54. Neue Pläne

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- "Es tut mir leid Silberschopf." - brummte Kira verlegenen als sie vorsichtig ihr Vorderbein belastete welches ihre Reiterin Narie gerade geheilt hatte.
- "Was meinst Du, meine Große?" - erkundigte sich die Elfe während sie die letzten Schürfwunden ihrer Drachendame behandelte. Glücklicherweise führten sowohl Narie als auch Marek genug gespeicherte Kraft in den Edelsteinen ihrer Waffen mit sich, um das Leiden ihrer Seelenpartner schnell zu beenden, ohne sich völlig zu verausgaben.
Ebenso wie seine Gefährtin war Marek im Augenblick damit beschäftigt die Wunden seiner gelben Drachendame zu behandeln.
- "Du weißt genau was ich meine." -
Kiras Stimme verriet das Chaos an Gefühlen welches im Moment die Drachendame beherrschte. Sie schien wütend auf sich selbst zu sein und jedes Wort, das sie sagte, schien Ihr peinlich zu sein.
- "Du wärst fast getötet worden. Ich war Dir heute eine denkbar schlechte Gefährtin. Ein Drache sollte seinen Reiter beschützen. Ich habe Dich in Gefahr gebracht. Hätte ich nicht die Beherrschung verloren und diesen Hexer angegriffen wäre dieser Schatten niemals geboren worden." -
Narie hatte die letzten Wunden ihrer Drachendame geschlossen und kraulte Ihr nun eine Stelle hinter den Wangenknochen. Kira mochte diese Art von Zärtlichkeit besonders und es erlaubte ihrer Reiterin direkt in das große Auge ihrer Drachendame zu blicken.
- "Mach Dir darüber keine Gedanken. Du und Laorie, Ihr wollte Marek und mich nur beschützen. Wer weiß, vielleicht hätte Robar auch ohne Euer Eingreifen einen Fehler gemacht und der Geist hätte Besitz von ihm ergriffen. Er schien auf jeden Fall verrückt gewesen zu sein." -
- "Du machst es mir zu einfach." - beharrte Kira. - "Ich habe meiner Wut nachgegeben und nicht an die möglichen Konsequenzen gedacht." -
- "Na gut, vielleicht hast Du wirklich einen Fehler gemacht. Wirst Du daraus lernen? Wirst Du in einer ähnlichen Situation von nun an besonnener Handeln?" -
- "Du wirst mir jetzt sagen, dass ich aus der Situation lernen und anschließend weiterziehen soll habe ich recht?" -
Ein vorsichtiges Schmunzeln begleitete die Worte der roten Drachendame.
Narie lachte.
- "Was habe ich doch für eine weise Seelenschwester." -
Versonnen brummte Kira und stieß ihre Reiterin zärtlich mit der Schnauze an. Die junge Elfe wusste, dass sie nun wirklich die letzte Wunde bei ihrer Drachendame geheilt hatte. Auch Kiras Seele würde nun nicht mehr leiden.
Inzwischen hatte auch Marek die Behandlung von Laories Wunden abgeschlossen und kam mit ihr gemeinsam zu seiner Gefährtin und der roten Drachendame herüber.
Narie begrüßte den Bergnomaden mit einem Lächeln.
"Nun Schattentöter Marek, wie wollen wir weiter vorgehen?"
Marek legte den Kopf in den Nacken und starte einen Moment in den Himmel.
"Es war eigentlich nur ein Scherz, dass man mich jetzt auch Schattentöter nennen soll."
"Wieso? Du hast Robar getötet."
"Vielleicht, aber dieser Sieg lässt sich kaum mit denen vergleichen die Arya und Eragon errungen haben. An der Schöpfung dieses Schattens war nur ein Geist beteiligt. Er war weit schwächer als beispielsweise Durza oder das Exemplar des Eragon und Arya bei der Schlacht um Feinster besiegt haben. Außerdem habe ich einige Schriften über Schatten studiert während meiner Ausbildung. Die Anzahl der Geister bestimmt nicht nur ihre Stärke, sondern auch die Geschwindigkeit mit der sie sich an ein körperliches Leben anpassen können. Ich denke, ich konnte Robar nur deshalb so überraschen, weil er sich seiner Existenz noch gar nicht vollständig bewusst war. Er konnte noch gar nicht Sinneseindrücke oder andere Wahrnehmungen richtig zuordnen. Auch sein Verhalten war noch sehr impulsiv. Er hat Dich angegriffen, ohne auch nur an andere Bedrohungen zu denken."
"Einigen wir uns also darauf, dass wir großes Glück hatten." unterbrach Narie. "Wichtiger als unsere eigene Heldensage zu schreiben ist es zu entscheiden wie wir nun weiter vorgehen sollen. Robor befragen können wir nun nicht mehr."
"Und damit können wir nicht ausschließen, dass er für den Vorfall in Bullridge verantwortlich ist." beendete Marek den Gedankengang der Elfe. "Wenn man bedenkt wie aggressiv er war wäre es durchaus vorstellbar, dass er zu einer solchen Tat fähig ist."
"Das ist wahr." stimmte Narie ihrem Gefährten zu. "Ich schlage vor, dass wir seine Höhle durchsuchen. Der beunruhigenste Faktor bei den Todesfällen in Bullridge ist der Umstand, dass geheimes Wissen der Drachenreiter zum Einsatz gekommen ist. Vielleicht finden wir Aufzeichnungen, die uns enthüllen ob Robar über dieses Wissen verfügt hat. Anschließend sollten wir dann Eragon und Arya kontaktieren und sie über den Vorfall informieren."
Sowohl Marek als auch die beiden Drachendame waren mit diesem Vorschlag einverstanden. Laorie und Kira verfolgten das Vorgehen ihrer Reiter auf geistiger Ebene und die beiden Drachenreiter betraten kurze Zeit später die Höhle des nun verstorbenen Einsiedlers.
Kaum hatte Marek die Tierfelle beiseite gezogen, die den Eingang verschlossen als Narie bereits ein übler Geruch in die Nase stach. Schon nach kurzer Zeit erkannte sie was den widerlichen Dunst verströmte. Es waren mehrere, von Maden befallene, Tierkadaver die aufgeschlitzt und verstümmelt auf einem Tisch lagen der offenbar so etwas wie eine Arbeitsfläche des Hexenmeisters gewesen war. Ansonsten war in der recht kleinen Höhle kaum etwas das an eine Behausung erinnerte. In der einen Ecke stand ein provisorisch zusammen gezimmertes Bett und an einem gespannten Seil hingen einige Kleidungsstücke in der Nähe der Schlafstätte. Unmittelbar vor dem Ausgang war auf einer ebenen Fläche eine kleine Feuerstelle angelegt die Robar offenbar zum Kochen genutzt hatte. Sie lag vermutlich deshalb so nahe am Ausgang damit der Rauch abziehen konnte. Der kleine Wasserlauf, den die Reiter bereits bemerkt hatten, entsprang an der hinteren Wand. Im Zentrum seiner Behausung hatte Robar ein kleines Sammelbecken geschaffen, indem er eine gewisse Menge Wasser stets zur Verfügung hatte. Ein Abfluss verhinderte das überlaufen und das Wasser suchte sich anschließend seinen natürlichen Weg aus der Höhle.
Marek und Narie blickten sich an. Beide hatten einen Arm vors Gesicht gelegt und bemühten sich auf diese Weise den in der Höhle herrschenden Gestank für sie erträglich zu halten.
"So widerlich es auch sein mag, ich denke dieser Arbeitsbereich ist der einzige Ort wo wir nützliche Informationen finden können. Ansonsten scheint es hier nicht viel zu geben."
Mit einem tiefen Gefühl des Bedauerns bekundete Narie ihre Zustimmung und die beiden Drachenreiter traten an die Arbeitsplatte.
Aus der Nähe betrachtet war der Anblick noch bei weitem widerlicher. Wie jedes Mitglied ihres Volkes achtete und liebte Narie das Leben. Robar schien diese Zuneigung nicht im geringsten zu teilen. Offenbar hatte er das Blut der kleinen Tiere genutzt, um Geister zu beschwören und ihre Körper dann einfach achtlos beiseite geschoben. Er hatte das Leben des umliegenden Waldes ausgenutzt als, ob diese Kreaturen Werkzeuge wären.
Einige der Tiere hat er auch gehäutet. Zum einen wohl um Leder für seine Kleidungsstücke zu gewinnen zum anderen hatte er Teile des Leders verwendet, um darauf Runenzeichen für die Geisterbeschwörung niederzuschreiben.
Offensichtlich ebenfalls angeekelt untersuchte Marek die beschrifteten Häute. Als er alle untersucht hatte winkte er Narie zu und bat sie ihm zu folgen. Zur Erleichterung der jungen Elfe verließen sie die Höhle. Draußen angekommen sogen die beiden Drachenreiter zunächst gierig die frische Luft ein.
"Bei allen Göttern war das vielleicht widerlich!" stieß Marek schließlich hervor. "Wie kann ein Mensch nur so leben."
Narie konnte ihren Gefährten nur zustimmen und ein Funken von stolz schlich sich in ihre Gedanken. Offenbar schätzte Ihr Gefährte das Leben ähnlich wie ein Mitglied ihres Volkes.
"Konntest Du irgendwelche Informationen aus den "Aufzeichnungen" ableiten?"
"Nicht viel.", brummte Marek. "Offenbar hatte sich auch Robar zum Ziel gesetzt mit den Geistern zu kommunizieren und Wissen zu erlangen."
"Es würde Sinn ergeben.", murmelte Narie.
- "In der Tat." - ließ Laorie sich vernehmen.
Die beiden Drachendame hatten ihre Köpfe über die Kante des Plateaus geschoben und beteiligten sich nun an der Unterhaltung ihrer Reiter. - "Als Euch dieser Robar angegriffen hat, hat er doch gesagt, dass "sie" ihn vor Spitzohren und Drachenreitern gewarnt hätten. Vielleicht hat er damit die Geister gemeint." -
"Das ist gut möglich." stimmte Marek seiner Drachendame zu. "In jedem Fall habe ich keinen Hinweis darauf gefunden, dass er über geheimes Wissen verfügt hat. Wir sollten jetzt Eragon und Arya kontaktieren."



"Dann ist es also unwahrscheinlich, dass Robar für die Vorfälle in Bullridge verantwortlich ist aber wir können es nicht mit Sicherheit ausschließen."
Mit diesen Worten fasste das Abbild von Eragon welches Narie und Marek in einer kleinen Wasserschale heraufbeschworen hatten die Situation zusammen.
"So ist es leider Meister." bestätigte Marek.
"Ich bin nur froh, dass Ihr alle unverletzt seid. Besonders Du Silberschopf." fügte Arya hinzu.
"Danke Rabenmähne." schmunzelte Narie. "Es war knapp."
"Ihr habt euch beide gut geschlagen." erklärte Eragon. "Ich gratuliere Dir zu Deinem Sieg Marek. Glück ist immer ein Teil der Gleichung, wenn man es mit einem Schatten zu tun hat. Die Frage ist nun wie wollen wir weiter vorgehen. Es ist nach wie vor nicht ausgeschlossen, dass der verantwortliche für die Schandtaten in Bullridge noch auf freiem Fuß ist. Wenn das so ist, geht ein sehr gefährlicher Mann frei im Reich um."
Dieser Meinung konnten sich jeder Drachenreiter nur anschließen. Es war Arya die schließlich einen Vorschlag machte.
"Ich würde folgendes vorschlagen: Wir weisen Murtagh und Ishaha an, mit ihren Drachen, fürs erste Ilirea zu bleiben. Elvas Ahnungen in Bezug auf Trianna und Tjurin sind zurzeit die verlässlichsten Spuren die wir haben. Die beiden sollten überwacht werden. Marek und Narie sollten ein wenig durch die Lande reisen. Hört Euch in den Dörfern und Städten um, unterstützt die Leute, falls kleinere Probleme auftreten und holt so unauffällig Erkundigungen ein. Hat jemand Gegenstände erworben, die man für die Geisterbeschwörung braucht oder hat vielleicht jemand magische Dienste angeboten die über die Fähigkeiten eines normalen Magiers hinausgehen? Ich rechne zwar nicht damit, dass wir wirklich auf etwas stoßen aber es kann auf keinen Fall schaden in Alagaësia etwas Flagge zu zeigen."
"Ich bin da mit Arya einer Meinung." stimmte Eragon seiner Gefährtin zu. "Was uns betrifft, so werden wir Nasuada noch berichten und dann zur Ostmark zurückkehren. Wir dürfen die Ausbildung unserer neuesten Schüler nicht vernachlässigen. Wir werden noch warten bis Kalain seine Angelegenheiten erledigt hat und dann gemeinsam mit ihm zurückkehren. Ich erwarte von Euch regelmäßig Berichte."
Während Marek mit einem "Ja Meister" seine Zustimmung bekundete, blieb Narie still.
"Hast Du Einwände, Silberschopf?" erkundigte sich Arya.
Die junge Cousine der Elfe verharrte zunächst schweigend. Schließlich ergriff sie das Wort: "Eine Sache lässt mich nicht mehr los Rabenmähne. Als der Schatten mich bedroht hat, war es als ob er eine persönliche Fehde mit dem Volk der Elfen hätte. Du hast mir einmal gesagt, dass der Schatten, den Du getötet hast etwas Ähnliches zu Dir gesagt hat. Wenn wir schon nicht die Spur des Geisterbeschwörers aufnehmen können, der für die Toten in Bullridge verantwortlich ist, dann sollten wir vielleicht versuchen etwas mehr über die Quelle seiner Macht herauszufinden."
Nachdenklich nickte Arya, schwieg aber.
"Was schlägst Du vor Narie? Ich hoffe, Du willst Dich nicht selbst in der Geisterbeschwörung versuchen?" erkundigte sich Eragon.
"Ganz sicher nicht Meister.", erwiderte Narie halb lachend. Praktisch augenblicklich wurde sie allerdings wieder ernst. "Nein, ich denke, dass Ihr, wenn Ihr in die Ostmark zurückkehrt, ein Gespräch mit den Eldunari führen solltet. Ihr Wissen reicht über viele Jahrhunderte. Vielleicht können Sie einige nützliche Informationen beisteuern. Marek und ich haben bisher nur menschliche Geisterbeschwörer befragt."
Die junge Elfe zögerte kurz und atmete anschließend tief durch.
"Ich würde gerne meinen Vater in Ellesméra besuchen. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Geisterbeschwörung und ist vielleicht derjenige im Volk der Elfen, der zurzeit am meisten über sie weiß."
"Das ist ein Opfer von Dir.", sagte Arya mit bewusst sanfter Stimme. "Du und Dein Vater, Ihr steht Euch nicht besonders nahe."
"Ich weiß, Rabenmähne. Wenn es die Umstände nicht erfordern würden hätte ich auch kein Bedürfnis danach ihn zu sprechen aber ich halte es für wichtig, dass wir im Angesicht dieser Bedrohung möglichst viele Informationen über die Geister zusammentragen. Er ist, was das betrifft, leider der logische Anlaufpunkt."
"Dann werde ich Dich aber auf jeden Fall begleiten." legte Marek entschlossen fest. "Ob er Menschen in seinem Hause mag oder nicht ist mir in diesem Zusammenhang egal. Es geht hier schließlich um eine offizielle Angelegenheit der Reiter."
"Und inoffiziell willst Du mich einfach nicht mit ihm allein lassen." schmunzelte Narie und blickte ihren Gefährten aber dankbar an.
"Von mir aus." räumte Eragon ein." Bisher hat es genügt, was wir über Geister wussten. Aber jetzt brauchen wir weitere Informationen."


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Eragon Band 6 - Die Wege der ReiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt