehmen. "In gewisser Weise schmeichelt diese Theorie doch unserem Volk."
"Ich habe dir schon gesagt Tochter, dass ich nicht zu denen gehöre die unser Volk über die anderen erheben wollen. Ich will lediglich vermeiden, dass wir in Abhängigkeit zu anderen geraten."
Efron warf seiner Tochter einen scharfen Blick zu dem diese mühelos standhielt. Schließlich ergriff er seinen Kelch, nippte einmal kurz an dem süßen Rotwein und starte dann gedankenverloren in die rubinrote Flüssigkeit.
Gerade als Marek die Unterhaltung mit einer erneuten Frage wieder in Gang bringen wollte fuhr der Elfenfürst fort: "Ich glaube nicht an diese Theorie weil sie einen Aspekt völlig unbeachtet lässt. Unsere ersten Begegnungen mit Geistern hatten wir erst ihr in Alagaesia. Es gibt keine Aufzeichnungen unseres Volkes die von ihnen berichten bevor wir in dieses Land eingewandert sind."
"Du meinst also, dass es nur hier in Alagaesia Geister gibt?" erkundigte sich Narie sachlich.
"Das ist natürlich eine Möglichkeit. Einige, die sich ebenfalls mit Geisterbeschwörung beschäftigen, sehen darin eine Unterstützung der allgemein gültigen Behauptung wir wären das Gegenteil von Schatten. Die Geister suchten uns nicht in unserer legendären Heimat jenseits des Meeres heim, weil unsere Reinheit dort zu übermächtig für sie wäre. Ich lehne dies allerdings ab denn es gibt ein weiteres Detail, dass diese Erklärung nicht untermauert. Es gibt auch hier in Alagaesia keine Berichte über Geister vor unserer Ankunft. Es gibt erst bestätigte Berichte über die Sichtung von Geistern aus der Zeit unmittelbar nach dem Du Fyrn Skulblaka, unserem Krieg gegen die Drachen."
"Was willst du damit andeuten Vater?"
Ärger und Enttäuschung waren nun völlig aus Naries Stimme verschwunden. Sie fragte mit ehrlichen Interesse.
"Wenn ich etwas andeuten würde Tochter, würde das voraussetzen, dass ich Fakten kenne, sie aber zurück halte. Dem ist nicht so. Ich weiß nicht ob diese Tatsache von Bedeutung ist. Einige Gelehrte unseres Volkes sind der Ansicht, dass es auch bereits vor dem Krieg Geister gegeben hat. Sie beziehen sich auf einige Texte der Zwerge die man in der Tat so deuten könnte. Aber die alten Texte der Zwerge sind stets von ihrer Religion und von Aberglauben geprägt. Daher sind sie nur sehr unsichere Informationsquellen. Wie gesagt, einige von ihnen könnte man so auslegen, dass sie von Geistern berichten aber sicher ist das keineswegs. Ein weiteres Faktum, das nicht mit der Theorie die ich euch im Vorfeld genannt habe in Einklang zu bringen ist, ist die Tatsache, dass Schatten Drachenreitern mit derselben tiefen Verachtung begegnen wie uns Elfen. Dabei ist es egal ob sie menschlich sind oder aus unserem Volk stammen. Natürlich kann man argumentieren, dass die Geister die Drachenreiter unzertrennlich mit unserem Volk verknüpfen aber ich habe meine Zweifel was das betrifft. Wie ihr vielleicht wisst gab es vor dem Drachenreiter Imstradt einen Helden aus unserem Volk, dem es gelang einen Schatten zu töten. Ich habe versucht die Berichte über diesen Kampf einzusehen. Meist enthalten diese Berichte auch Aufzeichnungen darüber welche Worte während des Kampfes gewechselt wurden. Es ist mir nicht gestattet worden diesen Bericht einzusehen. Er ist zu einer Geheimsache unseres Volkes erklärt worden. Dem Elf, dem die Heldentat gelang einen Schatten zu vernichten, hat man, nach meiner Recherche, das Versprechen in der alten Sprache abgenommen, dass er nie über die Einzelheiten des Kampfes sprechen würde. Die offizielle Erklärung für die Abnahme dieses Schwurs lautet, dass man kein gefährliches Wissen in die falschen Hände fallen lassen will."
"Aber Ihr habt eure Zweifel was das betrifft." vermutete Marek.
"Allerdings. Ich kann auch verstehen, dass man die Informationen der Allgemeinheit vor enthält aber es gibt ein Ereignis, welches diese einfache Erklärung in ein etwas diffuses Licht rückt."
"Bitte berichte uns davon Vater." bat Narie.
"Ich erwähnte bereits, dass es den Drachenreiter Imstradt gelang einen Schatten zu vernichten. Dieser Sieg gelang ihm aber nur weil er sein eigenes Leben opferte. Imstradt war vor seinem Tod ein angesehener Lehrmeister des Drachenreiterordens. Einer seiner Schüler wurde sogar zum Oberhaupt des Ordens ernannt. Ich spreche hierbei von Vrael dem Reiter von Umaroth. Als Vrael vom Tod seines ehemaligen Mentors erfuhr begann auch der Nachforschungen anzustellen über die Natur der Geister, ihre Beschwörung und die Entstehung von Schatten. Er wollte den Orden besser auf die Begegnung mit diesen dämonischen Kreaturen vorbereiten."
"Ein ehrenhaftes Ziel." murmelte Marek.
"In der Tat." bestätigte Fürst Efron. "Natürlich stellte auch Vrael den Antrag die Berichte über den Kampf des bekannten Elfenkriegers gegen seinen Schatten einsehen zu dürfen. Es wurde ihm ohne Begründung von König Evander verweigert."
Überrascht sahen Narie und Mareks sich an. Die beiden jungen Reiter konnte noch verstehen, dass man der Allgemeinheit, dem einfachen Volk die möglicherweise gefährlichen Informationen vorenthielt aber dem Anführer des Ordens der Reiter?
Offenbar stand die Überraschung den beiden Reitern deutlich ins Gesicht geschrieben, den der Elfenfürst Efron nickte zustimmend: "Es ist in der Tat äußerst ungewöhnlich dem Oberhaupt des Ordens so eine Bitte zu verweigern. Es führte zu einer nicht unbeträchtlichen Verstimmung zwischen Evander und Vrael. Erst die Krise mit den Wyrdfel und Galbatorix schloss den Graben wieder der sich zwischen den Beiden aufgetan hatte. Mehr kann ich euch leider auch nicht berichten. Die übrigen Informationen die ich besitze dürfte die ihr in den Schriften finden die Eragon Schattentöter von seinem Lehrmeister Oromis geerbt hat."
"Eragons ehemaliger Lehrmeister......" murmelte Marek gedankenverloren. Schließlich spürte er Naries Blick auf sich ruhen sowie den von ihrem Vater.
"Mir ist durch die Erwähnung des ehemaligen Reiters von Glaedr nur eine Idee gekommen. Vielleicht gibt es jemanden der uns zumindest etwas Näheres über den Streit zwischen Vrael und König Evander berichten kann."
Marek erkannte wie Erkenntnis auf Naries Gesicht einzug hielt.
"Umaroth." flüsterte der junge Elfe.

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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt