26. Flugstunde (1/3)

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-"Nicht sonderlich beeindruckend Cale-Finiarel."-
Der junge Drachenreiter konnte seiner Lehrmeisterin nur Recht geben. Der geistige Schutzwall den die Elfe Narie soeben niedergerissen hatte war wirklich kaum der Rede wert gewesen. In den drei Wochen die seit ihrer Ankunft in Emfielion vergangen waren, hatte sich der Unterricht intensiviert. Im Augenblick konzentrierte sich die Ausbildung der jungen Drachenreiter noch auf kulturelle und sprachliche Belange. Natürlich wurde auch der Schwertkampf weiterhin trainiert, ebenso wie das Bogenschießen.
Was die Magie betraf, waren sich die Lehrmeister Marek und Narie offenbar einig, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt der Ausbildung ausführlich behandelt werden sollte. Die beiden erfahrenen Drachenreiter begründeten dies damit, dass sie bei ihren Schülern erst einen fundierten Wortschatz in der alten Sprache legen wollten. Zu groß war ihnen das Risiko, dass ein Formulierungsfehler ein magisches Kunststück auf fatale Weise zum Scheitern bringen konnte.
Allerdings wurden Cale und Ismira sorgfältig in der Kunst geschult ihren Geist zu verschließen. Normalerweise war Cale recht gut in diesen Übungen.
Meistens lief dieser Teil des Unterrichtes so ab, dass dem jungen Buchbindersohn und der Adligen aus dem Palancartal eine einfache Aufgabe gestellt wurde, mit der sie sich allein beschäftigen sollten. Heute war als das Studium der geschriebenen Formen der alten Sprache. In einem festgelegten Zeitraum hatten die jungen Schüler zu jedem Zeitpunkt mit einem geistigen Angriff ihrer Lehrer zu rechnen. Dieser konnte ihn einer langsam anschwellenden Attacke erfolgen oder plötzlich wie der Blitz eines Unwetters über sie hereinbrechen. Die Aufgabe von Cale und Ismira war es dann so schnell wie möglich eine Verteidigung zu errichten und so lange wie möglich dem Ansturm von Narie oder Marek, die manchmal sogar von ihren Drachen unterstützt wurden, standzuhalten.
Heute jedoch wollte es Cale nicht wirklich gelingen sich zu konzentrieren. Seine Lehrer hatten sie zum Beginn des Unterrichtes darüber informiert, dass der Sturm, welcher die Ankunft von Eragon und Arya in Du Weldenvarden verzögert hatte, nun endlich abgeflaut war. Die beiden ältesten Reiter des Ordens hatten sich unverzüglich auf den Weg gemacht und man rechnete bereits morgen vielleicht sogar am heutigen Tag in den Abendstunden mit ihrer Ankunft.
Geschäftiges treiben war daraufhin in Emfielion ausgebrochen. Durch alle Straßen der Stadt hallten die melodischen, magischen Gesänge der Elfen. Die Einwohner der Siedlung sangen zu den Pflanzen, um sie in besonders prächtige Blüte zu versetzen. Außerdem ließen sie Gras zu kunstvollen Girlanden wachsen und versahen diese Schmuckstücke mit Wiesenblumen in unterschiedlichen Blautönen. Das Grün der Grashalme und das Blau der Blüten sollte vermutlich eine Anspielung auf die Schuppenfarbe der Drachen der beiden Angesehenen Reiter sein.
Ismira hatte auf die Nachricht, dass sie ihren Onkel bald sehen würde mit ausgelassener Freude reagiert. Diebisch freute sich die junge Frau darauf Saphira bei der ersten Begegnung mit ihren Enkeln zu beobachten.
Die Reaktion von Tailon und Anarie hingegen kam Cales Gefühlen schon wesentlich näher. Die beiden jungen Drachen hatten mit einer gewissen Nervosität reagiert. Anarie hatte sofort mit einer gründlichen Reinigung ihres gesamten Körpers begonnen und legt größten Wert auf saubere Krallen sowie auf Hochglanz polierte Hörner. Mit liebevoller Hingabe pflegte Ismira ihre Drachendame nach allen Regeln der Kunst.
Tailon hatte auf andere Art reagiert als seine Schwester. Er übte schon den ganzen Tag wie ein Besessener die komplexesten Flugmanöver. Von seinen Eltern wusste der junge Rote, dass seine Großmutter als die Autorität im Orden galt, wenn es um Flugkünste ging. Der junge Drache schien fest entschlossen zu sein seine ehrwürdige Verwandte mit seinen eigenen Talenten zu beeindrucken.
Dabei mussten die beiden Jungdrachen sich nach Cales Meinung nun wirklich keine Mühe geben, um beeindruckend zu wirken. Die beiden hatten einen beachtlichen Wachstumsschub hinter sich gebracht und die Schultern der jungen Drachen überragten mittlerweile Cales Kopfhöhe. Der junge Reiter konnte kaum glauben, dass sein roter Gefährte noch vor circa sieben Wochen in einem Ei geschlummert hatte.
- "Ich muss ehrlich sagen, dass ich etwas enttäuscht von Dir bin Cale-Finiarel." -
Erneut erklang die Stimme der Elfe Narie in den Gedanken ihres Schülers.
- "Normalerweise sind Deine geistigen Verteidigungen weit effektiver. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass du eine natürliche Begabung dafür hast. Heute scheint der mir aber nicht wirklich bei der Sache zu sein. Gibt es etwas das sich bedrückt?" -
- "Nicht bedrückt Meisterin." - gestand Cale ein. - "Es ist nur, dass Eragon Schattentöter und seine Gefährtin Arya Teil der meisten Heldensagen waren, die ich seit ich denken kann, immer wieder gehört habe. Ihm jetzt bei persönlich zu begegnen ist... Ich weiß nicht recht wie ich es beschreiben soll. Aufregend aber auch irgendwie beängstigend." -
Das leise, silberhelle Lachen der Elfe hallte durch Cales Gedanken.
- "Dafür habe ich Verständnis Cale-Finiarel. Doch eins solltest Du bitte Bedenken: Jeder kann einen geistigen Schutzwall errichten, wenn die Umstände ideal sind. Leider sind die Situationen in denen wir einen solchen Schutzwall brauchen in den seltensten Fällen ideal. Vielmehr sind sie meistens das genaue Gegenteil. Auch vor einer Schlacht wirst Du zweifelsohne nervös sein aber Du musst in der Lage sein Dich trotzdem effektiv zu verteidigen. Wenn Du das nicht kannst wirst Du weder Deinen Kameraden des Ordens noch den Völkern Alagaësias in einem Notfall eine große Hilfe sein können." -
Etwas zerknirscht stimmte der Junge seiner Lehrerin zu. Nervosität dürfte in der Tat keine Entschuldigung sein.
- "Ich denke aber auch dass es für heute genug ist. Es liegt ja zum Glück kein Notfall vor. Eine Lektion steht Dir und Deiner Mitschülerin aber noch bevor am heutigen Tag. Ich denke aber, dass Ihr diese Unterrichtsstunde eher genießen werdet. Beende bitte den Satz, den Du noch angefangen hast und triff Dich dann mit uns vor der weißen Zitadelle. Gib bitte auch Tailon Bescheid. Er soll auch anwesend sein. Ismira und Anarie werde ich persönlich benachrichtigen." -
- "Wie Ihr wünscht, Meisterin." -
Cale beendete in aller Eile den Satz, den er in der alten Sprache zu Papier bringen sollte und nahm dann Kontakt zu Tailon auf. Offenbar müde von seinen stundenlangen Flugübungen hatte sich der rote Drachen in der letzten halben Stunde an einem kleinen Teich außerhalb von Emfielion etwas entspannt. Mit ausgeruhten Muskeln und voller Elan machte er sich auf Cales Bitte hin auf den Weg.
Als der junge Reiter ins Freie trat, musste er nicht lange nach dem Treffpunkt suchen. Die gewaltigen Leiber von Laorie, Kira und sogar von Hidalgo, dem Vater der beiden jungen Drachen, stachen mehr als deutlich hervor.
Cale beschleunigte seinen Schritt als er sah, dass Ismira und Anarie bereits anwesend waren und auch Tailon gerade zur Landung ansetzte.
Schnell hatte er die Gruppe erreicht. Auf die Aufforderung ihrer Lehrer hin nahmen Cale und Ismira vor ihren Meistern Platz während sich die Drachen hinter ihrer jeweiligen Partner legten. Hidalgo, zog es als wilder Drache vor sich einfach an seine Brutpartnerin zu schmiegen.
Während der Bergnomade und die Elfe noch schwiegen versuchte Cale zu erkennen worum es in dieser Unterrichtsstunde gehen würde. Leider ließ sich nur sehr wenig sagen. Die beiden älteren Reiter hatten ihren Drachen die Sättel abgenommen und zwischen sich und ihren Schülern platziert. Auch lagen zwei verschnürt Lederpakete in der unmittelbaren Umgebung.
Schließlich war es Marek, der das Wort an seine Schüler richtete: "So meine jungen Freunde. Ich will nicht viele Worte machen. Eure Drachen sind inzwischen alt genug und kräftig genug damit Ihr endlich lernen könnt, warum ist Orden der Drachenreiter heißt."
"Meint Ihr damit...?" erkundigte sich Ismira und große Vorfreude funkelte in ihren Augen.
"Ja, wir denken Eure Drachen sind alt genug Euch zu tragen."
Tailon stieß ein begeistertes Brüllen aus und Anarie wirkte als wolle sie Ismira am liebsten am Kragen packen, auf ihren Rücken setzen und sofort abheben.
- "Nun mal Ruhe meine Kleinen!" - befahl Kira schließlich mit der sanften Autorität einer Mutter. - "Bevor Eure Reiter mit Euch fliegen können benötigen sie erstmal einen Sattel. Ansonsten würde es für sie eine gefährliche und sehr unbequeme Angelegenheit werden." -
"In der Tat." pflichtete Marek der erfahrenen Drachendame bei. "Zunächst einmal etwas Allgemeines zu Drachensätteln. Es gibt im Wesentlichen zwei Arten: Die eine seht Ihr hier vor Euch. Ein schwerer Reisesattel ähnlich einem Pferdesattel. Er ist für den Reiter sehr bequem und bietet das größtmögliche Maß an Sicherheit. Allerdings wäre es noch etwas zu früh einen solchen Sattel anzufertigen. Tailon und Anarie, Ihr seid noch beide sehr jung. Euer Wachstum verläuft noch sehr schnell und man müsste einen solchen ausgeformten Sattel noch zu oft Eurem Körper anpassen damit er auch weiterhin bequem sitzt. Daher werden wir uns heute mit der einfachen und leichten Variante beschäftigen. Diese Art von Sattel ist im wesentlichen nur eine Schutzschicht zwischen Euren Oberschenkeln und den scharfen Schuppen Eurer Drachen. Er ist leicht und relativ einfach herzustellen. Auch später könnt Ihr einen solchen Sattel noch verwenden, wenn Ihr schnell reisen müsst. Auch im Kampf empfiehlt es sich das zusätzliche Gewicht eines schweren Sattels einzusparen. Das Leder, welches wir für die Herstellung brauchen, ist bei den Elfen leider Mangelware. Leder wird aus Tierhäuten gewonnen und das Volk der Elfen tötet nicht um an Rohstoffe zu gelangen. Wenn sie Leder verwenden, so stammt es von Tieren, die eines natürlichen Todes gestorben sind. Glücklicherweise befand sich eine Karawane von Händlern der Zwerge vor kurzem hier in Emfielion und ich konnte das nötige Rohmaterial für uns sichern. Wir beginnen jetzt damit Eure Drachen auszumessen und im Anschluss erkläre ich Euch was weiterhin zu tun ist."



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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt